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17.04.10 / Erfolg mit schneller Strafe / Jugendkriminalität: »Neuköllner Modell« soll Intensivtäter-Karrieren vorbeugen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-10 vom 17. April 2010

Erfolg mit schneller Strafe
Jugendkriminalität: »Neuköllner Modell« soll Intensivtäter-Karrieren vorbeugen

Die Kritik an Jugendrichterin Kirsten Heisig ist verstummt. Ihr Modell von schnellen Prozessen bei „übersichtlichen“ Delikten von 14- bis 18-Jährigen zeigt bereits Erfolge und wird im Juni auf ganz Berlin ausgeweitet.

Etwa 13000 Jugendliche werden in Berlin jedes Jahr straffällig. Wenn die Taten überhaupt verfolgt werden, so folgt die Verurteilung der jungen Delinquenten oft erst viele Monate oder gar Jahre nach der Tat. Folge: Die Jugendlichen fühlen, wie Psychologen schon vor Jahren ermittelt haben, keinen Zusammenhang mehr zwischen ihrer Tat und der Strafe und empfinden die Ahndung nurmehr als Schikane. Zudem begehen manche Täter inzwischen weitere Delikte, weil sie sich nach dem ersten Mal davongekommen wähnen. Aus Tätern werden so schnell „Intensivtäter“.

Jugendrichterin Kirsten Heisig – seit 2007 für den besonders betroffenen Bezirk Neukölln zuständig – hat dagegen das sogenannte „Neuköllner Modell“ entwickelt. Es wird seit Januar 2008 im besonders kriminalitätsbelasteten Rollbergkiez angewendet. Bislang sind etwa 220 Gerichtsverfahren nach diesem Muster abgearbeitet worden.

Die rechtliche Grundlage dafür ist das so genannte vereinfachte Jugendverfahren. Heisig: „Voraussetzung dafür ist, dass die jungen Leute zwischen 14 und 18 sind und noch keine Jugendstrafe fällig geworden ist.“ Die Sachverhalte müssten „einfach gelagert“ sein. Das heißt, wo ein Dauerarrest von maximal vier Wochen in Betracht kommt und wo die Beweislage „übersichtlich“ ist. Das sind meist Fälle von Diebstahl, Körperverletzung oder Beleidigung.

Das Modell funktioniere indes nur, wenn „Richter, Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendhilfe eng miteinander kommunizieren“. Im Idealfall stehen die Straftäter nach drei Wochen vor ihrem Richter. Potentielle Straftäter sollten abgeschreckt werden, weil sie sähen, dass sie alsbald abgeurteilt werden würden, hofft Heisig. Tatsächlich ging in den Anwendungsbereichen die Jugendkriminalität zurück. Daher wurde das Programm noch im gleichen Jahr zunächst auf die gesamte Polizeidirektion 5, dann ganz Neukölln und schließlich auf die Bezirke Lichtenberg, Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Marzahn-Hellersdorf, Reinickendorf und Treptow-Köpenick ausgedehnt.

Jugendkriminalität in Neukölln bedeutet fast immer Ausländerkriminalität oder Kriminalität, die von Deutschen mit ausländischen Wurzeln ausgeht. Daher stand Richterin Heisig auch schon im wachsamen Fokus linker Kritiker. Doch diese Stimmen sind fast verstummt, auch wegen Heisigs Erfolg. Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD): „Sie hat eine ganze Menge bewegt. Und wir haben gelernt: Es nützt nichts, nur zu meckern und mit dem Finger auf andere zu zeigen.“ So traute sich die engagierte Richterin, jüngst nachzulegen und kritisierte ein Schreiben der Berliner Bildungsverwaltung, wonach Sachbeschädigungen an Schulen nicht mehr gemeldet werden müssten. „Alle Vorfälle an Schulen müssen angezeigt werden, auch wenn das die Statistik verschlechtert.“

Rund 50000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben in Neukölln. Mit einem Anteil von 23 Prozent Zuwanderern gilt der Bezirk als schwierig. Knapp 60000 der rund 300000 Einwohner beziehen staatliche Sozialleistungen. Einige Wohnquartiere gelten hinter vorgehaltener Hand bei der Polizei als „No go Area“. „Die Jugendlichen überwiegend ausländischer Abstammung oder Nationalität haben ihren Respekt vor staatlicher Gewalt auch deshalb verloren, weil sie in täglicher Erfahrung wahrnehmen, dass auch nachhaltigen Straftaten keine entsprechenden staatlichen Sanktionen gegenüberstehen“, heißt es in einem Bericht der Staatsanwaltschaft.

Kriminalität gilt bei manchen Jugendlichen mit Immigrationshintergrund als schick. Denis Barcic und Ahmad Atie, die beiden Schulsprecher an der deutschlandweit bekannt gewordenen Rütli-Schule, benennen, was aus ihrer Sicht hinter dem Gewaltpotential steht: „Frust abbauen – wegen der Eltern, die sie nicht verstehen, der Geschwister, die nerven, wegen der Chancenlosigkeit, einen Ausbildungsplatz zu finden. Wer sich nicht einer Bande anschloss, um gemeinsam andere zu verprügeln oder abzuziehen, wurde als Außenseiter stigmatisiert.“

Im Juni wird nun das Neuköllner Modell nach Absprachen der Justizsenatorin, Polizeipräsident Dieter Glietsch und Generalstaatsanwalt Ralf Rother auf ganz Berlin ausgeweitet. Kirsten Heisig auf Nachfrage des „Spiegel“: „Es werden mehr deutsche Täter“. Doch das ist wohl eher ein rein statistischer Befund, weil es in den neu hinzugekommenen Bezirken wie Berlin-Zehlendorf nun einmal weniger ausländische Jugendliche gibt als in den Problemkiezen.

Lob für die Ausweitung der Neuköllner Justizmaßnahmen kommt nicht nur von der Justizsenatorin sondern auch von der oppositionellen CDU. René Stadtkewitz, Mitglied des Abgeordnetenhauses und bekannter Berliner Islamkritiker: „Der richtige Weg. Die Strafe muss stets auf dem Fuße folgen. Gerade bei Gewaltstraftaten von jugendlichen Immigranten zeigt sich oft, dass diese längst weitere Straftaten begangen haben, während oft mehr als zwei Jahre vergehen, bis sie verurteilt werden.“

Tatsächlich zeigte sich vor einigen Jahren, dass nach der Ausweisung des türkischen Seriengewalttäters „Mehmet“ aus München die Zahl der von Ausländern begangenen Straftaten stark zurückgegangen war. Hans Lody


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