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17.04.10 / Große Oper vor illustrem Publikum / In Bayreuth wird die Neuinszenierung von »Lohengrin« mit Spannung erwartet – Ansonsten Altbewährtes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-10 vom 17. April 2010

Große Oper vor illustrem Publikum
In Bayreuth wird die Neuinszenierung von »Lohengrin« mit Spannung erwartet – Ansonsten Altbewährtes

Der Tod Wolfgang Wagners vor wenigen Wochen bewegte die Musikwelt und vor allem die Freunde Wagnerscher Kompositionen. Dennoch ist der Blick nach vorn gerichtet: Die Festspiele 2010 warten nicht nur mit Althergebrachtem auf. 

Als Neuinszenierung steht in diesem Jahr „Lohengrin“ auf dem Spielplan in Bayreuth. Wagner bezeichnet das Werk als „große romantische Oper“, und die Geschichte vom makellosen Ritter, der vom Gralsheiligtum ausgesandt ist und nach kurzem Aufenthalt unter den normal Sterblichen wieder dahin zurückkehrt, ist zweifellos auch ein romantisches Märchen. Die Deutungsbreite ist entsprechend groß.

Man ist gespannt, welche Interpretation Hans Neuenfels in seiner Inszenierung gibt. Der Regisseur ist für seine spektakulären Inszenierungen bekannt. Er hat in Wien, Berlin, Frankfurt, Stuttgart und bei den Salzburger Festspielen Regie geführt, in Bayreuth inszeniert er zum ersten Mal.

Uneingeschränkt kann man sich auf Jonas Kaufmann freuen. Lohengrin steht zwar im Textbuch als Heldentenor, hat aber mindestens ebensoviel lyrische Stellen. Im Kernstück des Werks, der Gralserzählung, kommt dies voll zum Tragen. Kaufmann ist glei-chermaßen lyrisch und heldenmäßig – eine nicht gerade häufige Kombination.

Die Elsa wird von Anette Dasch gesungen, die Ortrud von Evelyn Herlitzius. Dasch ist vor allem durch eine Reihe von Rollen in Mozartopern bekannt. Die Kritik schreibt von ihrem „geradezu charismatischen Sopran“ und an anderer Stelle von einem „ungeheurem Potenzial an sinnlich-warmen Timbre“. In Bayreuth tritt sie zum ersten Mal auf. Herlitzius singt seit 2002 in Bayreuth,  zuerst als Brünhilde und 2006 und 2007 als Kundry.

Am Dirigentenpult steht Andries Nelsons. Der lettische Dirigent hat in Wien, im Covent Garden London, in Amsterdam das Concertgebouw Orchester, in Cleveland und in Paris das Orchestre National dirigiert. In Bayreuth gibt er sein Debut.

Im „Der Ring des Nibelungen“ („Das Rheingold“ – „Die Walküre“ – „Siegfried“ – „Die Götterdämmerung“) lehnt sich Wagner in weiten Teilen voll an die Nibelungensage und das Nibelungenlied, das deutsche Nationalepos, an, weicht aber in ebenso weiten Teilen davon ab. Im Unterschied zum Epos vollzieht sich das gewaltige Geschehen auf allen Ebenen, der göttlichen Wotans und Walhalls, der halbgöttlichen der Walküren, der menschlichen Siegfrieds und Hagens und der Unterwelt der Nibelungen, Alberichs und Mimes. Der Zuschauer erlebt ein Pandämonium (Gesamtheit der bösen Geister), wie es nur noch in den Werken Shakespeares und Goethes in „Faust I“ und „Faust II“ stattfindet. Drama und Musik sind absolut kongenial. Deshalb wird die Inszenierung mit Spannung erwartet.

Tankred Dorst hat das Werk auf unterschiedlichen Zeitebenen inszeniert, um damit die ewige Wiederkehr des menschlichen Dramas in den Mittelpunkt zu stellen. Das gelingt ihm mit vielen aussagekräftigen Bildern: Die Elemente Erde, Wasser und Feuer, die zentralen Archetypen des „Ring“, sind auf der Bühne anwesend, für jeden sichtbar und fühlbar – Mythos und Wirklichkeit in steter Wechselwirkung. Und damit ist diese Inszenierung konkret und eindringlich.

Christian Thielemann steht in einer Reihe mit den großen Dirigenten, die den „Ring“ in Bayreuth geleitet haben, mit Karajan und Solti, Knappertsbusch und Furtwängler. Bei aller Klanggewalt, manchmal Klangrausch, ist seine Interpretation differenziert und ausgewogen.

„Parsifal“, das transzendentalste Werk Wagners, ist wohl auch das Werk mit der größten Deutungsbreite. Der Mythos vom Gral ist ja bis heute – und gerade heute – ein Dauerbrenner in der gehobenen Unterhaltungsliteratur ebenso wie im Film. Für Wagner ist der Gral so bedeutend, dass er ihn in seiner Oper „Lohengrin“ nochmals eine wichtige Rolle spielen lässt: Lohengrin ist der Sohn Parsifals, des Gralsuchers und Finders, und Lohengrin kommt selbst aus der Gralsburg und kehrt dahin zurück.

In Bayreuth trägt Regisseur Stefan Herheim dem Rechnung, indem er in eine ansonsten geschickt verfremdete Handlung das zentrale Ereignis, das Gralsopfer Parsifals, voll in den sakralen Zusammenhang, sprich in einen stilisierten Dom stellt.

Der Regisseur zieht viele Parallelen zwischen der Gralsgeschichte und der Geschichte des Hauses Wagner. Die Handlung läuft im Haus Wahnfried und in dessen Garten ab. Dazwischen werden Szenen aus der Geschichte, wie die Weltkriege und das Dritte Reich, gekonnt eingeblendet. Es ist eine bildmächtige Inszenierung und lockert die oft statuarische Ausrichtung anderer Inszenierungen angenehm auf.

Katharina Wagners Inszenierung der Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ fehlt eines sicher nicht: Ideen und Einfälle. Was allerdings fehlt, ist eine zentrale Aussage, eine Botschaft, in die alle Einzelgedanken der Inszenierung einfließen. Richard Wagner selbst stellt diese Botschaft im Schlussmonolog des Sachs klar dar: „Die Kunst steht über der Politik – sie ist, im Gegensatz

zu dieser, unvergänglich ...“

Bayreuth ist in jüngster Zeit von Jahr zu Jahr „moderner“ geworden, mit allen positiven und negativen Aspekten, die dieser vage Begriff einschließt. Erfreulich ist vor allem, dass nach einem halben Jahrhundert großer Festspielgeschichte, gestaltet durch Wolfgang und Wieland Wagner, die Töchter Wolfgangs die Leitung übernommen haben und damit die Festspiele Bayreuth und Richard Wagner ihre Identität behalten.                   Irmgard und Werner Dremel


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