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08.05.10 / Preußische Spuren in Jerusalem / Wie Wilhelm II. und seine Ehefrau Auguste Viktoria in die Himmelfahrtkirche kommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-10 vom 08. Mai 2010

Preußische Spuren in Jerusalem
Wie Wilhelm II. und seine Ehefrau Auguste Viktoria in die Himmelfahrtkirche kommen

Das hätte ich nicht erwartet“, rufen Besucher der evangelischen Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg in Jerusalem öfters aus. Das Gotteshaus, das vor 100 Jahren geweiht wurde, ist mit Mosaiken und Malereien prachtvoll geschmückt. Im Zentrum der Deckenmalereien thront der zum Himmel aufgefahrene Christus, über der Orgel sieht man das preußische Kaiserpaar mit dem Modell der Kirche.

Den mächtigen, festungsartigen Turm der Himmelfahrtskirche erkennt jeder Besucher Jerusalems schon von weitem. Denn die Kirche steht auf einem der höchsten Punkte Jerusalems, 850 Meter über dem Meeresspiegel und fast 1300 Meter über dem Toten Meer. Erbaut ist sie im wilhelminisch-byzantinischen Stil. Die Glocken im über 50 Meter hohen Turm sind weithin zu hören. Sie wurden in den Stimmungen g, h, d und e in Apolda (nördlich von Jena) gegossen und harmonieren mit den Glocken der Dormitio-Kirche und der Erlöserkirche in der Altstadt.

Nach ihrer Weihe im Jahr 1910 wurde die Kirche erst 1914 vollendet. Bauherrin war die 1899 gegründeten „Kaiserin-Auguste-Viktoria-Stiftung“ (Ölbergstiftung), die direkt neben der Kirche auch ein Malaria-Hospiz („Auguste-Viktioria-Hospital“) errichtete.

Preußens Glanz und Gloria ist besonders auf den Deckengemälden und den Mosaiken der Kirche zu finden. Dort sind die beiden Stifter der Kirche, das deutsche Kaiser- und preußische Königs­paar Auguste Viktoria und Wilhelm II., umgeben von kreuzritterlichen Herrschern zu finden. Der Deutsche Kaiser und König von Preußen, der auch als Laienprediger wirkte, wollte sich mit seinem Engagement in Jerusalem in die Tradition von König Konrad III. (1093–1152), Kaiser Barbarossa (1122–1190), Kaiser Friedrich II. (1215–1250), Richard Löwenherz (1157–1199), Ludwig VII. von Frankreich (1120–1180) und Philipp II. August (1165–1223) stellen. Vier weitere Kreuzritter-Könige, Gottfried von Bouillonn (um 1060–1100), Balduin I. (1172–1205), Balduin II. (1217–1273) und Fulko V. (1092–1143) flankieren diese Szene in den Deckenmalereien, die 1910/11 von dem in Jerusalem lebenden Maler Hugo Schmidt nach Entwürfen Otto Vittali d. J. (1872–1959) ausgeführt wurden.

In der westlichen Lünette des Chorraumes erscheint die Stadt Jerusalem als Hintergrund der Kreuzigungsszene. Diese Mosaikarbeit wurde nach einem Entwurf von Ernst Pfannschmidt (1868–1941) durch die Berliner Firma Puhl & Wagner ausgeführt, die auch die Mosaiken der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin entworfen hatte. Das Apsismosaik stellt auf Wunsch der Kaiserin Auguste Viktoria Jesus Christus dar, der auf einer Wolkenmandorla gen Himmel fährt (Apg 1,1–11). Die Lünettenmosaiken im Chor zeigen den Anfang und das Ende des irdischen Lebens des Sohnes Gottes – die Anbetung durch die Könige und die Kreuzigung. Hier klingen Grundmotive der Kirche an, die heute kaum noch dargestellt werden: die göttliche Herrlichkeit und Allmacht, mit der sich der Kaiser verbunden wusste.

Der Ölberg spielt in der christlichen Tradition eine außerordentlich wichtige Rolle. Jesus ist vom Ölberg aus in Jerusalem eingezogen (Lk 19, 28–40); auf diesem Berg hat er über den von ihm vorhergesehenen Untergang der Stadt (Lk 19, 41–45) geweint; am Fuße des Berges betete Jesus im Garten Getsemani und wurde dort gefangen genommen (Mt 26,30–56); von hier aus ist er schließlich in den Himmel aufgefahren (Lk 24,50).

Von frühester Zeit an wurde daher der Ölberg (hebräisch: Har haSetim, arabisch: Dschabal az-Zaitun, beides bedeutet Olivenberg) in der Christenheit besonders verehrt. Heute findet man neun Kirchen, Kapellen oder Klöster auf dem Ölberg, die auf den Ruinen christlicher Kirchen und Kapellen, meist aus dem 4. bis 6. Jahrhundert stehen. Die christlichen Kreuzritter errichteten auf diesem besonderen Boden 1152 einen achteckigen Kuppelbau. Er steht auf dem Felsen, auf dem Christus seine Fußabdrücke vor seiner Himmelfahrt hinterlassen hat. Nur 35 Jahre später wurde die Kirche von Sultan Saladin, dem Eroberer Jerusalems, in eine Moschee umgewandelt. Alljährlich feiern christliche Pilger an diesem Ort am 40. Tag nach Ostern die Himmelfahrt Jesu Christi.         Hinrich E. Bues


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