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15.05.10 / »Hamburg ist braun-weiß«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-10 vom 15. Mai 2010

»Hamburg ist braun-weiß«

In dieser Saison ist der FC St. Pauli in die Erste Bundesliga aufgestiegen – und hat sich damit selber das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht. Am 15. Mai wird der FC St. Pauli von 1910, wie der legendäre Fußballclub vom Kiez offiziell heißt, 100 Jahre alt. Zum Jubiläum zieht das Geburtstagskind Bilanz mit einem Buch und einem Container-Museum vor dem Millerntor-Stadion, das anhand von Bildern und Exponaten darzustellen versucht, was das Phänomen FC St. Pauli ausmacht. In der professionalisierten, kommerzialisierten und teilweise beliebig austauschbaren Fußballwelt hat sich mit dem Hamburger Stadtteilverein eine Insel von besonderer kultureller Identität erhalten können und das erreicht, was sich viele Menschen wünschen: nicht wegen ihrer Erfolge geliebt zu werden, sondern um ihrer selbst willen.

Seit seiner Gründung ist der Fußballclub auf dem Heiligengeistfeld beheimatet; schnell entwickelt der FC St. Pauli eine tiefe Verbindung zum gleichnamigen Stadtteil und dessen Bewohnern. Mit dem strukturellen Wandel im Zuge der Hausbesetzungen in der Hafenstraße in den 80er Jahren gruppiert sich dann eine alternative Fan-Szene am Millerntor und hisst erstmalig die Piratenflagge im Stadion. Fortan dient der Totenkopf als Verkörperung der rebellischen und kämpferischen Grundhaltung von Verein und Fans.

1995 übernehmen die Kiezkicker zum bislang einzigen Mal die Führung. Ein weiterer Höhepunkt war 2002 der 2:1-Heimsieg als Tabellenletzter gegen den damals frisch gebackenen Weltpokalsieger FC Bayern München. Ansonsten beginnt in dieser Saison der ungebremste Abstieg in die Regionalliga Nord, wo man 2003 ankommt. Sportlich und finanziell steht der Verein am Abgrund. Was folgt, ist eine wohl einzigartige Aktion im deutschen Fußball. Die Fans organisieren sich bundesweit und unterstützen die sogenannte Retter-Kampagne. Es werden „Retter-Shirts“ gedruckt und verkauft, auf der Reeperbahn gilt das Motto „Saufen für St. Pauli“, bei dem ein Soliaufschlag von 50 Cent je ausgeschenktem Liter Bier sowie ein Euro Spende pro verkauftem Kasten „Astra“-Bier an den Verein gehen. Der FC Bayern München stellt sich im Millerntor-Stadion dem FC St. Pauli in dem Freundschaftsspiel „Weltpokalsiegerbesieger gegen Weltpokalsieger“, wobei auf Gage und Kostenerstattung verzichtet wird. Innerhalb weniger Monate gelingt es Fans und Verein, den finanziellen Ruin abzuwenden.

Insgesamt vier Jahre verbringen die Kiez-Kicker ab der Saison 2003/2004 in der Regionalliga Nord, bis sie sich 2007 wieder in die Zweite Bundesliga zurückkämpfen, aus der nun wie Phoenix aus der Asche der Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse gelungen ist. Corinna Weinert


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