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17.04.10 / Japanischer Werther? / Novelle »Das Ballettmädchen« wiederentdeckt − Berlin im Jahre 1880

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-10 vom 17. April 2010

Japanischer Werther?
Novelle »Das Ballettmädchen« wiederentdeckt − Berlin im Jahre 1880

Der 1862 in Japan geborene Schriftsteller Mori Rintaro studierte von 1884 bis 1888 als Stipendiat des Japanischen Kaiserreichs Hygiene und Heeressanitätswesen in Leipzig, Dresden, München und Berlin. Sein Schriftstellername lautete Mori Ogai.

Mori Ogais 38 Bände umfassendes Gesamtwerk aus Tagebüchern, Briefen sowie medizinischen, historischen und literarischen Arbeiten beinhaltet auch die vom bebra Verlag neu aufgelegte Novelle „Das Ballettmädchen“.

Bei dieser Novelle handelt es sich um den Erstlingsroman des Japaners. Hier geht es um den ehrgeizigen japanische Studenten Ota Toyotaro und um die arme, hübsche Balletttänzerin Elis.

Wie damals der Autor selbst, so reist auch der japanische Student Ota Toyotaro in der Novelle nach Berlin, um dort sein Studium fortzusetzen. Zunächst lernt er fleißig, doch schon bald beginnt er innerlich aufzubegehren. Mit 24 Jahren wünscht sich Toyotaro, endlich einmal selbst über sein Handeln bestimmen zu können. Und wie es in Sturm-und-Drang- Zeiten bei jungen Leuten häufig der Fall ist, so ist es die Liebe, die Toyotaro den Kopf verdrehen wird.

„… da erblickte ich ein junges Mädchen … Es mochte 16 oder 17 Jahre sein. Unter dem Tuch, das seinen Kopf bedeckte, quoll Haar von lichtgoldener Farbe hervor, und die Kleidung, die es trug, sah sauber und ordentlich aus. Aufgeschreckt durch meine Schritte, wandte es mir sein Gesicht zu – zu beschreiben vermag ich es nicht, dazu müsste ich ein Dichter sein. Aber wieso eigentlich durchdrang ein einziger Blick aus diesen blauen, klaren, bekümmert fragenden Augen, halb verdeckt von langen Wimpern, an denen Tränen hingen, mein Herz, das sonst immer so sehr auf der Hut war, gleich bis auf den Grund?“

Alle Warnungen und wohlgemeinten Ratschläge seiner Gönner in den Wind schlagend und wider besseres Wissen, lässt sich Toyotaro mit dem Mädchen ein. Die anfänglich zarte Liebe zwischen Toyotaro und Elis wird dem jungen verliebten Mädchen und dem in dieser Hinsicht relativ unbedarften Toyotaro aufgrund seines beruflichen Ehrgeizes und seiner Unterwürfigkeit gegenüber seinen Vorgesetzten jedoch zum Verhängnis.

Die „Welt“ bezeichnete Ogais Novelle als „einen japanischer Werther“. Dieser Vergleich ist nicht von der Hand zu weisen, auch wenn die seelischen Qualen Toyotaros mehr zwischen den Zeilen der Novelle zu finden sind.

Das Buch enthält nicht nur Mori Ogais Erstlingswerk, sondern auch Tagebuchauszüge aus der Zeit, in der er in Berlin studierte. Die Mori-Ogai-Gedenkstätte der Humboldt-Universität in Berlin bietet dem Interessierten auch heute noch die Gelegenheit, sich über das Leben des japanischen Schriftstellers, Militärarztes und Übersetzers genauer zu informieren.         A. Ney

Mori Ogai: „Das Ballettmädchen“ Japan Edition im be.bra Verlag, Berlin 2010, gebunden, 108 Seiten, 16,95 Euro


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