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10.04.10 / Ein Dorf mit 120000 Einwohnern / Die wechselvolle Geschichte der Stadt Hindenburg (Zabrze) in Oberschlesien – Ausstellung in Essen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-10 vom 10. April 2010

Ein Dorf mit 120000 Einwohnern
Die wechselvolle Geschichte der Stadt Hindenburg (Zabrze) in Oberschlesien – Ausstellung in Essen

Derzeit blicken Deutschlands Kulturfreunde auf die Ruhr-Region, die 2010 Kulturhauptstadt ist. Vor allem Essen mit seinem Folkwang-Museum zieht viel Interesse auf sich. Doch fernab jeden Medienrummels gibt es ein kleines Museum, das trotzdem viel zu erzählen hat. Denn die westdeutsche Stadt Essen übernahm 1953 eine Patenschaft über Hindenburg in Oberschlesien, und so fand die „Hindenburger Heimatsammlung“ ihr Zuhause in der innerstädtisch gelegenen Luisenschule. Zusammen mit dem Stadtarchiv und Teilen der Stadtbibliothek bildet es das „Haus der Essener Geschichte“.

In zwei großen Räumen kann sich der Besucher anhand von persönlichen Erinnerungsstücken, Dokumenten, Fotos, Landkarten, Stadtplänen, Zeitungen, Büchern und Postkarten ein Bild von Hindenburg machen. Besonders anschaulich sind die Stücke zum Bereich Bergbau sowie zu religiösen Themen. Im Rahmen dieser Ausstellung hat auch die jetzt unter polnischer Souveränität stehende Stadt die Möglichkeit, das heutige Stadtbild in einer Dauerausstellung zu präsentieren.

Das moderne Ausstellungskonzept spreche mehrere Zielgruppen an: Vertriebene, ihre Nachkommen, Aussiedler und die einheimische Bevölkerung. Einen wesentlichen Teil nehme die Geschichte Hindenburgs ein. Interessant seien beispielsweise Zeitdokumente der polnischen Wahlpropaganda in deutscher Sprache wie auch die Sammlung von Sportauszeichnungen und Diplomen. Hinzu komme eine umfangreiche, thematisch geordnete Fotosammlung, berichtet Helga Zöllig, die die Ausstellung betreut.

„Ich selbst stamme aus Hindenburg und kenne es noch aus meiner Kindheit“, berichtet Zöllig. Als ihre Mutter 1945 in die damalige Ostzone ging, blieb die Tochter erst einmal beim Großvater zurück. „In der Schule habe ich Polnisch und Russisch gelernt und Deutsch verlernt“, erinnert sich Zöllig. 1949 kehrte der Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Endgültig vereint wurde die Familie 1953, als Großvater und Enkelkind in die DDR gingen. Die Familie siedelte 1957 nach Westdeutschland über und wurde berufs- und ausbildungsbedingt gleich wieder über das ganze Bundesgebiet verstreut. Seit 1958 lebt Zöllig nun schon mit ihrem Ehemann in Essen. „Ich fühle mich wie im Ausland. Ich lebe im falschen Teil Deutschlands. Hindenburg ist immer deutsch gewesen. Durch die Zerrissenheit der Familie fehlen mir auch viele Jahre.“ 1985 war Zöllig erstmals wieder in der alten, „richtigen“ Heimat. Und erschrak, wie heruntergekommen alles war. „Das Elternhaus gibt es nicht mehr.“ Und warum engagiert sie sich in der Heimatsammlung? „Die Kinder erfahren ja in der Schule nichts über die Vertreibung. Wir wollen die Erinnerung daran wach halten.“

Hindenburg hieß bis 1915 auch in deutscher Sprache Zabrze. Entstanden war es aus dem Zusammenschluss von Dörfern wie Biskupitz, Dorotheendorf, Mathesdorf und Klein-Zabrze. Laut einer Urkunde von 1260 gilt Biskupitz als die älteste Siedlung im heutigen Stadtgebiet. Das älteste große Steinkohlenbergwerk wurde 1790/91 gegründet. Wenn man die Bedeutung Hindenburgs um 1900 als Industriestandort berücksichtigt, wundert es, dass die Gemeinde damals noch immer den Status eines Dorfes hatte. Im Jahre 1915 beschloss die Gemeinde nach dem Sieg des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg und nach Rücksprache mit ihm, sich seinen Namen zu geben. Im Zuge der verwaltungsmäßigen Neuordnung Oberschlesiens nach der Abtrennung Ostoberschlesiens 1922 erhielt die Landgemeinde Hindenburg am 15. Oktober 1922 endlich das Stadtrecht, 1927 zählte sie gut 127000 Einwohner. Die Stadt blieb im Zweiten Weltkrieg von Fliegerangriffen weitgehend verschont. Auch nach der Besetzung Ende Januar 1945 durch die sowjetische Armee wurde wenig zerstört. Die polnische Verwaltung, die am 19. Mai 1945 die sowjetische Militär­administration ablöste, übernahm intakte Industrieanlagen, die mit Hilfe zwangsverpflichteten deutschen Personals bald wieder in Betrieb gesetzt werden konnten.   Andreas Rüdig


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