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27.03.10 / Wahlen befeuern Unruhen / Oxford-Professor warnt vor falschen Demokratievorstellungen für Afrika

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-10 vom 27. März 2010

Wahlen befeuern Unruhen
Oxford-Professor warnt vor falschen Demokratievorstellungen für Afrika

Der englische Titel, der übersetzt „Kriege, Waffen und Wahlen“ heißt, umreißt das Thema von Paul Colliers neuem Buch besser als der deutsche, der den umständlichen Titel „Gefährliche Wahl – Wie Demokratisierung in den ärmsten Ländern der Erde gelingen kann“ trägt. Collier gehört zu den führenden Experten für die Wirtschaft Afrikas und der Entwicklungsländer. Der Oxford-Professor, der auch für die Weltbank tätig war, gibt sich bezüglich Afrikas Demokratiebegeisterung keinerlei Illusionen hin und zeigt anhand zahlreicher Beispiele auf, warum Wahlen keineswegs für Länder auf diesem Kontinent immer ein Segen sind, sondern manchmal sogar für zusätzliche Instabilität sorgen. Leider beginnt Collier seine Ausführungen sehr zäh und wissenschaftlich. Etwa ab Mitte des Buches dreht sein Erzählstil total. Jovial wendet er sich plötzlich an die afrikanischen Präsidenten unter seinen Lesern und scherzt, dass sie wohl folgende Analysen nur ungern lesen würden. Gut gelaunt schildert er, wie er sich zusammen mit seinen Studenten der unterschiedlichsten Fragestellungen angenommen hat und zu welchen Erkenntnissen sie gekommen sind. „Abgesehen vom Problem der mangelnden Information werden viele Wähler allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit für oder gegen die amtierende Regierung stimmen, ohne deren Leistungsbilanz überhaupt zu beachten“, gibt Collier zu bedenken. In Ländern, in denen es nur bedingt eine unabhängige Presse gibt, zudem viele Bürger gar nicht lesen oder schreiben können, sei das demokratische Bewusstsein eher gering ausgeprägt. Das soll nicht heißen, dass Collier Wahlen in afrikanischen Staaten negativ sieht, nur er weist darauf hin, dass die Basis eine andere ist als in westlichen Staaten. Auch hat er untersucht, inwieweit Wahlen dafür gesorgt haben, dass das entsprechende Land aus dem Sumpf von Korruption und Fehlmanagement herausgekommen ist, und er hat festgestellt, dass das selten der Fall war. Da viele gewählte Staatschefs, häufig durch Wahlmanipulation an die Macht gekommen, fürchten müssten, von ihren Gegnern aus dem Amt geputscht zu werden, gäben sie immer wieder viel Geld für Waffen anstatt für Reformen aus. Auch habe sich gezeigt, dass vor allem Staatschefs, die geringe Steuern befürworten, lange im Amt blieben. Geringe Steuern mögen zwar einer gewissen Clique zusagen, so Collier, doch um Staatsaufgaben wie Infrastruktur, Sicherheit und Justiz zu erfüllen, bedürfe ein Staat eines gewissen Budgets, was er eben nur durch Steuern – und leider auch zu oft durch gut gemeinte Entwicklungshilfe bestreiten – könne. An zahlreichen amüsant, da abstrus, zu lesenden Länderbeispielen macht Collier deutlich, dass Wahlen manchmal erst der Anfang vom Ende seien, da sie bestimmte Mechanismen in Gang setzten, die die Fronten im Land erst verhärteten. Und da sich die Bürger in den meisten afrikanischen Staaten nicht als Angehörige einer Nation sähen, gäbe es auch keine gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen. Wahltermine würden zudem um ihre Wiederwahl fürchtende Herrschende dazu verleiten, das Land so gut wie möglich bis zu diesem Datum auszuplündern. Das habe zur Folge, dass der Amtsnachfolger aufgrund leerer Kassen und neuer Kredite noch weniger Handlungsspielraum habe. Damit demokratische Wahlen in die gewünschte Richtung führen, schlägt der Autor vor, der Westen möge jenen Regierungen, die Wahlen durchführten, Sicherheit bieten. Drohe ein Putsch, schicke der Westen sofort eine Interventionsarmee, um so dem legitimierten Staatschef sein Amt zu sichern. Dadurch würde dieser sich mehr auf Reformen statt ums Amtssicherung kümmern, so Colliers Theorie. Als Gegenleistung soll der Westen einen redlichen Umgang mit dem Staatshaushalt verlangen. Das alles klingt in der Theorie sehr schön, doch der Harken an der Sache ist die mangelnde Transparenz in solchen Ländern. Wenn selbst Griechenland jahrelang die EU belügen kann, dann sind die Möglichkeiten eines afrikanischen Staatschefs, dies zu tun, noch viel größer. Bel Paul Collier: „Gefährliche Wahl – Wie Demokratisierung in den ärmsten Ländern der Erde gelingen kann“, Siedler, München 2009, gebunden, 265 Seiten, 19,95 Euro


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