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01.05.10 / Als Reform getarnte Revolution / Mainzer Theologe rechnet mit dem Bologna-Prozess ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Als Reform getarnte Revolution
Mainzer Theologe rechnet mit dem Bologna-Prozess ab

Seit 1999 in Bologna die Schaffung eines „europäischen Hochschulraumes“ und eines „Europas des Wissens“ angekündigt wurde, geht es mit den deutschen Universitäten steil bergab. Auf Betreiben der Kultusminister- und der Hochschulrektorenkonferenz hat die Planwirtschaft im Hochschulbereich Einzug gehalten. Ziel ist nicht mehr die Wahrheitsfindung, sondern die Vermittlung des in der Praxis nachgefragten Wissens, nicht Bildung, sondern Ausbildung, nicht Kritikfähigkeit, sondern Produktion von Werktätigen.

Nur zögernd hat sich eine Gegenbewegung formiert. Der bemerkenswerteste Protest war bisher der, dass der Mainzer Theologe Marius Reiser im letzten Jahr seine Professur niederlegte, weil er unter Bologna-Bedingungen nicht arbeiten wollte. Nunmehr hat Reiser ein Buch hinterhergeschoben, in dem er mit der neueren Hochschulpolitik abrechnet: „Bologna: Anfang und Ende der Universität“. Auf 160 Seiten wird hier das ganze Sündenregister der als Reform getarnten Revolution aufgelistet: die verdeckte Aushöhlung der Hochschulautonomie, die Ersetzung von Freiheit durch umfassende Kontrolle, die Verdrängung fundierten Wissens durch vordergründiges Knowhow, die „Modularisierung“ genannte Zerstückelung aller Studieninhalte, die Reduzierung des Lernstoffs auf den Prüfungsstoff, die Aufblähung nutzloser Verwaltungstätigkeit, kurz: der Austausch des Humboldtschen Traumes von Bildung und Freiheit gegen einen mit viel Talmiglanz verbrämten zweckrationalen Alptraum.

Wer die Vergangenheit nicht verklärt, weiß, dass die Universitäten stets eine Doppelaufgabe zu bewältigen hatten: Wahrheitssuche auf der einen Seite, Berufsvorbereitung auf der anderen. Dementsprechend waren sie darauf ausgerichtet, sowohl die Persönlichkeit der Studenten zu bilden als auch diese zu nützlichen Gliedern der Gesellschaft zu machen. Verglichen damit kennt die Universität heute nur noch ein Ziel: die Modellierung möglichst vieler Leute zu einer wirtschaftlich verwertbaren Massenware. Zu Recht hält Reiser dem entgegen: „Der Utilitarismus ist zu einer Geisteskrankheit geworden, die auch vor der Universität nicht mehr Halt macht. Wo er jedoch zur Herrschaft gelangt, ist es mit der Universität endgültig vorbei.“

Dem lässt sich wenig hinzufügen. Es sei denn dies, dass wir in einer Zeit leben, in der nicht nur die Universitäten, sondern auch andere kulturelle Errungenschaften in einem kollektiven Wahn zerstört werden.         Johann Braun

Marius Reiser: „Bologna: Anfang und Ende der Universität“, Verlag Deutscher Hochschulverband, Bonn 2010, 160 Seiten, 14,90 Euro


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