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24.04.10 / Grüner Lunge geht die Luft aus / Berlins Kleingärtner schlagen Alarm: Anlagen würden trotz Alternativen unnötig planiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-10 vom 24. April 2010

Grüner Lunge geht die Luft aus
Berlins Kleingärtner schlagen Alarm: Anlagen würden trotz Alternativen unnötig planiert

Die Flughäfen Tegel und Tempelhof verschwinden, alte Betriebsgelände stehen leer. Flächen für Investoren hätte Berlin also genug. Warum müssen dann trotzdem so viele Schrebergärten dran glauben?

Grüne Lunge der Stadt, sozialer Treff, Refugium für Familien – wenn Berliner Kleingärtner von ihren Parzellen sprechen, klingt das derzeit, als erfüllten sie eine gesellschaftliche Mission. Grund des Werbens: Der Berliner Kleingarten ist bedroht, glaubt man aktuellen Zahlen. So ging in der ganzen Republik laut Bundesverband Deutscher Gartenfreunde (BDG) zwischen 1997 und 2008 die Zahl der Kleingärten um ein Prozent zurück. Weit dramatischer in Berlin: Hier sind seit 1990 nach Angaben des konkurrierenden Verbands Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) zirka 436 Hektar der grünen Parzellen planiert worden, das entspräche rund 17 Prozent Verlust in 20 Jahren. Fazit: Die Politik der Spreemetropole verdrängt die Anlagen wie in keiner anderen Großstadt.

Diese Großstadtlage ist das eigentliche Problem. Die Ringautobahn A100, neue Verbindungsstraßen und die Verdichtung von zentralen Flächen mit Wohn- und Geschäftsbauten sind die größten Feinde der noch 934 Anlagen. Hauptärgernis dabei: In den Bezirken gibt es genug Freiflächen, Industriebrachen und Bebauungslücken, doch die Schreber müssen dessen ungeachtet oft ihr Terrain räumen. Der Senat sehe Kleingärten eben nur als Baulandreserve, so der Vorwurf der Laubenpieper, deren Einfluss in der Hauptstadt immerhin die „Laubenpieper-CDU“ als ernst zu nehmenden Partei-Flügel entstehen ließ.

Fachleute rechnen pro Parzelle mit 300 Quadratmetern, also sind „Erholungsflächen verschwunden, die dreimal so groß wie der Tierpark (160 Hektar) sind“, schrieb unlängst die „Berliner Zeitung“. Doch nicht so sehr der Schwund auf derzeit berlinweit 2100 Hektar an sich, sondern Einzelfälle wie das offensichtlich unnötige Aus für die Anlage „Württemberg“ in Wilmersdorf erzürnen die Gartenfreunde. Das Areal wurde geräumt, von der angekündigten Investition ist weit und breit nichts zu sehen.

„Die sozialen Strukturen bekommen Sie nie wieder hin“, sagt Peter Ehrenberg, Präsident des Berliner Landesverbandes der Gartenfreunde, dem 70000 Parzellen angeschlossen sind. Trotzdem stimmt er nicht in die Untergangsgesänge ein: „Die Zahl von 436 Hektar ist hypothetisch.“ Er spricht von 5000 Parzellen weniger seit 2000, also gut 150 Hektar Verlust (6,7 Prozent). „Die wenigen Anlagen, die keinen Schutz bekommen haben, wollen wir absichern, besonders im innerstädtischen Bereich“, so Ehrenberg.

Tatsächlich haben die meisten Gartenkolonien inzwischen Bestandsschutz. Die Garantien auf Zeit sorgen dafür, dass vielerorts die Lage entspannter ist, als es die Statistik vermuten ließe. So ist auch der Verband der Kleingärtner, Siedler und Grundstücksnutzer (VKSG) in Prenzlauer Berg kaum erbost über das Ende der dortigen Kolonie „Ostsee“. Das sei Privatsache gewesen. „Wir haben für unsere Kolonien sogar eine Schutzfristverlängerung bis 2020, auch wenn wir damit nicht in jedem Punkt einverstanden sind“, sagt Egid Riedl, Vizepräsident.

Was die neuen Länder insgesamt angeht, räumt man hinter vorgehaltener Hand in Kleingärtner-Organisationen ein, dass mancher Abbau von Anlagen notwendig sei: Östlich der Elbe schwinde die Bevölkerung. Die Menschen wanderten den Arbeitsplätzen hinterher, ein Überangebot an Parzellen entstehe. In Berlin sei die Lage jedoch anders, heißt es beim BDG.

„Wir haben unendlich lange Wartelisten“, sagt Peter Ehrenberg. Ob Flughafen Tegel oder Tempelhof (die beide aufgegeben werden), es gebe genug Ausweichflächen für Investoren, doch die in Berlin besonders geringe planungsrechtliche Absicherung vieler Areale beraubt die Kleingärtner rechtlicher Abwehrchancen. Die Nutzung als Kleingarten ist nicht im Bebauungsplan eingetragen. Das wiederum macht das Verdrängen leicht, sei es durch Privateigentümer oder das jeweilige Bezirksamt, mit dem die Verbände der Kleingärtner Zwischenpachtverträge haben. Manche Areale gehören indes dem Bund, der ebenfalls finanzstarke Käufer den Kleinpächtern vorzieht. „Oft zwingen hohe Schadenersatzdrohungen die meist ehrenamtlichen Vereine in die Knie, die gehen schneller als nötig, obwohl es am Ende doch keine Investitionen gibt – das ärgert dann auch die Anwohner“, so Theresia Theobald, Bundesgeschäftsführerin des BDG. Die von Parzellen belegten 3,5 Prozent der Stadtfläche böten keine unerschöpflichen Erschließungschancen. „In Berlin gibt es die Tendenz, zurück in die Stadt zu ziehen, aber die Leute wollen genug Grün in ihrem Kiez – aus Erfahrung wissen wir jedoch: In einmal verdichtete Flächen kommt kein Grün zurück“, sagt die Gartenfreundin.

Ausweichflächen werden nicht oder nur weit draußen angeboten. Auch die Gärtner sind mitunter kompromisslos: Zentral soll das Grün sein, die teils dichte Vorkriegsbebauung lässt man nicht als Basis der Stadtentwicklung gelten. „Das Früher ist für uns kein Argument mehr“, so Ehrenberg. So wundert es nicht, dass der Senat sich in aktuellen Flächennutzungsplänen nicht auf Kleingärtner als Nutzer bestimmter Gebiete festlegen will – es ist einfacher so. Die von den Schrebern beklagte Spekulationsfreude des SPD-geführten Senats geht ebenfalls weiter: Während Prestigeprojekte vom zuständigen Liegenschaftsfonds teils sehr günstig Grundstücke erhalten, zahlen andere drauf, damit die Entnahmen des Landes aus dem Liegenschaftsfonds üppig genug ausfallen können: Rund 224 Millionen Euro kassierte das Land Berlin 2008.          Sverre Gutschmidt


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