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01.05.10 / Wie Treibgut / Orientierungslos nach Vertreibung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Wie Treibgut
Orientierungslos nach Vertreibung

„Nicht nur Hertha und ihre Mutter und Tante und Familie Starost sind unterwegs. Hunderttausende sind es, die sich aus dem Zufluchtsgebiet West wieder auf den Weg in das Fluchtgebiet Ost machen … Noch wissen sie nicht, was sich in den Gebieten östlich von Oder und Neiße wirklich abspielt. Und sie wissen schon gar nicht …, wie die Siegermächte Russland, England und USA längst über ihr Schicksal entschieden haben.“ Immer wieder leitet Lutz Radtke in seinem Buch „Treibgut der Geschichte“ von den Erlebnissen der 15-jährigen Hertha auf die allgemeinen historischen Entwicklungen über. Durch die Verquickung einer Geschichtsdarstellung mit dem individuellen Schicksal des mit Mutter und Tante aus Deutsch-Eylau vertriebenen Mädchens macht der Autor deutlich, welche Folgen die historischen Entscheidungen gegen Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Menschen hatten. Und Radtke brauchte Hertha nicht erfinden, denn es gibt sie wirklich.

Und angenehmerweise kommentiert der Autor die Geschichte und Ereignisse nicht groß. Er lässt die Fakten für sich sprechen. Nur an einigen Stellen erklärt er, warum Hertha und ihre Familie aus heutiger Sicht irrational handelten. So weist er darauf hin, dass, als die kleine Familie nach geglückter Flucht in Mecklenburg-Vorpommern eine Unterkunft hat, es keineswegs abwegig war, nach Kriegs-ende wieder gen Ostpreußen zurückzuziehen und sich den damit verbundenen Gefahren auszusetzen. Die Menschen damals

wussten schlicht nicht, dass ihre Heimat nicht mehr zu Deutschland gehören sollte. Zeitungen oder öffentliche Stellen, die sie darüber hätten informieren können, gab es kaum, so dass Millionen Heimatvertriebene unorganisiert, ratlos, hungernd und oft krank durch die Mitte Europas zogen.

Letztendlich kamen Hertha und ihre Familie nie wieder in Deutsch-Eylau an. Gut 200 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt in Stolp endet die beschwerliche, von Krätze, Läusen, Hunger und Müdigkeit geprägte Heimreise.           Bel

Lutz Radtke: „Treibgut der Geschichte“, BoD, Norderstedt 2009, gebunden, 152 Seiten, 23,60 Euro


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