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03.04.10 / August der Starke liebte diese Pracht / Die »Türckische Cammer« im Dresdner Residenzschloss präsentiert exotische Schätze aus dem Orient

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-10 vom 03. April 2010

August der Starke liebte diese Pracht
Die »Türckische Cammer« im Dresdner Residenzschloss präsentiert exotische Schätze aus dem Orient

Die „Türckische Cammer“ der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden mit ihrer Sammlung osmanischer Kunstwerke innerhalb der kurfürstlich-sächsischen Rüstkammer hat ihre Pforten geöffnet und entführt den Besucher in die farbenfrohe, geheimnisvolle Welt des Orients. Mit etwa 600 orientalischen und orientalisierenden Objekten des 16. bis 19. Jahrhunderts gehört die von dem Kurator der „Türckischen Cammer“, Holger Schuckelt, konzipierte Präsentation zu den bedeutendsten ihrer Art weltweit. Bis 1942 wurde ein kleiner Teil der Objekte in anderer Form im Dresdner Johanneum ausgestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangten die meisten Objekte in die UdSSR und kamen mit der Rückführung der Bestände der Rüstkammer 1958 aus dem damaligen Leningrad nach Dresden zurück. Als Dauerausstellung im Dresdner Residenzschloss werden die exotischen Schätze in dieser Fülle nun erstmals seit 70 Jahren wieder gezeigt.

Schon beim Betreten wird der Besucher in eine andere Welt entführt: Fünf vollplastische Araberhengste, gezäumt und gesattelt mit historischem Prunkreitzeug, künden von feuriger orientalischer Pracht und Eleganz. Sie zählen zu den Höhepunkten der neuen Dauerausstellung. Jedes der aus Holz geschnitzten Pferde in Originalgröße wiegt rund 150 Kilogramm und ist ein Unikat. Das zum Schutz der Textilien stark reduzierte Licht taucht die gesamte Ausstellung in eine nächtlich anmutende, geheimnisvolle Atmosphäre. Vor den dunkelblau gestrichenen Wänden werden besonders prunkvolle Objekte mit spezieller Beleuchtung kontrastreich in Szene gesetzt. Bis in das Jahr 1591 reichen die Anfänge der Sammlungstradition von Orientalica in Dresden zurück. Im frühen 18. Jahrhundert erlebte die Kollektion unter August dem Starken ihren Höhepunkt.

Die bunte Fülle der Ausstellungsobjekte – Zelte, Fahnen, Helme, Panzerhemden, Waffen und Gewehre – stammt zu einem Großteil aus dem militärischen Kontext. Herrschte im 17. Jahrhundert noch die Furcht vor den Osmanen vor, veränderte sich im 18. Jahrhundert das Türkenbild. An die Stelle der Furcht rückte die Faszination: Die Mode „alla turca“ wurde im Zeitalter des Barock kultiviert und war unter August dem Starken am ausgeprägtesten. Die orientalische Kultur wurde zum Leitmotiv der höfischen Feste und Turniere sowie der Theater- und Opernstücke. Kleidungsstücke aus der „Türckischen Cammer“ dienten als Requisiten. Zwei Kaftane sind erhalten geblieben, die im Jahr 1713 auf Geheiß Augusts des Starken aus der Türkei angekauft wurden. Für Verkleidungszwecke wurden sie bei Maskeraden und Banketten als Nationalkleider genutzt, doch dass sie auch anderweitig gebraucht wurden, beweisen Inventaraufzeichnungen, in denen die weit geschnittenen Gewänder als „schlaff peltz“ bezeichnet werden.

Zur Hauptattraktion der Ausstellung gehören zwei türkische Zelte aus dem Besitz August des Starken. Nur ganz wenige europäische Museen besitzen ähnliche textile Kostbarkeiten aus dem 17. Jahrhundert. Als Besucher kann man sich in das kleinere Zelt setzen, um das wunderschöne Dach zu bewundern, welches reich mit Applikationen aus farbiger Seide, Baumwolle und vergoldetem Leder bestickt ist. Indem man den Farbentraum genießt, fühlt man sich schon nahezu in die Märchenwelt von „Tausendundeiner Nacht“ entführt. Die einzelnen Felder der Zeltbahnen sind flächendeckend mit Blütenranken und blütengefüllten Medaillons verziert. In der Vorstellungswelt der Muslime nimmt der Innenraum des Zeltes somit Bezug auf die Gärten des Paradieses. Das größere Zelt, etwa 20 Meter lang und sechs Meter hoch, diente 1730 bei einer großen Truppenschau, dem so genannten Zeithainer Lager, repräsentativen Zwecken als „salle à manger“. Bei diesem Ereignis wollte sich August der Starke mit seiner Armee international präsentieren. Unter den Gästen befand sich auch der preußische König Friedrich Wilhelm I.

Die gelungene Verknüpfung von Ausstellungsobjekten und geschichtlichen Hintergründen macht den Betrachter mit der wechselvollen Geschichte des Osmanischen Reiches vertraut und schildert die kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem christlichen Europa. Unter Sultan Süleyman I. (1520–1566) erreichte das Osmanische Reich seine größte Ausdehnung. Als großer Förderer von Kunst und Wissenschaft erfuhr das Reich eine kulturelle Blütezeit. Das europäische Türkenbild der frühen Neuzeit geht maßgeblich auf jene Epoche zurück, aus welcher zugleich eine ernste Bedrohung für das christliche Europa erwuchs. Schon im Jahr 1529 standen osmanische Truppen vor den Toren Wiens, und erst 1683 befreite das kaiserlich-polnische Heer in der Schlacht am Kahlenberg Wien von den Osmanen. Beteiligt war daran auch Kurfürst Johann Georg III. (1680–1691) mit einem Heer von rund 10400 Mann. Trotz der kriegerischen Vergangenheit gelangten die wenigsten Objekte als Kriegsbeute in die „Türckische Cammer“. Vielmehr wurden die meisten Kostbarkeiten angekauft oder gelangten als diplomatische Geschenke nach Dresden. Auf anschauliche Weise verknüpft die Ausstellung Objekte und Historie miteinander, so dass sich dem Betrachter ein besonderes kultur-geschichtliches Zeugnis präsentiert. Caroline v. Keudell

Die „Türckische Cammer“ im Residenzschloss Dresden, Sophienstraße oder Schloßstraße, ist täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt: 10/7,50 Euro (gilt für das gesamte Residenzschloss, ausgenommen Historisches Grünes Gewölbe).


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