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15.05.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-10 vom 15. Mai 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

ich glaube, es gibt keine aufmerksameren Leser als unsere Landslied, wenn es um Ostpreußen geht. Das beweisen die Zuschriften in Zusammenhang mit der Frage von Herrn Kretschmann aus Dresden nach dem Ort „Samlack“, dem Heimatdorf seines Vaters. Ich hatte den Namen nicht in meiner Ortskartei entdecken können und da auch die anderen Angaben sehr vage waren, hatte ich gemeint, es könnte das „Samland“ gemeint sein – aber da war ich ganz schön auf dem Holzweg. Denn kaum war die Folge 14 der PAZ in den Briefkästen oder am Kiosk, meldeten sich die ersten Informanten: Samlack gibt es, und es liegt bei Rößel. Nach diesem Hinweis fand ich es dann auch in meinem Ostpreußischen Ortsregister, und so möchte ich mich bei unsern Landsleuten aus dem Ermland entschuldigen, dass ich den Namen dieses alten Dorfes so schnöde unter den ostpreußischen Flickerteppich gekehrt hatte. Aber etwas Gutes hat die Sache doch: Die Frage von Herrn Kretschmann erhält dadurch verstärkte Aufmerksamkeit und führt nun vielleicht zum Erfolg. Es geht um seinen Vater Bernhard Kretschmann aus Samlack, der von den Russen nach Sibirien verschleppt wurde und dessen Schicksal nie geklärt werden konnte. Samlack, das zum Kirchspiel Legienen gehörte, hatte bei Kriegsende 338 Einwohner, vielleicht erinnert sich noch jemand an den Namen Kretschmann und war irgendwann mit dem Vermissten zusammen. Jeder Hinweis ist für seinen Sohn (Telefon 0351/25581471) wichtig. Allen Schreibern und Anrufern sage ich herzlichen Dank für die schnelle Mithilfe.

Ganz besonders Herrn Helmut Herrmann, der in seiner E-Mail neben der ausführlichen Information auch – nicht wenige – Wünsche äußerte, die ebenfalls in den Kreis Rößel führen. Er listet sie so auf: „1) Meinem Ururgroßvater Franz Herrmann, * 1794, wurde am 9. Februar 1838 in zweiter Ehe ein Sohn Robert geboren, von dem uns nur bekannt ist, dass er ,nach Komienen heiratete‘, wann und wen ist unbekannt. Hatte er Kinder, leben noch Nachkommen von ihm? 2) Der Bruder Josef meines Ururgroßvaters, * 1794, heiratete nach 1821 und übernahm den Gutshof seines Vater Grünhof in Sturmhübel, Kreis Rößel. Auch nach dessen Nachkommen suche ich. 1916 wurde der in Grünhof geborene Albert Herrmann in Groß Köllen Vater eines Sohnes Bernhard, der später in Mainz gelebt haben soll. Unter der angegebenen Adresse ist er aber nicht bekannt. Albert Hermann galt als der längste Mann im Kreis Rößel. Er verstarb im Dezember 1945 in einem russischen Lager. Ein Bruder von Albert hat Grünhof zu Beginn des 20. Jahrhunderts verkauft und ist nach Allenstein gezogen. Leben noch Nachkommen der Herrmanns aus Grünhof? 3) 1905 zog der Schwede Ernst Andersson mit seiner wahrscheinlich aus dem Kreis Rößel stammenden Frau Maria (Hedwig) nach Allenstein. Er hatte acht Kinder. Seine Tochter Hedwig beschreibt ,Im Garten unserer Jugend‘, Matari-Verlag, Hamburg 1966, unter anderem die Ferien, die ihre Familie auf dem Hof von Albert Herrmann in Groß Köllen verbringt. Ihre Mutter Maria ist wahrscheinlich eine Schwester von Albert. Sie könnte auch Nachkommin von Robert Hermann aus Modleinen sein.“ Herr Helmut Herrmann stellte noch eine weitere Vermutung auf, aber ich glaube, diese mit Namen und Fragezeichen reichlich bestückte Familiengeschichte ist schon kompliziert genug. (E-Mail-Adresse von Helmut Herrmann: h.meerb@t-online.de)

