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24.04.10 / Freude über »demokratische Ansätze« / Der Sudan wählt, doch über die Zukunft entscheidet letztlich die Weltpolitik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-10 vom 24. April 2010

Freude über »demokratische Ansätze«
Der Sudan wählt, doch über die Zukunft entscheidet letztlich die Weltpolitik

Die sudanesischen Präsidenten-, Parlaments- und Lokalwahlen, die am 11. April begonnen hatten und ursprünglich für drei Tage angesetzt waren, mussten letztlich um zwei Tage verlängert werden. „Wegen logistischer Probleme“, aber mit Billigung der UN. Tatsächlich ist im flächengrößten Staat Afrikas mit bis zu 40 Millionen Einwohnern und 16 Millionen Wahlberechtigten die Logistik das zumindest zweitgrößte Problem.

Denn wie sollen bei den in weiten Landesteilen völlig unzureichenden Verkehrs- und Kommunikationswegen ordentliche Wählerlisten erstellt werden? Wie sollen Wahlurnen rechtzeitig verteilt und zur zentralen Auszählung eingesammelt werden? Wie sollen sich Analphabeten auf einem der kompliziertesten Stimmzettel „richtig“ entscheiden? Und das führt gleich zum größten Problem: Wie kann es unter diesen Umständen zu einer „demokratischen Willensbildung“ kommen?

Man fragt sich natürlich, wozu eine solche Veranstaltung überhaupt gut ist. Nun, sie war im Friedensabkommen zwischen Nord- und Südsudan vorgesehen, und die Aussicht darauf half seit 2005, das jahrzehntelange Blutvergießen einzudämmen, wenngleich nicht ganz zu beenden. Trotz aller Kritik sind Wahlbeobachter insofern zufrieden, als sich „demokratische Ansätze zeigten“ und es nur vereinzelt zu Gewalttaten kam.

Die Wahlergebnisse werden jedenfalls am Ist-Zustand wenig ändern, denn die wichtigsten Gegner von Präsident Omar Al-Baschir hatten ihre Kandidatur zurückgezogen. Al-Baschir, der bei vielen Sudanesen für „Wirtschaftsaufschwung“ und „Ende des Bürgerkriegs“ steht, wird mit seiner Partei NPC an der Macht bleiben. Er hat die Opposition zwar zu einer Konzentrationsregierung eingeladen, doch wie so etwas funktioniert, sieht man etwa in Simbabwe. Und die alles überschattende Frage ist ohnehin das für 2011 vorgesehene Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan: Wird es abgehalten werden? Oder wird es die Zentralregierung verhindern und damit neues Blutvergießen auslösen? Oder wird man eine erweiterte Autonomie aushandeln?

Wirtschaftliche Vernunft spräche für den Erhalt des Gesamtstaates. Denn der Großteil der bekannten Ölvorkommen liegt im Süden, während die Ölleitungen nach Norden ans Rote Meer führen. Doch je ärmer die Bevölkerung, umso weniger zählt wirtschaftliche Vernunft, und vor allem wird das Schicksal des Sudan wohl wieder einmal im Ausland entschieden werden: Da sich westliche Konzerne vor Jahren weitgehend zurückzogen, liegt die Ölförderung derzeit primär in chinesischen Händen, und Peking steht voll hinter der Regierung in Khartum. Aber ein unabhängiger Südsudan würde westlichen Konzernen neue Perspektiven eröffnen: Es winken Ölkonzessionen, es gibt Pläne für eine Ölleitung zum Golf von Guinea, und es soll jede Menge anderer Bodenschätze geben.

Das erklärt, warum der nur teilweise christliche und in sich zerstrittene Südsudan im Westen eine gute Presse hat. Und das erklärt, warum Al-Baschir, der auch nicht mehr Blut an den Händen hat als etliche andere Machthaber, in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagt ist. Was ihn aber kalt lässt – umso mehr als es ihm die Missionstätigkeit amerikanischer Evangelikaler im Süden leicht macht, Kolonialismus und Christentum gleichzusetzen und die Islamisten bei der Stange zu halten. Zugleich wird im Norden wie im Süden weiter aufgerüstet. Richard G. Kerschhofer


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