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22.05.10 / Ein scharfes Schwert / Die Budgetmacht der Parlamente in der europäischen Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-10 vom 22. Mai 2010

Ein scharfes Schwert
Die Budgetmacht der Parlamente in der europäischen Geschichte

Das Haushaltsrecht der Parlamente gehört zu ihren Kernrechten. Dies galt selbst in Staaten, in denen die Exekutive als Staatsoberhaupt und Regierung, weder direkt noch indirekt vom Volk gewählt wurden.

So beispielsweise im deutschen Kaiserreich der Jahre 1871 bis 1918. Das Staatsoberhaupt, der Kaiser, übernahm sein Amt in Erbfolge, war „Kaiser von Gottes Gnaden“. Dieser ernannte den Kanzler, der theoretisch ohne Zustimmung der Volksvertretung, des Reichstags, regieren konnte.

Theoretisch, wohl gemerkt. Denn was ist Politik ohne Geld? Nach damaligem Rechtsverständnis war die Rollenverteilung vollkommen logisch: Mochte das Staatsoberhaupt seine Kaiserwürde von Gott haben, das Geld stammte vom Volk, das die Steuern bezahlte.

Ergo hatte der Reichstag die Hand auf dem Geld. In einer der dramatischsten Situationen der deutschen Geschichte sollte dies zum alles entscheidenden Faktor werden. Im Strudel der Bündnisse war das Reich in den Ersten Weltkrieg gezogen werden. Vier Tage nach Kriegsausbruch trat auch Deutschland auf Entscheidung des Kaisers in den Krieg ein. Das war am 1. August 1914.

Doch war zu dem Zeitpunkt noch kein Geld für den Waffengang bewilligt worden. Vor allem in der größten Parlamentsfraktion, den Sozialdemokraten, kam es zu heftigen Debatten. Der linke Flügel um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sträubte sich gegen die Zustimmung. Schließlich jedoch stimmten die SPD-Abgeordneten am 4. August dennoch geschlossen für die Bewilligung der Kriegskredite.

Zuvor war bereits die Budgetmacht des Parlaments einem Monarchen zum Verhängnis geworden. Die Einberufung der französischen „Generalstände“ am 5. Mai 1789 sollte die Revolution einläuten, die einen Monat darauf ausbrach. Auch hier ging es um Geld, das jenes Parlament der drei Stände bewilligen sollte. Seit 1614 war die Drei-Stände-Versammlung aus Adel, Geistlichkeit und dem „Dritten Stand“ nicht mehr einberufen worden. Seitdem hatte in Frankreich der Absolutismus (Ludwig XIV.: „Der Staat bin ich“) geherrscht. Doch von jahrzehntelanger Verschuldungspolitik ausgezehrt war das Regime Ludwigs XVI. bankrott. Die kostspielige Unterstützung der amerikanischen Unabhängigkeitskämpfer hatte Paris den Rest gegeben.

Der König rief in seiner Not die „Generalstände“ zusammen. Sie sollten mit ihm Wege aus der Krise finden, vor allem wollte er ihre Unterstützung beim Sanieren der maroden Finanzen. Doch es entglitt alles: Bestärkt von der neuen Macht stellte der „Dritte Stand“ sofort erhebliche Forderungen. Als diese nicht nach seinen Vorstellungen erfüllt wurden, zogen die Abgeordneten aus und gründeten die erste französische „Nationalversammlung“. Schließlich lenkte der Herrscher ein, was ihn bekanntlich nicht retten sollte: Die Monarchie fiel schließlich, Ludwig XVI. wurde enthauptet. Hans Heckel


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