Familiengeschichte! Ganze Arbeit hat Frau Margot Jäger aus Bad Oldesloe auf diesem Gebiet geleistet! Nicht für die eigene, sondern für die von Frau Waltraud Fleddermann aus Lindewitt, die nach dem Geburtsort ihres Vaters, der vermutlich in Westpreußen lag, forschte. Und ihn nie fand, denn der Name „Konstantonow“ war auf keiner Landkarte zu entdecken. Wir kamen nur zu denkbaren Lösungen, aber eine endgültige gab es nicht. Frau Jäger ermittelte nun einen Ort im Distrikt Lublin, Radom – Warschau mit Namen Konstantinowka und teilte dies Frau Fleddermann mit. Daraufhin übersandte diese ihr einige alte Urkunden – und da wurde Frau Jäger fündig. Frau Fledderman entstammt einer alten deutschen Familie mit Namen Fuchs. Sie gehörte zu den Kolonisten, die im 18. Jahrhundert nach Altpreußen, Weißrussland und in die Ukraine kamen. Die Familie Fuchs dürfte ursprünglich aus Sachsen stammen. Großvater Gustav Fuchs wurde 1873 in Woliawaderna, Großmutter Emilie Fuchs 1879 in Laffnow geboren. Die Eheschließung erfolgte 1896 in Tomaszow/Polen. Danach müssen die Großeltern nach Westpreußen gezogen sein. Der Vater von Frau Fleddermann ist dort 1905 in einem deutschen Ort geboren. Der Name Konstantinowka ist nach 1920 entstanden, nachdem dieses Gebiet zu Polen kam. Frieda Fuchs, eine Schwester des Vaters, wurde 1911 in Pniewitten, Kreis Kulm geboren. Wahrscheinlich ist dieser Name mit Konstantinowka identisch. Dass Frau Fleddermann 1936 in Schabienen, Kreis Darkehmen geboren wurde, beruht ebenfalls auf dem damaligen politischen Geschehen. Sie gehörte zu den deutschen Familien, die nicht unter polnischer Herrschaft bleiben wollten oder konnten und auswanderten. Die Familie Fuchs ging nach Ostpreußen, der Heimat der Mutter. Schabienen wurde 1939 in Kleinlautersee, Kreis Angerburg umbenannt. Es ist verständlich, dass Frau Fleddermann mit den geänderten Namen nicht zu Recht kam. Ich hatte bei der Veröffentlichung des Wunsches von Frau Fleddermann geschrieben: „Hier ist also wieder unsere Familie gefordert, die ja bisher auf fast alle ähnlichen Fragen die richtige Antwort gefunden hat.“ In diesem Fall hat sie Frau Margot Jäger gelöst, die sich mit den Verhältnissen in Westpreußen gut auskennt, denn sie wurde in Danzig geboren. Der großväterliche Hof in Baldau, Kreis Dirschau kam 1920 auch zu Polen. Neun deutsche Bauern blieben in dem Ort, darunter auch ihr Onkel. Sein Sohn wurde als 17-Jähriger verhaftet, von Gefängnis zu Gefängnis gebracht, um dann doch noch 1939 an der polnisch-russischen Grenze ermordet zu werden. Wir danken Frau Jäger sehr für ihre Bemühungen und freuen uns mit Frau Fledderman über diese großartige Familienhilfe – im doppelten Sinne.

Zwar hat sich noch immer keine endgültige Lösung zu der Bildfrage „Vereinigungsfest Tilsit 1931“ ergeben, aber immerhin eine mögliche, wie uns Herr Jürgen Druske aus Hannover mitteilt. Nachdem er interessante Informationen über die freikirchlichen Gemeinden in Ostpreußen von Herrn Johannes Meyer aus Castrop-Rauxel erhalten hatte – wir berichteten darüber in Folge 11 –, wandte er sich an das Oncken-Archiv in Wustermark. Dort erhielt er jetzt eine eingehende Antwort, aus der wir entnehmen, dass jährlich von der Ostpreußischen Vereinigung eine „Vereinigungskonferenz“ stattfand. Dabei wechselten die Veranstaltungsorte, so waren es 1930 Bartenstein, 1931 Ortelsburg, 1932 Königsberg und 1933 Tilsit. Die gedruckten Berichte dieser Konferenzen liegen dem Oncken-Archiv vor. Daneben veranstaltete die ostpreußische Jugendvereinigung separate „Vereinigungskonferenzen“. Aus den Unterlagen ist leider nicht ersichtlich, ob eine solche 1931 in Tilsit stattgefunden hat, das Foto könnte aber auf eine Vereinskonferenz hindeuten. Herr Druske gibt sich mit dieser Auskunft zufrieden, da dies die glaubhafteste Erklärung ist.

