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01.05.10 / Liberale wittern Morgenluft / Großbritannien: Erstmals seit 1922 könnte wieder ein Liberaler Premier werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Liberale wittern Morgenluft
Großbritannien: Erstmals seit 1922 könnte wieder ein Liberaler Premier werden

In einer der ältesten Demokratien der Welt ist vieles anders als in Kontinentaleuropa: Der Wahltermin wird erst vier Wochen vorher festgesetzt, die Werbeausgaben der Parteien sind eng begrenzt und bisher gab es keine Fernsehdebatten der Spitzenkandidaten. Doch bei der Unterhauswahl am 6. Mai ist alles anders als sonst.

Bis Ende April wird es im britischen Wahlkampf drei Fernsehduelle geben. Und schon jetzt kristallisiert sich ein Überraschungssieger heraus: Der Kandidat der Liberaldemokraten (Libdems) Nick Clegg. Mit Frische und Frechheit erobert er die Herzen der Briten. Seit dem 12. April haben die Libdems mehr als zehn Prozent zugelegt und führen jetzt in den Umfragen. Der bisherige Favorit, der Kandidat der konservativen Tories David Cameron, verliert dagegen an Zustimmung, und weit abgeschlagen folgt der Premierminister Gordon Brown von der sozialdemokratischen Labour Party. Wie ein neues politisches Gestirn leuchtet Nick Clegg auf und schon werden Vergleiche mit Barack Obama laut; der Wind des „Wechsels“ weht über die britischen Inseln. Nachdem die Liberalen 65 Jahre lang zusehen mussten, wie immer die anderen gewannen, besteht jetzt die Chance, den Premierminister zu stellen.

Das britische Mehrheitswahlrecht sorgt für klare Verhältnisse und ist grausam zugleich. Im Eng-lischen spricht man auch von „first past the post“. Dieser Ausdruck stammt vom Pferderennen, wo derjenige gewinnt, der als erster den Pfosten (der das Ziel markiert) passiert, auch wenn er nur eine Nasenlänge Vorsprung hat. Daher gewinnt der Kandidat, der nur eine Stimme mehr als seine Konkurrenten hat, den ganzen Wahlkreis. Wer also in den Umfragen mit 33 Prozent (wie derzeit die Libdems) führt, kann im Unterhaus glatt eine Zweidritttelmehrheit der Sitze erringen. Für die Wähler auf der Insel ist die gegenwärtige Lage mehr als elektrisierend. Gaben die liberal Gesonnenen notgedrungen ihre Stimme bisher den Tory- oder Labour-Kandidaten, besteht jetzt eine eigene Siegchance.

Was aber ist das besondere an Nicholas William Peter Clegg, so sein vollständiger Name? Clegg zog erst 2005 für den Wahlkreis Sheffield Hallam in Yorshire in das britische Unterhaus ein. Und erst 2007 wurde er Vorsitzender seiner Partei. Wie kann jemand in so kurzer Zeit so weit kommen? Vieles verdankt Clegg wohl der Politikverdrossenheit in Großbritannien, dem Abfall der Wähler von den alten Großparteien. Doch das alleine reicht kaum als Erklärung.

Cleggs Laufbahn spiegelt eine ungebrochene Dynamik wieder, eine Mentalität, die das britische Weltreich einst groß machte: gebildet, wagemutig, sportlich, reich, vielsprachig, intelligent und weltgewandt.

Clegg ist ein Brite mit internationalem Stammbaum. Seine Mutter, eine Holländerin, besuchte die berühmte Universität in Cambridge, wo sie ihren Mann kennenlernte, der später als Bankier in der Londoner City reich wurde. Nick Clegg und seine drei Geschwister wuchsen begütert in Oxfordshire auf und besuchten Eliteschulen. Danach arbeitete er als Skilehrer, in einer finnischen Bank, machte mehrere Universitätsabschlüsse und wurde schließlich 1999 für fünf Jahre Europaabgeordneter. Während seines Studiums in Brügge lernte er seine Frau Miriam, eine Spanierin, kennen. Sie nahm dem bekennenden Agnostiker das Versprechen ab, die drei Söhne katholisch zu erziehen. Das störte den weltläufigen Mann, der fünf Sprachen (darunter Deutsch) fließend spricht, nicht. Seine Pressesprecherin heißt übrigens Lena Pietsch und ist Deutsche. Hinrich E. Bues


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