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01.05.10 / »Deutschland ist ein müdes Land« / Erfahrungen des Leiters der Breslauer Sammlung Köln in Schlesien – Polen frappiert über deutsches Desinteresse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

»Deutschland ist ein müdes Land«
Erfahrungen des Leiters der Breslauer Sammlung Köln in Schlesien – Polen frappiert über deutsches Desinteresse

Der Leiter der Breslauer Sammlung Köln, Hubert Wolff, hat in Begleitung eines Assistenten Hochschulen und Museen in Breslau besucht. Die beiden Wissenschaftler machten dabei in der schlesischen Stadt Erfahrungen, die vielen gängigen Klischees widersprachen. So stießen sie auf ein anscheinend tief empfundenes Wohlwollen gegenüber der deutschen Kultur in Schlesien.

Beispielsweise bezeichnete der Rektor der Philologischen Hochschule Breslau, Professor Wasik, Schlesien insgesamt als eine unverkennbar deutsche Kulturlandschaft und die Metropole Breslau als eine vom Aufbau und der Architektur her ohne jeden Zweifel deutsche Stadt. Dem nicht genug. Würden doch die polnischen Bewohner Breslaus durch eben diese Landschaft und Baukunst innerlich zutiefst geprägt werden. Ein Umstand, der sich auch an den Wahlergebnissen ablesen lasse. Anders als in der Hauptstadt Warschau oder im Osten Polens hätten in Breslau und Umgebung radikale Parteien kaum nennenswerte Erfolge zu verzeichnen. Er für seinen Teil wolle wegen der genannten Faktoren die Studenten an seiner Hochschule auch weiterhin dazu animieren, intensiv die deutsche Sprache zu lernen.

In das selbe Horn stieß bei einem persönlichen Gespräch die Direktorin der „Fundacja Pro Arte“, Agnieszka Ostapowicz. Für sie bedeuten bilinguale Kindergärten und Grundschulen, dass auch im heutigen Schlesien die deutsche Sprache den ihr gebührenden Platz einnehmen könne, denn „die deutsche Kultur gehört zu Schlesien“. Die drohende, immer noch nicht abgewendete Schließung der bilingualen Grundschule in Ratibor-Studen (Oberschlesien) bedauere sie daher sehr.

Ganz ähnlich äußerte sich der Direktor des Germanistischen Instituts der Universität Breslau, Professor Marek Halub. Seine Studenten verstünden sich mehr und mehr als Schlesier. Sie wüss­ten zu schätzen, was die deutsche Kultur in Schlesien vollbracht habe und, nunmehr in der Hauptsache durch polnische Akademiker gepflegt, auch weiterhin vollbringen werde. Halub hat in den letzten Monaten im Rahmen eines zweigeteilten Symposiums in Breslau und Münster zusammen mit einer alten katholischen Studentenverbindung aus Breslau, der Winfridia Breslau zu Münster, seinen Worten Taten folgen lassen. Die deutsche Kultur sei in Verbindungen beheimatet und würde durch diese, insbesondere durch die Studentenlieder und Semesterkneipen, auf eine sehr passende Weise gepflegt werden. „Dies“, so Halub „ist in Deutschland heutzutage leider kaum noch der Fall“, weswegen er persönlich Studentenverbindungen sehr schätze. Das sind Sätze, die einem bundesdeutschen Germanistikprofessor wohl nicht allzu häufig über die Lippen kommen dürften und den Besucher aus dem Westen vor Staunen sprachlos zurücklassen können.

Die politische Stimmung und Entwicklung in Schlesiens Hauptstadt war eines von vielen Themen bei der Unterredung mit dem Direktor der historischen Museen der Stadt Breslau, Dr. Lagiewski. Sein Freund aus Studientagen, der Breslauer Stadtpräsident Rafael Dutkiewicz, hat es geschafft, dass in Breslau 120000 neue Arbeitsplätze in zukunfts­trächtigen Branchen allein in den letzten fünf Jahren entstehen konnten. Den damit verbundenen dynamischen Eindruck vermittelt auch Lagiewski. Die Anfeindungen, die er seitens polnischer Nationalisten über sich ergehen lassen musste, als er im vergangenen Jahr eine Ausstellung über die 1000-jährige Geschichte der Stadt einschließlich einer ebenso ausführlichen wie auch sachlich korrekten Würdigung der habsburgischen und preußischen Zeit eröffnete, tut er seit zwölf Monaten mit einem müden Lächeln ab, obwohl schon so mancher Drohbrief seine Familie erreicht hat. „Verräter“ und „Germanisator“ sind noch die milderen Beschimpfungen dieses aufrechten Historikers. Viel mehr schmerzen Lagiewski die unschönen Bemerkungen von Kollegen aus der Bundesrepublik. Ein Historiker aus Görlitz und ein Vertreter der Stiftung preußischer Kulturbesitz rieten ihm dringend davon ab, das Eiserne Kreuz, welches 1813 durch den preußischen König im Stadtschloss in Breslau, wo sich die genannte Ausstellung befindet, gestiftet wurde, überhaupt zu thematisieren. Entsetzt zeigten sich die beiden Geschichtsverwalter aus der Bundesrepublik auch ob eines überlebensgroßen Porträts des letzten deutschen Kaisers, das einen ehrenvollen Platz im Bankettsaal des Schlosses gefunden hat.

Größer könnte der Kontrast nicht sein. Hier die „müden“, in Nachkriegs-Geschichtsbildern gefangenen deutschen Historiker, dort eine dynamische, gebildete polnische Führungsschicht mit dem festen Willen, aus dem deutschen Erbe der europäischen Region Schlesien das Bestmögliche zu machen. Das passende Stichwort dazu lieferte eine junge polnische Studentin der Tourismuswirtschaft aus Breslau. In einem hochinteressanten Gespräch über Polen, Schlesien und Deutschland äußerte sie, wohl kaum ahnend, wie passend ihre Aussage nach den oben geschilderten Erlebnissen in den Ohren des Autors klangen: „Germany is a tired country“ (Deutschland ist ein müdes Land.)

Würden die Deutschen sich von solch klaren Anstößen aufwecken lassen und aus politisch korrekten Denkmustern ausbrechen, welche Chancen und Perspektiven könnten sich so eröffnen lassen? Es gibt viele gute Ideen im Osten. Vielleicht aber findet unser Land über einen solchen „Umweg“ wieder ein wenig mehr zu sich selbst und zu seiner Geschichte zurück. An unseren polnischen Nachbarn in Breslau scheint es kaum scheitern zu können.          Tobias Körfer


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