18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.04.10 / Der Monsun geht, die Piraten kommen / Der internationale Kampf gegen die Seeräuber ist wenig effektiv − Lebensmittelhilfstransporte unberührt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-10 vom 17. April 2010

Der Monsun geht, die Piraten kommen
Der internationale Kampf gegen die Seeräuber ist wenig effektiv − Lebensmittelhilfstransporte unberührt

Die Aktivität der ostafrikanischen Seeräuber nimmt mit dem Abebben der Wintermonsune wieder zu. Obwohl den internationalen Marinestreitkräften zuletzt spektakuläre Einsätze zur Befreiung von Schiffen gelangen, erscheint der Kampf der Völkergemeinschaft gegen die Piraterie insgesamt nicht eben aussichtsreich.

Die US-Navy schoss jetzt ein Piratenboot am Horn von Afrika in Brand und nahm sechs Männer fest, nachdem sie das amerikanische Amphibienschiff „Ashland“ angegriffen hatten. Anfang April gelang es der US-Marine außerdem, eines der Piraten-Mutterschiffe bei den Seychellen zu versenken. Dessen schnelle Beiboote hatten den in Sierre Leone eingeflaggten Tanker „MV Evita“ aufs Korn genommen. Auch die „USS Nicholas“ nahm, wieder bei den Seychellen, weitere fünf Piraten aus Somalia aus einem kleineren Boot gefangen. 

Erst vor kurzem konnten niederländische Eliteeinheiten den deutschen Frachter „MS Taipan“ befreien, nachdem dieser schon besetzt worden war. Zehn der Freibeuter sollen in Deutschland vor Gericht. Fast zeitgleich brachten Piraten den koreanischen Supertanker „Samho Dream“ fast 2000 Kilometer vor der Küste auf. Er wird inzwischen auf dem Weg nach Somalia von einem koreanischen Kriegsschiff beschattet. Zudem kaperten die Seeräuber vor der kenianischen Küste ein türkisches Schiff und setzten sich in Besitz der indischen Dau „Faize Osamani“, die sie für weitere Attacken nutzten. Insgesamt wurden in den vergangenen Wochen 16 Frachter mit 240 Crewmitgliedern geentert.

„Wir gehen wilden Zeiten entgegen, da die Piraten inzwischen sofort das Feuer eröffnen, wenn sie an Bord militärische Baretts erblicken“, kommentierte E. J. Hogendorrn, Chef des internationalen Krisenstabs in Nairobi. Und solche Baretts werden immer häufiger, je mehr die Reedereien dazu übergehen, private Sicherheitskräfte an Bord ihrer Schiffe zu stationieren.

Mit erheblichen Zweifeln am Nutzen des massiven Einsatzes von Kriegsschiffen und Soldaten zahlreicher Nationen (allein aus 16 europäischen Ländern) im Indischen Ozean und im Golf von Aden hat sich jetzt auch der britische Oberkommandierende der europäischen Seestreitkräfte zur Bekämpfung der Piraterie, Peter Hudson, zu Wort gemeldet. Er stellt sich mit der Kritik auf eine Linie mit erfahrenen Nautikern der Handelsschifffahrt, die schon seit langem an diesem EU-Aufgebot mit UN-Mandat unter dem Namen „Atalanta“ zweifeln, die allein 2009 etwa 400 Millionen Euro kostete und die Kampfkraft auf wenige Punkte konzentriert, nur da, wo sich die Schiffe befinden, während die Piraten ständig ausweichen.

Mit den zu Ende gehenden stürmischen Wetterlagen spricht er von einer neuen Welle der Piraterie durch junge Somalis, die den Tod riskieren, um das große Geld zu machen. Die meisten von ihnen sind gerade mal über 20, viele sogar nur 14 und 15 Jahre alt. Die Historie dieses kriminellen Erwerbszweigs mit Lösegeldsummen von inzwischen wahrscheinlich Hunderten von Millionen lässt eine wachsende Zahl neuer „Rekruten“ auf die immer moderneren und exzellenter bewaffneten Mutterschiffe und Schnellboote der Freibeuter strömen.

Allein im März 2010 gelangen den Piraten neun Kaperungen; 17 Attacken blieben erfolglos, die Lösegeldsummen betrugen für inzwischen freigelassene Frachter bis zu sechs Millionen Dollar. 2009 gab es insgesamt 217 Angriffe auf 47 Schiffe mit 867 Mann Besatzung. Geschätzte 60 Millionen Dollar spülte das in die Kassen der gut organisierten Freibeuter, von denen nur Bruchteile bei der somalischen Bevölkerung selbst landen, der Rest verschwindet in dubiosen internationalen Kanälen. Die modernen Korsaren verfügen außerdem über ein gutes, weltweites Netzwerk an Informanten.

Immer noch passieren rund 20 Prozent der Handelsgüter dieser Welt auf etwa 36000 Schiffen jährlich die gefährdeten Gewässer um das Horn von Afrika. Die Tatsache, dass die europäische „Navfor“ 18 Gangs schnappte, 22 Ruderboote zerstörte und 131 Piraten festnahm, schreckt die jungen Leute – so der Marineführer – in keiner Weise. Immerhin seien noch acht Schiffe und 157 Geiseln in Händen der Gangster. Sie operieren von einer 1600 Kilometer langen Küste aus und dringen mittlerweile dank ihrer Mutterschiffe bis zu 1500 Kilometer in den Indischen Ozean vor. Dabei, so Hudson, „schnappen sie sich jemenitische, pakistanische oder indischer Daus und lancieren damit Attacken immer weiter von ihren eigenen Küsten entfernt“.

Noch vor wenigen Jahren war den internationalen Handelsschiffen ein Abstand von nur 300 bis 400 Kilometer als sichere Zone empfohlen worden, jetzt weiten sich die gefährdeten Gebiete auf 2000 und mehr Kilometer aus.

Zwar verfügt das Europa-Kommando über gutes Bildmaterial darüber, wie es auf den Festlandsbasen der Piraten aussieht, doch das Mandat von „Atalanta“ ist begrenzt, endet am Ufer und erlaubt die nötige Zerstörung dieser Stützpunkte nicht. Auch gibt es noch immer keine effektive Abstimmung zwischen den Nationen.

„Wir müssen das Drecksnest selbst eliminieren“, meint der britische Marineoffizier, dessen Hauptaufgabe es ist, die Lebensmittelhilfen für Somalia zu eskortieren. Und keines der damit befassten Transportschiffe, die 2008 ihren Dienst aufnahmen, wurde bisher angegriffen. Insgesamt kamen so 300000 Tonnen Lebensmittel ins Land.

Russland operiert nun ebenfalls mit dem Kriegsschiff „Marshal Shaposhnikov“ aus seiner Pazifik-Flotte in den gefährdeten Gewässern. Damit erhöht sich die Zahl der mit Schiffen engagierten Nationen auf 20 – ein zäher und oft erfolgloser Kampf gegen eine Hydra von zu allem entschlossenen Menschen aus einem rechtlosen, zerrütteten Staat.                       Joachim Feyerabend


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren