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10.04.10 / Krieg wie im Videospiel / Afghanistan: US-Regierung will durch den verstärkten Einsatz von Drohnen eigene Verluste reduzieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-10 vom 10. April 2010

Krieg wie im Videospiel
Afghanistan: US-Regierung will durch den verstärkten Einsatz von Drohnen eigene Verluste reduzieren

Eine völlig neue Art der Kriegsführung haben die Amerikaner mit ihren unbemannten, ferngesteuerten Bomber- und Aufklärungsflugzeugen, den Drohnen, geschaffen. Zum ersten Mal ist es möglich, den Feind ohne das Risiko eigener personeller Verluste anzugreifen, ehe er selbst zuschlägt.

Die erste Drohne namens „Predator“ wurde von Präsident George W. Bush vier Tage nach dem 9. September 2001 auf die Suche nach Osama bin Laden und seine Al-Kaida geschickt. Vergeblich. Doch heute spielen die von „fliegenden Fotoapparaten“ zu unbemannten Kampfjets weiterentwickelten Drohnen bereits in Afghanistan und Pakistan im Kampf gegen die Taliban eine Hauptrolle. Nahezu drei Milliarden Dollar im Jahr gibt das Pentagon für die tödlichen Riesen-Insekten aus, die – unter Schonung von Soldatenleben – die Aufständischen und ihre Anführer bis in entlegene Berg-nester verfolgen und umbringen können. Das Ziel der Air Force ist ein Arsenal von 200 Kampf-Drohnen, wovon sich 65 ständig in der Luft befinden sollen. Bei den bisher erfolgreichen Offensiven in Süd-Waziristan und Marja waren die etwa 20 Millionen Dollar treuren „Predator“-Drohnen und die größeren 50 Millionen Dollar kostenden „Reaper“-Drohnen im Einsatz. Hochentwickelte Technologie gegen alte Kalaschnikows und selbstgebastelte Bomben? Ein grausam-faszinierendes Szenario.

Aber wie funktionieren die Drohnen eigentlich? Sie werden ferngesteuert von Piloten, die daheim in den USA, zumeist in der Wüste von Nevada,  an sieben Boden-Stationen der US-Luftwaffe in simulierten Cockpits an Computern sitzen, wo sie in ständigem Kontakt mit Kommando-Zentralen, Truppen und der CIA in den Kriegsgebieten per Video das Kampfgeschehen überblicken können. Krieg als Videospiel, nur verbunden mit härtester Realität:  7500 Meilen entfernt werden die unbemannten Maschinen an Ort und Stelle nur gestartet und gelandet und dazwischen den Piloten in der fernen Heimat zwecks Fernsteuerung überlassen. Diese greifen – in unterirdischen, gut-klimatisierten Räumen, bequem auf gut gepolsterten Sitzen thronend – aktiv ins Kampfgeschehen ein.

„Als ich die B-52 flog“, berichtet der ehemaligen Bomber-Pilot Mark Ferstl der „L.A. Times“, „war ich 30000 bis 40000 Fuß hoch und konnte die Bomben nicht einmal fallen sehen. Hier ist man viel realistischer dabei.“ Dale Friday, ein ehemaliger F-15-Pilot, empfindet seine neue Tätigkeit als befriedigend. Er erzählt von einem Einsatz der von ihm ferngesteuerten Drohne, als mitten in der Wüste der Taliban-Hochburg Helmland ein Wagen eines US-Konvois auf der Strecke blieb. „Wir schickten einen ,Predator‘, der die ganze Nacht über der Stelle schwebte, wo die Soldaten  auf die Mechaniker warten mussten. Sie konnten ruhig schlafen.“ Und Pilot Captain Sam Nelson erinnert sich an den Hilferuf, den sie per Radio auffingen von einer Truppe, die von Aufständischen verfolgt wurde. „Allein die erregten Stimmen zu hören, die Schüsse, die verzweifelten Rufe um irgendwelche Hilfe – das war erregend. Ich konnte zwei Fighter Jets F-16 an den Ort leiten, die die Verfolger erledigten und die Truppe retteten. Ein gutes Gefühl.“

Nelson hat in seinem simulierten Cockpit die gleichen Zeichen wie in einem wirklichen Flugzeug, doch ohne die körperlichen Anstrengungen, die er in einem in wechselnden Höhe fliegenden Kampfjet zu überstehen hätte. An zwei Keyboards kann er sich in Chat Rooms mit militärischem Personal in aller Welt einschalten. Er kann Landkarten, Satellitenbilder und Geheimberichte von überall anfordern. „Beruflich gesehen“, sagt Major Chambliss, ehemaliger Leiter der vereinigten Drohnen-Stationen in Nevada, „ist es sicher befriedigend, die Leiter in einen F-16-Bomber zu erklimmen. Aber für das Kampfgeschehen ist unsere Arbeit hier. Wir können alles erkennen. Ein paar Burschen, die auf der Straße gehen, und wir können sehen, ob sie bewaffnet sind.“ Und sie können wie Piloten in Kampfjets schießen.

Gedanklich sind sie vollkommen im Geschehen, und dies zehn bis elf Stunden am Tag. Und dann fahren sie, wie Captain Nelson, 40 Minuten ins glitzernde Las Vegas, heim in ihre Wohnung, um sich beim Abendessen ihren Familien zu widmen und bei Sport im Fernsehen zu erholen.

Das erscheint schizophren: Ein Leben zwischen häuslicher Idylle und tödlichem Kampf. Psychologen und Pastoren stehen bereit, um zu helfen, diese Art von Stress zu verarbeiten. Aber das Ziel der Air Force ist, wie gerade beschlossen, die traditionsreiche US-Kampfkultur auf die Drohnen auszudehnen und ihre Operateure auszubilden wie die Truppen und Maschinen vor Ort im Feindgebiet. „Sie müssen das Gefühl haben, sich mit im Kampf zu befinden“, sagt Captain Victor Allen, der die Ausbildung der meist jungen, kampfunerprobten Kamera-Operateure leitet, die als Co-Piloten die Ziele anvisieren und Hellfire-Raketen sowie 500-Pfund-Bomben in die richtige Richtung leiten müssen. „Sie müssen sich als Teil der Truppe im Einsatz fühlen und wissen, was auf dem Spiel steht. Auch wenn sie eine halbe Welt entfernt auf ihren sicheren und bequemen Piloten-Sitzen hocken.“ Liselotte Millauer


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