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17.04.10 / Neues aus dem Labor / Mit dem »Karlsruhe Institut of Technologie« will Deutschland international an die Spitze

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-10 vom 17. April 2010

Neues aus dem Labor
Mit dem »Karlsruhe Institut of Technologie« will Deutschland international an die Spitze

KIT ist das Kürzel der Hochschule, die auch mit der Anlehnung im Namen an das berühmte MIT eigene Maßstäbe setzen will. Die vom Staat mit Hunderten von Millionen geförderte Universität hat mehr als einen als Marketinggag gedachten Namen zu bieten.

„Von Kaufprämien halte ich nichts“, so Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auf der Messe Automobil Mobil International in Leipzig über eine mögliche staatliche Förderung von Elektroautos. „Es ist noch nicht einmal klar, welche Technologie sich durchsetzt und wie hoch der Preis liegt“, merkte er an und verwies darauf, dass in etwa 150 Projekten die verschiedenen Technologien getestet würden.

Eines dieser Projekte erstreckt sich auf 60 Quadratmeter, heißt „Smart Home“ und steht auf dem Campus Süd der ehemaligen Universität Karlsruhe. Diese trägt seit ihrer Fusion im Oktober 2009 mit dem „Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft“, das seit 1995 nicht mehr Kernforschungszentrum heißt, den Namen Karlsruhe Institute of Technology, kurz KIT. Fusion und Namensgebung geschahen aus wirtschaftlichen Gründen. Durch den Zusammenschluss und die damit verbundene Themenvielfalt und Größe wurde es den Karlsruhern möglich, an der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder teilzunehmen. Die Kalkulation ging auf, und das KIT wurde 2006 neben der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU) und der TU München als eine der ersten drei unter den zehn staatlich bestimmten Elite-Universitäten auserkoren, die jährlich zusätzliche Fördermittel von bis zu 50 Millionen Euro erhalten.

Die bewusste Anlehnung des Namenskürzels an das renommierte Massachusetts Institute of Technology, weltweit als MIT bekannt, wirkt derzeit noch sehr ambitioniert, aber: „Eine interessante Marketingkampagne“, meinte ein Student als er auf einer US-Wissenschaftsmesse in San Diego am Stand der Agentur „Baden-Württemberg International“ den Slogan „The German MIT“ las. Das so geweckte Interesse will das KIT nutzen, um dann in Kombination mit anspruchsvollen Forschungsprojekten auch ausländische Koryphäen unter den Wissenschaftlern anzulocken. Da der Wissenschaftsstandort Deutschland nicht für hohe Gehälter steht, muss jede Universität durch spannende, mit Renommee versehene Prestigeprojekte auf sich aufmerksam machen.

Zwar gehört das „Smart Home“, das Elektrofahrzeuge als Stromspeicher und Verbraucher in die intelligente Steuerung eines Haushaltes mit Testbewohnern einbindet, nicht zu jenen Prestigeobjekten, doch es verspricht den daran beteiligten Wissenschaftlern und Studenten des KIT interessante Einblicke in die angewandte Wissenschaft im Alltag.

Gerade die Nähe von Forschung und Lehre soll Wissenschaftler  wie Studenten anziehen. Derzeit werden die rund 19000 Studenten (am MIT sind es nur 10300) von knapp über 350 Professoren unterrichtet. Insgesamt arbeiten jedoch 8000 Beschäftigte am KIT, davon 4800 Forscher. Die ebenfalls zur Elite-Universität erkorene LMU hat 45000 Studenten bei einem Jahresetat von 380 Millionen Euro, während das KIT über ein fast doppelt so hohes Budget in Höhe von rund 650 Millionen Euro (MIT 1,6 Milliarden Euro) verfügen kann. Ein Drittel davon stammt vom Bund, die anderen beiden vom Land Baden-Württemberg und aus so genannten Drittmitteln, was Forschungsgelder beispielsweise von der Europäischen Union, aber auch Gelder von Unternehmen und privaten Stiftern sein können.

Nur so ist es möglich, modernes „Handwerkszeug“ für die Forscher wie das 4,2 Millionen Euro teure Transmissionselektronenmikroskop anzuschaffen und Aufmerksamkeit zu erregen. Beides ist wichtig, um an Forschungsprojekten beteiligt zu werden. Das 2,5 Millionen Euro teure EU-Experiment SOFI wird von KIT-Wissenschaftlern koordiniert und hat das Ziel, die Internetkommunikation durch optische Chips schneller, billiger und energiesparender zu gestalten. Am KIT wird versucht, die derzeitige, auf mehrere Tausend Euro teurem Lithiumniobat basierende „Übersetzungsarbeit“ der für den Transport der als Licht codierten, durch Glasfaserkabel geschickte Datenmengen durch wenige Euro teures Silizium zu ersetzen. Weltweit arbeitet die Forschung an der Vereinigung von Optik und Elektronik auf einem Chip, was auch eine höhere Energieeffizienz verspricht. Dies ist in Zeiten wachsender Nutzung der IT-Kommunikation sehr willkommen, denn Produktion und Nutzung der IT machen beispielsweise in Deutschland schon zehn Prozent des Stromverbrauchs aus. Und so sind die Forscher des KIT auf diesem Gebiet aktiv und erfolgreich. Ende März gewannen sie einen internationalen Wettbewerb, in dem es um die energieeffiziente Sortierung von Daten ging. Das führt dazu, dass Unternehmen wie SAP, BASF, Daimler, Siemens und Boeing sich finanziell an Forschungsprojekten beteiligen, um dann die Ergebnisse für neue Produkte und Herstellungsverfahren nutzen zu können.

Nano- und Mikrotechnik, Energie, Klima und Umwelt sowie Elementar- und Astroteilchenphysik sind die Schwerpunkte des KIT, dessen Vorgängerinstitut 1972 die erste deutsche Fakultät für Informatik gegründet hat. Trends in Forschung und Ausbildung zu erkennen, das ist der erste Schritt, um in der Forschung führend zu werden. Doch bis jetzt rangiert die beste deutsche Hochschule, die TU München, in internationalen Rankings − je nach Rankingagentur − nur auf Platz 45 bis 57.

„Mit KIT stoßen wir in die Spitzengruppe der internationalen Forschung vor und positionieren uns unter den großen Forschungsuniversitäten der Welt“, ist der Präsident des KIT, Horst Hippler, überzeugt. Skeptische Geister neigen allerdings angesichts des vermeintlichen Kunstproduktes KIT dazu, dieses sehr optimistische Ziel als kaum erreichbar abzutun, doch ganz chancenlos sind die Karlsruher nicht. Denn auch wenn sie nicht wie das MIT 75 Nobelpreisträger in den eigenen Reihen haben, so sind sie kein Kunstprodukt. Zwar ist der Name vom Marketing inspiriert, doch die Wurzeln der Hochschule reichen bis ins Jahr 1825 zurück, in dem das Polytechnikum Karlsruhe gegründet wurde. Und in einem bis heute genutzten Uni-Hörsaal bewies Heinrich Hertz 1886 die Existenz elektromagnetischer Wellen. Das KIT kommt also nicht aus dem „Labor“ von Hochschulstrategen, sondern hat Tradition. Rebecca Bellano


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