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03.04.10 / Hoffen auf Ungenauigkeiten / Die griechische Regierung hat vom Notfallplan der Euroländer mehr erhofft, doch sie erkennt auch Chancen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-10 vom 03. April 2010

Hoffen auf Ungenauigkeiten
Die griechische Regierung hat vom Notfallplan der Euroländer mehr erhofft, doch sie erkennt auch Chancen

Wann reicht „die Finanzierung über den Markt“ nicht mehr aus? Vor allem Athen und Berlin haben da ganz unterschiedliche Interpretationsansätze.

In Athen herrscht Katerstimmung. Denn das Ergebnis des EU-Gipfels hatte sich die Regierung von Ministerpräsident Giorgos Andrea Papandreou anders vorgestellt. Da hatte man immer wieder betont, dass man die Schuldenkrise selbst meistern wolle und gehofft, für diesen guten Vorsatz mit ein paar Milliarden belohnt zu werden, und jetzt gibt es von den anderen Euro-Ländern erst Kredite, wenn am Kapitalmarkt nichts mehr zu holen ist.

Allerdings gibt es einige Ungenauigkeiten in den Vereinbarungen der Euro-Länder von Ende März, die Athen zu seinen Gunsten deutet. Denn in dem Notfallplan steht nur, dass es Kredite von den anderen Euro-Ländern gibt, wenn „die Finanzierung über den Markt nicht ausreicht“. Das ist recht frei interpretierbar, und so hofft Griechenland, hier noch verhandeln zu können. Während beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich aus Papandreous Sicht erschreckend knickrig gezeigt hat, davon ausgeht, dass der Notfallplan erst greift, wenn kaum einer am Kapitalmarkt mehr griechische Staatsanleihen kaufen will, interpretiert der Grieche die Formulierung weicher. Für ihn tritt der Notfall ein, wenn die Risikoaufschläge, sprich die von Athen zu zahlenden Zinsen, untragbar hoch werden. Und eigentlich ist das ja jetzt schon der Fall, schließlich muss das Land bereits sechs Prozent Zinsen an seine Gläubiger zahlen. Wie soll man bei solchen Zinskosten gleichzeitig sein Sparpaket in Höhe von 4,8 Milliarden Euro im laufenden Haushalt einhalten, fragen in Athen viele. Überhaupt wäre alles viel schöner gewesen, wenn die Helferstaaten Kredite zu einem Zinssatz angeboten hätten, der dem Durchschnitt in der Eurozone entspricht. Dafür stehen Griechenland jetzt immerhin Kredite vom Internationalen Währungsfonds (IWF) offen, der weniger hohe Zinsen nimmt. Dafür fordert er allerdings Reformen und pocht drastisch auf deren Einhaltung, wie schon viele Länder erfahren mussten.

Derweil dürfte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin missmutig auf den von seiner Chefin geprägten Notfallplan blicken. Er hatte es auf jeden Fall vermeiden wollen, dass Griechenland Hilfe vom IWF annehmen darf. Er fürchtet, dass sich nun die USA über den von ihnen dominierten IWF in die Geldpolitik der Eurozone einmischen können. Das missfällt auch der Europäischen Zentralbank (EZB), doch Schäubles Plan, der die Gründung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) vorsah, stellte für die Zentralbanker auch keine Lösung dar. Abgesehen von der ungeklärten Frage, wie dieser Fonds sich finanzieren sollte, nahm er den Problemländern in der Eurozone auch den Anreiz, die hausgemachte Krise selbst zu lösen, statt sie über einen EWF zu vergemeinschaften.

Obwohl die Kosten für Deutschland bei der Griechenlandhilfe aufgrund der Beteiligung des IWF nun günstiger werden, kann sich der deutsche Finanzminister, der immer noch mit bis zu fünf Milliarden Euro als Kredit für Athen rechnen muss, über die jetzige Lösung nicht freuen. Vor allem ist er sauer auf Merkel, die ihm, so sein Gefühl, in den Rücken gefallen ist. Schon vor Wochen, als sie nach außen seinen Plan zur Gründung eines EWF noch unterstützte, ahnte Schäuble, dass ihren Worten keine Taten folgen würden. So verordnete er seinen Mitarbeitern gegenüber dem Kanzleramt ein Sprechverbot, damit von dort nicht vor vollständiger Ausarbeitung des Planes interveniert werden könnte. Doch nachdem immer mehr Kritik aus den Reihen der Union, aber auch von Seiten der Bundesbank und von Wirtschaftsexperten an dem Konstrukt EWF geäußert wurde, desto offener distanzierte sich Merkel. Mitte März brachte sie dann in einer Debatte im Bundestag offen IWF-Hilfen für Griechenland ins Gespräch und da jeder wusste, dass Schäuble absolut dagegen war, fühlte dieser sich bloßgestellt.

Doch in diesem Fall hatte Merkel wohl keine andere Möglichkeit. So drohte die Gefahr, mit einem EWF gegen das so genannte Nichtbeistandsgebot der Euro-Länder zu verstoßen. Schon zu Beginn der Diskussion hatten einige streitlustige Euro-Gegner, die angesichts der aktuellen Euro-Krise den Verlust der D-Mark erneut beklagten, kundgetan, in einem solchen Falle vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Und da Merkel in letzter Zeit so manche juristische Ohrfeige aus Karlsruhe einstecken musste, die sie dann wiederum vor ihren Partner in Brüssel schwach dastehen lassen würde, wollte sie dieses Risiko nicht eingehen. Zudem wird durch die Miteinbeziehung die Pflicht zur Disziplinierung Griechenlands ausgelagert. Bei einem EWF hätte stets die Gefahr bestanden, dass man dort die an die Hilfe geknüpften Sparmaßnahmen ähnlich lasch kontrolliert hätte, wie bisher bei den Euro-Stabilitätskriterien. Die Alternative hingegen, eine strenge Überwachung der Pleitekandidaten inklusive Zwangsmaßnahmen, hätte wiederum die Stimmung zwischen den Partnerstaaten getrübt und wäre vermutlich vor allem als „deutsches Diktat“ empfunden worden. Da sollen doch jetzt lieber die US-Amerikaner die Bösen sein, die auf die Einhaltung der Haushaltsdisziplin pochen. Rebecca Bellano


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