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10.04.10 / Für europaweiten Sonntagsschutz / Das erste europäische Bürgerbegehren läuft – Positive Seite des Lissabon-Vertrags

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-10 vom 10. April 2010

Für europaweiten Sonntagsschutz
Das erste europäische Bürgerbegehren läuft – Positive Seite des Lissabon-Vertrags

Der Schutz des Sonntags vor kommerziellen Interessen ist kein rein deutsches, sondern ein internationales Thema. Allzu leicht können die Schutzvorschriften eines Landes durch laxe Vorschriften des Nachbarlandes untergraben werden. Der junge Europaabgeordnete Martin Kastler hat dazu nun das erste europäische Bürgerbegehren gestartet.

Zu den positiven Elementen des Vertrages von Lissabon gehört das europäische Bürgerbegehren: Der seit 1. Dezember geltende Vertrag sieht vor, dass eine Million Bürger aus „einer erheblichen Anzahl von Mitgliedsstaaten“ eine Gesetzesinitiative fordern können. Die Einzelheiten sind noch offen, die EU-Kommission hat einen Entwurf vorgelegt, der bis zur Jahresmitte in Kraft treten soll.

Solange will der 35-jährige Europaabgeordnete Martin Kastler allerdings nicht mehr warten. Der CSU-Politiker aus Schwabach bei Nürnberg mit sudetendeutschen Vorfahren und seit kurzem Bundesvorsitzender der sudetendeutsch-katholischen Ackermann-Gemeinde, sammelt bereits jetzt Unterschriften für ein Bürgerbegehren zum europaweiten Sonntagsschutz.

Kastler war bereits 2003 und 2008 in das Straßburger Parlament nachgerückt, ehe er bei der Europawahl 2009 erstmals direkt ein Mandat eroberte. Nach dem Vorbild der sudetendeutschen Katholiken Josef Stingl und Hans Schütz stürzte er sich in die Arbeits- und Sozialpolitik: Er sitzt im Parlamentsausschuss für Arbeit, ist sozialpolitischer Sprecher der CSU-Europagruppe und befasst sich außerdem mit Menschenrechtspolitik. Hier interpretiert er entgegen einer in der EU immer weiter verbreiteten Mode die Religionsfreiheit nicht als Abwehrrecht von Atheisten im Sinne einer „Freiheit von Religion“, sondern als „Recht auf Religion“.

In Sachen Sonntagsschutz weiß Kastler im Prinzip die EU-Regularien und -Traditionen hinter sich: Völlig unbestritten ist der arbeitsfreie Sonntag Teil des europäischen Kulturerbes, das ja im tiefsten Kern christlich ist. Nach EU-Recht ist der Sonntag der Ruhetag für Kinder und junge Menschen, die EU-Institutionen arbeiten seit jeher sonntags nicht.

Bereits 2009 hatte Kastler eine Initiative für einen EU-weiten Sonntagsschutz unterstützt, die aber letztlich nur von 261 der 736 Abgeordneten des EU-Parlamentes unterzeichnet wurde. 42 davon kamen aus Deutschland, mehrheitlich von CDU/CSU, zum geringeren Teil aus der SPD, obwohl damals neben den Kirchen auch die Gewerkschaft Verdi als Initiator fungierte.

Da sich also eine Mehrheit der EU-Abgeordneten nicht durchringen konnte, den Sonntag EU-weit zu schützen, versucht es Kastler nun mit der Sammlung von Unterschriften für ein europäisches Bürgerbegehren. Es steht unter dem Motto „Sonntags gehören Mami und Papi uns“ – eine Abwandlung der Gewerkschafts-Parole im Kampf um den freien Sonnabend in den 1970er Jahren.

Der Sonntagsschutz ist für Kastler auch deshalb ein europäisches Problem, weil Länder, in denen die Geschäfte sonntags geöffnet sind, die Regularien in den angrenzenden, sonntagsschützenden Ländern untergraben – vor allem im grenznahen Bereich. Ein Blick an die deutsch-tschechische Grenze beweist das: Weil im angrenzenden Asch (auf böhmischer Seite) die Geschäfte geöffnet haben, fahren viele Bürger aus dem deutschen Grenzland zum Sonntagseinkauf hinüber. Folge: Die Geschäftsleute in den strukturschwachen Grenzregionen Deutschlands laufen gegen den Sonntagsschutz Sturm und setzen die Politik unter Druck. Immer weitergehende Regelungen für lokale verkaufsoffene Sonntage sind das Ergebnis, so dass letztlich das schlechte tschechische Beispiel auch in Deutschland die Sitten verdirbt.

Derzeit sind laut Kastler in 16 der 27 EU-Staaten die Sonntage mehr oder weniger verkaufsfrei, also geschützt. Dagegen sind in elf Staaten die Sonntage im Prinzip freigegeben, vor allem in den neuen EU-Mitgliedsländern im Osten Europas, in denen teilweise „frühkapitalistische“ Zustände herrschen. Sogar ein an sich frommes Land wie Rumänien kennt den Sonntagsschutz nur für Behörden, nicht aber für Geschäfte: Gewerkschaften und Kirchen haben politisch kaum Einfluss.

Auf Kastlers Homepage www.freier-sonntag.eu haben bisher 13700 Bürger signiert, dazu kommen 1200 Unterstützer bei Facebook. Vom geplanten Quorum für ein europäisches Bürgerbegehren, für das Zahlen ab 300000 diskutiert werden, ist die Initiative also zwar noch weit entfernt, dennoch ist Kastler zuversichtlich, wenn die Kampagne erst einmal einer weiteren Öffentlichkeit bekannt wird: „Hinter dem Sonntagsschutz können sich Menschen aus den unterschiedlichsten politischen und gesellschaftlichen Lagern versammeln. Die Koalition aus Wertkonservativen, Sozialpolitikern, Gewerkschaftlern und Liberalen dokumentiert, wie sehr unser Anliegen das Gemeinwohl im Auge hat.“

Außerdem ist die Ausgestaltung des EU-Bürgerbegehrens auch noch nicht beschlossen. Debattiert werden in Brüssel mehrere Varianten. So könnte es zwei Stufen geben: Für eine erste Stufe würden dann 300000 Unterschriften genügen, danach müsste die EU-Kommission prüfen, ob das Thema nach EU-Statuten zulässig ist. Unzulässig wären etwa die Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe oder die Abschaffung der EU. In einer zweiten Stufe müssten dann eine Million Unterschriften gesammelt werden. Während die Befürworter wollen, dass die Unterschriften aus einem Viertel der Staaten kommt, (derzeit aufgerundet also sieben), will die EU-Kommission neun Staaten als zusätzliche Voraussetzung für ein Bürgerbegehren.            Anton Heinrich


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