Der Bericht über die Lage im Raum Königsberg vom April 1946, den Herr Hartmut Priebe im Nachlass seines Vaters fand und den wir in Folge 15 veröffentlichen, hat unsere Leser sehr beeindruckt, wie wir aus den Zuschriften entnehmen können. Dass in dem Bericht des unbekannten Verfassers auch Irrtümer auftreten konnten, ist verständlich, wenn man die damalige Lage berücksichtigt, in der viele Informationen nur mündlich weitergegeben werden konnten. So hatte wohl auch der Schreiber erfahren, dass der Königsberger Oberbürgermeister Hellmuth Will beim Kampf um Königsberg gefallen wäre. Dies ist aber nicht der Fall gewesen, Will geriet in russische Gefangenschaft, wie uns Herr Alfons Kuhn aus Kassel mitteilt. Er war mit dem Oberbürgermeister ab Juni 1950 im Hauptlager in Stalingrad zusammen, sie wurden auch gemeinsam entlassen, und kamen mit dem Heimkehrertransport am 6. Oktober 1953 im Lager Friedland an. Will wurde zuerst nach Kiel entlassen, später, nach dem Tod seiner Frau, übersiedelte er nach Köln. Wer Näheres über den früheren Oberbürgermeister erfahren will, wende sich bitte an mich, denn Herr Kuhn hat eine Kontaktadresse angegeben. Ich danke Herrn Alfons Kuhn jedenfalls sehr für diese authentische Information. Eine andere Zuschrift bezieht sich auf Dr. Bülow, von dem es in dem Bericht heißt, dass sein Schicksal bis zu jenem Zeitpunkt unbekannt gewesen sei. Der kurze Vermerk – am Rande eines Ausschnitts des veröffentlichten Berichtes – besagt, dass seine Nachkommen in einer norddeutschen Stadt leben.

Sehr genau nahm Herr Dr. Hans Willutzki aus Braunschweig zu dem Bericht des unbekannten Verfassers Stellung. Er bestätigte, was wir vermuteten, dass dieser mit größter Wahrscheinlichkeit Mediziner war. Herr Dr. Willutzki schreibt: „Der Artikel klingt von seiner Prägnanz, Gerafftheit, inhaltlichen Gliederung und sehr viel Medizinischem als eindeutig von einem Mediziner verfasst. Das kann nur ein Arzt aus Königsberg gewesen sein.“ Dr. Willutzki weist auf die frühen Veröffentlichungen der „Ostpreußischen Arztfamilie“ hin, die von Dr. med. Paul Schroeder gegründet worden war, und meint, dass auch der von Herrn Priebe entdeckte Bericht zu diesen gehören könnte, vielleicht schon in einer der ersten Nummern erschienen sei. Er selber hat die Versammlungen der Ostpreußischen Arztfamilie besucht und den Vortrag von Dr. Wilhelm Starlinger gehört, den dieser drei Wochen nach seiner Entlassung aus einem sowjetischen Straflager hielt. Dr. Willutzki studierte ab 1953 Biologie an der Uni Göttingen, welche ja die Patenschaft über die Königsberger Albertina übernommen hatte. Wir danken ihm sehr für diese Informationen, die auch Herrn Priebe interessieren dürften.

Einen besonders gravierenden Eindruck hat der Bericht bei der „Königsberger Kindergruppe“ hinterlassen, jenen damals im sterbenden Königsberg verbliebenen Waisenkindern, die sich jetzt zu einer losen Gruppe zusammengefunden haben. „Ergreifend für uns Betroffene“ fand Frau Helga van de Loo den Bericht. Sie und neun weitere Teilnehmerinnen aus diesem Kreis werden Mitte Juni nach Königsberg fliegen, um dort den Stein für eine kleine Gedenkstätte für die

Schick­­­salsgefährten zu setzen, die jene grausame Zeit nicht überlebten. Wir werden davon berichten.

Der „Allensteiner aus Polen“ hat Herrn Siegfried Böttcher aus Mindelheim zu einem ebenso launigen wie informativen Schreiben an Herrn Oelmann angeregt, und auch ich bekam eine Kopie, aus der ich entnehme, dass sich der ehemalige Molkereimeister sehr gut in der ostpreußischen Käseproduktion auskennt. Er bestätigt, was auch wir meinen: „Eine Markenbezeichnung ,Allensteiner Käse‘ gab es in Ostpreußen nicht. Dass polnische Hersteller auch auf den deutschen Markt drängen, ist nicht neu, dass man dabei bekannte Bezeichnungen und dergleichen verwendet, auch nicht. In diesem Fall deutet die Deklarierung ,würzig und kraftvoll‘ auf einen Tilsiter hin, produziert wohl in erster Linie für den deutschen Markt.“

Den nicht nur wir Ostpreußen lieben, denn unser Tilsiter hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg die wichtigsten Märkte in Deutschland erobert. Heute wird er sogar in der Schweiz hergestellt, wie Herr Böttcher berichtet: „Ich habe bis 2007 nicht gewusst, dass der Tilsiter aus Ostpreußen eine neue Heimat gesucht hat. ,AlpenTilsiter/Swit­zer­land‘ nennt man diesen Flüchtling, und produziert wird er in mehreren Käsereien rund um den Ort Holzhof im Kanton Thurgau. Diesen Ort hat man gleich umgetauft und ihm den Namen ,Tilsit‘ gegeben! Für mich jedenfalls ist die Heimat des Tilsiters auch meine Heimat, nämlich unser Ostpreußen!“

Eure Ruth Geede


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