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27.03.10 / Im Mittelpunkt seines Werks steht der Mensch / Vor 100 Jahren wurde der Dichterphilosoph Hans-Joachim Haecker in Königsberg geboren – Knappe, bildhafte Sprache

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-10 vom 27. März 2010

Im Mittelpunkt seines Werks steht der Mensch
Vor 100 Jahren wurde der Dichterphilosoph Hans-Joachim Haecker in Königsberg geboren – Knappe, bildhafte Sprache

Er schreibt ohne Hinblick auf die Wünsche des Publikums und ohne bewusste „gesellschaftliche Verpflichtung“, hat Carl Heinz Kurz in seinen „Schriftstellerskizzen“ über den Dichter Hans-Joachim Haecker 1977 geschrieben. „Seine Texte sind Ausdruck unserer Zeit, aber der Autor nimmt sich das Recht, inhaltliche und Formprobleme auf seine Weise zu sehen und nicht, wie es die jeweilige literarische Mode gebietet.“ Das Werk des am 25. März vor 100 Jahren in Königsberg geborenen Haecker hat drei Wurzeln, eine lyrische, eine dramatische und eine philosophische. Es ist keine leicht zugängliche Kost, die Haecker seinem Publikum anbot. „Der Preis des Wissens ist der Schmerz“, hat Karl Kuehne 1980 im Ostpreußenblatt zum 70. Geburtstag des Königsberger Dichters geschrieben. „Was den Menschen Hans-Joachim Haecker zur schmerzlichen Erfahrung geworden ist, hat allmählich alle Schlacken aus dem Lebenswerk des Dichterphilosophen geglüht.“ Der Lebensweg ist schnell nacherzählt, doch wer zwischen den Zeilen zu lesen vermag, der wird nachempfinden können, was Haecker zu seinen Gedichten und Dramen inspiriert hat. Bereits mit neun Jahren verfass-te Haecker sein erstes Gedicht und mit zwölf Jahren schrieb er ein Indianerdrama. Als Schüler auf dem Hufengymnasium in seiner Vaterstadt lernte er Ernst Wiechert kennen, der dort als Lehrer tätig war. Durch ihn wurden dem Jungen die Augen für die schöpferische Gestaltung geöffnet. Wiechert war es auch, der den Abdruck eines frühen Gedichtes seines Schülers im „Stadtanzeiger für Köln und Umgebung“ 1931 veranlasste. In Berlin, München und Königsberg studierte Haecker Philosophie, Germanistik und Anglistik. Erste Erfahrungen sammelte er dann an Höheren Schulen in Gumbinnen, Lyck und Königsberg. Im Zweiten Weltkrieg war er als Soldat in Polen, Frankreich, derspäteren Tschechoslowakei und Italien; 1944 geriet er in englische Kriegsgefangenschaft und kam in ein Lager am Großen Bittersee in Ägypten. Dort arbeitete er an der Gefangenenzeitung „Der Moascar Bote“ mit. Auch entstanden in dieser Zeit das Drama „Der Tod des Odysseus“ und die Michelangelo-Sonette. 1948 wurde er entlassen und fand seine Frau und die Kinder in Zwickau wieder. Erst in Wilhelmshaven und von 1955 bis zu seiner Pensionierung 1972 in Hannover arbeitete Haecker im Höheren Schuldienst. Am 20. Februar 1994 starb er in Hannover. Der Pädagoge Haecker fand immer wieder die Zeit, sich der Dichtkunst und der Philosophie zuzuwenden. Der „Dienst am Wort“ habe sich ausgezeichnet ergänzt mit dem lebendigen Kontakt zu jungen Menschen. Erste Sammlungen mit Gedichten erschienen 1943 und 1947. Sein dramatisches Lebenswerk umfasst zwölf aufgeführte Bühnenwerke, in denen so berühmte Darstellerinnen wie Lucie Mannheim, Grete Mosheim, Tilla Duri-eux und Hilde Körber auftraten. Schon 1937 war sein Drama „Hiob“ erschienen, das in Königsberg, Berlin, Breslau und anderen Städten von Studenten der Bekennenden Kirche aufgeführt wurde, deren Mitglied Haecker war. In der Tragödie „Die Stadt“ (1940) beschäftigte sich Haecker mit dem Hamelner Rattenfänger-Mythos. 1941 folgte das Kolumbus-Drama „Segler gegen Westen“. Im Nachwort zu diesem Drama hatte Haecker seine Intentionen noch einmal deutlich gemacht: „In meinen bisherigen Spielen erwächst Tragik aus dem Widerstreit zwischen menschlicher Maßlosigkeit und den unüberschreitbaren Grenzen menschlicher Endlichkeit.“ Eine Einstellung, die von den Nationalsozialisten nicht gutgeheißen wurde, und so wurden seine Dramen zusammen mit Werken seines Lehrers Ernst Wiechert und seines Freundes Willy Kramp zur „entarteten“ Literatur gerechnet. Besondere Aufmerksamkeit erregte nach dem Zweiten Weltkrieg das „Drama „Dreht Euch nicht um“ (1961), in dem zwei jüdische Frauen plötzlich ihrem einstigen Peiniger gegenüberstehen. Das Stück wurde als Hörspiel inszeniert, für das Fernsehen bearbeitet sowie in zehn Sprachen übersetzt und sogar in Israel aufgeführt. Für seine Bühnenwerke wurde Haecker 1961 mit dem Gerhart-Hauptmann-Preis ausgezeichnet, 1979 erhielt er für sein lyrisches Schaffen das Niedersächsische Kunststipendium. Seine Lyrik zeichnet sich durch Klarheit und Form aus. Der Leser muss mit der Strenge und Sparsamkeit umgehen können, zeugt sie doch auch von der Wortgewalt eines Künstlers. Die knappe, bildhafte Sprache beeindruckt noch heute: „.. die Ebene wuchs bis in den Himmel ein, und plötzlich war der Himmel furchtbar nah, als könnt’ er mit der Hand durchstoßen sein … Und fröstelnd sann ich, was wohl außen sei, bräch meine Hand den Horizont entzwei.“ Von Carl Heinz Kurz gebeten, ein Resümee zu Leben und Werk zu geben, antwortete Hans-Joachim Haecker: „Es geht mir in Leben und Werk nicht um Vollkommenheitsstreben, nicht um das Auffinden eines idealen Lebenssinns, sondern allein um den konkreten Menschen mit seiner Unvollkommenheit und seinen Hoffnungen. So ist mein Werk ein Bekenntnis zur Rätselhaftigkeit der Existenz und zu den Grenzen menschlichen Wissens, menschlicher Liebe, menschlicher Gerechtigkeit und menschlicher Macht.“ Silke Osman


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