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08.05.10 / Katzenjammer in der »freien Heide« / Wittstock: Bundeswehr zieht nach jahrelangen Protesten ab, die Arbeitsplätze auch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-10 vom 08. Mai 2010

Katzenjammer in der »freien Heide«
Wittstock: Bundeswehr zieht nach jahrelangen Protesten ab, die Arbeitsplätze auch

Am 31. Dezember 2008 zählte Wittstock/Dosse 16909 Einwohner. In dem dazu gehörigen Landkreis wohnen gerade mal 100000 Menschen. Das Städtchen ist kaum mehr als durch die gleichnamige Autobahnausfahrt und wegen der jahrelangen Demonstrationen gegen die Bundeswehr und den dortigen Truppenübungsplatz („Bombodrom“) bekannt.

1952 richtete die Sowjetarmee einen großen Truppenübungsplatz in der Ruppiner Heide ein. 1993 zogen die fremden Truppen ab. Nun wollte die Bundeswehr den Platz nutzen. Dagegen formierte sich Widerstand – auch und vor allen Dingen von Seiten der Postkommunisten.

Nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen und Demos der Anwohner verzichtete die Bundeswehr schließlich auf die Nutzung des Geländes als Bombenabwurfplatz. Nach Meinung der Bombodrom-Gegner aus der Region eigentlich ein Grund zum Triumph. Doch stattdessen macht sich plötzlich Katerstimmung breit bei den Einheimischen. Wittstock sollte für den Betrieb des Übungsplatzes eine Garnison von immerhin 800 Soldaten erhalten. Dazu wäre noch eine unbestimmte Zahl von Zivilangestellten gekommen.

Daraus wird nun nichts. Die Bundeswehr hatte 2009 den Verzicht auf die Nutzung des Schießplatzes und am 21. April auf die militärische Nutzung des Areals allgemein erklärt. Dieser Tage ziehen die meisten der verbliebenen 80, zum Jahresende unwiderruflich auch die letzten 17 Bundeswehrsoldaten ab. Der Standort schließt dann. Die 80 Zivilangestellten werden wohl den Gang zur Arbeitsagentur antreten, denn die angebotenen Ersatzarbeitsplätze sind weit weg, sie wollen die meisten nicht annehmen. Die Geschäftsstelle Wittstock der Arbeitsagentur meldete im März offiziell 1772 Arbeitslose. Die Quote liegt bei 16 Prozent

In dem Städtchen gab es von Anfang an eine Bürgerinitiative „Pro Bundeswehr“ und auch kritische Stimmen gegen die vielen überregionalen Bündnisse und Initiativen gegen das Bombodrom. Zwar seien fast alle Stadt­häuser nun mit Bundes- oder Landesmitteln saniert worden, aber mittlerweile stehe jeder zweite Laden leer, kritisieren die Bundeswehrfreunde. Der Vorsitzende der örtlichen CDU-Mittelstandsvereinigung Peter Stephan: „800 Soldaten hätten einen Anschub bringen können. Die 1500 Brötchen mehr am Tag hätten wir schon gerne gebacken. Am Wochenende wären die Bräute der Soldaten gekommen, die Blumenhändler hätten guten Zulauf gehabt. Außerdem zweimal im Jahr eine Vereidigung, die Hotels wären voll gewesen.“

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sieht das anders: „Das Hauptziel ist erreicht. Es sollte in Ruhe abgewogen werden, wie eine nachhaltige Nutzung aussehen kann.“ Dabei würden sicher auch erneuerbare Energien eine Rolle spielen.

Viele Wittstocker fühlen sich nun missbraucht von den bis zu 10000 Ostermarschierern, die alljährlich aus ganz Deutschland in ihren Kreis kamen, um medienwirksam für die „freie Heide“ zu streiten. Die Aufmunterungen aus Potsdam quittieren sie säuerlich, denn mit solchen Allgemeinplätzen redeten die brandenburgischen Landespolitiker noch jede Strukturschwäche schön, ohne dass sich etwas täte.            Theo Maass


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