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24.04.10 / Mitgehangen, mitgefangen / Ob EU oder europäische Währungsgemeinschaft, die Mitglieder sind wie aneinander gekettet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-10 vom 24. April 2010

Mitgehangen, mitgefangen
Ob EU oder europäische Währungsgemeinschaft, die Mitglieder sind wie aneinander gekettet

Sahen anfangs die Regierungen der Mitgliedsstaaten nur die Vorteile der Europäischen Union und der europäischen Währungsgemeinschaft, zeigt nun der Fall Griechenlands, wie ein strauchelndes Land alle mit hinabzieht.

„Die Menschen glauben nicht, dass wir mehr Europa brauchen − das zu erklären ist aber Aufgabe der politischen Führung“, meinte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Ende März in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“. Doch nicht nur die Menschen glauben nicht, dass Deutschland mehr Europa brauche, auch so mancher deutscher Politiker reagierte allergisch, als EU-Währungskommissar Olli Rehn vorschlug, Brüssel solle die nationalen Haushalte der 16 Euro-Länder mit koordinieren und aufeinander abstimmen. „Ich verweise auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009 zum Lissabon-Vertrag“, so der deutsche EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) spitz. „Darin wird das Budgetrecht des Bundestages als Kernelement staatlicher Souveränität Deutschlands festgeschrieben. Wir würden verfassungswidrig handeln, wenn die Kommission Handlungsempfehlungen für unseren Haushalt geben dürfte, bevor er überhaupt verabschiedet wurde.“

Jörg Asmussen, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, der am vergangenen Freitag den kranken Schäuble beim Treffen der Finanzminister in Madrid vertrat, sagte, es sei „selbstverständlich“, dass das nationale Budgetrecht unangetastet bleibe. Die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde gab zu bedenken, dass das „Überwachungssystem“ nicht für alle Länder gleich sein dürfe, da jedes Land seine eigenen Prozeduren bei der Haushaltsaufstellung habe.

Trotzdem ließ Rehn sich nicht beirren und betonte, dass man eine europäische Dimension in der nationalstaatlichen Finanzpolitik einführen und Schutzmeschanismen zur Abschreckung installieren müsse. Schon bevor sich Haushaltsdefizite auftürmten, müssten Maßnahmen greifen, so der Finne.

Doch angesichts der Tatsache, dass inzwischen alle Euro-Länder mit massiven bis existenzbedrohlichen Haushaltsdefiziten kämpfen, kommen seine Vorschläge wohl mehrere Jahre zu spät. Ländern, die wie Griechenland offenbar bereits bald finanziell von den anderen Euro-Ländern gestützt werden, können nicht mehr zur Maßregelung EU-Fördergelder gekürzt werden. Auch stellt sich die Frage, wieso in der EU niemand zuvor auf die Idee gekommen ist, die Rentensysteme aufeinander abzustimmen? „Ohne Rentenreformen erreichen wir keine nachhaltigen öffentlichen Finanzen“, meint Rehn und spielt auf die extremen Unterschiede innerhalb des Euroraumes an, in dem Griechen laut OECD 95,7 Prozent ihres durchschnittlichen Brottogehalts bekommen, während ein deutscher Rentner 41 Prozent erhält. Das hat laut einer Studie der Commerzbank zur Folge, dass in keinem anderen Euro-Land die Rentenausgaben bis 2030 so stark steigen wie im Mittelmeerstaat. Finanzieren tun dies allerdings alle anderen EU-Länder mit, zumal sich Anfang dieser Woche abzeichnete, dass Griechenland sich am Markt nur noch schwer refinanzieren kann. Während Deutschland für eine zehnjährige Staatsanleihe 4,53 Prozent Zinsen zahlen muss, mussten die Griechen inzwischen 7,63 Prozent berappen. Derartige Zinskosten kann Athen aber kaum noch tragen, so dass es vermutlich nur noch eine Frage von Tagen ist, bis die griechische Regierung um die Einlösung der Hilfszusagen bittet.

Derweil mahnt Rehn die Portugiesen, bei ihrer Haushaltskonsolidierung, die Kürzungen im Sozial- und Militärbereich, eine Deckelung der Gehälter im Öffentlichen Dienst und die Privatisierung von Staatseigentum vorsieht, nicht von zu optimistischen Wachstumszahlen auszugehen. Und er warnt die sozialistische Regierung in Lissabon, dass sie die erste sein könnte, die die aus seiner Sicht beim nächsten Treffen im Mai vereinbarten „Abschreckungsmaßnahmen“ treffen könnten.

Doch ob sich die Euro-Länder einigen können, ist äußerst ungewiss. Denn Entscheidungen in großen Zukunftsfragen werden gern verschleppt. So wurde auch über die Bankenabgabe viel geredet, aber konkrete Vereinbarungen wollten die EU-Finanzminister nicht treffen. Zwar haben einige Länder wie Deutschland und Österreich schon nationale Lösungen auf den Weg gebracht, doch die meisten europäischen Regierungen scheuen einen Alleingang ohne die USA oder die großen asiatischen Staaten. Auch konnte man sich nicht einigen, ob man die Bilanzsumme oder den Wert der riskanten Vermögenstitel als Bemessungsgrundlage nimmt. Ebenfalls offen blieb die Frage, was mit den Einnahmen aus der Bankenabgabe geschehen soll. Soll damit ein Bankenkrisenfonds eingerichtet werden oder sollen die durch die Bankenkrise äußerst drangsalierten nationalen Haushalte saniert werden? Da der Bankensektor die EU-Staaten in der Krise laut EU-Angaben etwa 13 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung beziehungsweise 390 Milliarden Euro gekostet hat, wäre eine Sanierung der Haushalte vorrangig, doch damit ist das angestrebte Ziel des Schutzes der Steuerzahler vor den Folgen neuer Finanzkrisen nicht erreicht.

Und angesichts der Milliarden, die allein die Griechenlandhilfe Deutschland kosten wird, tröstet die Nachricht, dass Brüssel 2009 einen Haushaltsüberschuss erzielt hat und Berlin somit für 2010 459 Millionen Euro weniger überweisen muss, nur wenig.         R. Bellano


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