25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.05.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-10 vom 22. Mai 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,     

liebe Familienfreunde,

je älter man wird, desto mehr gehen die Gedanken in die Kindheit zurück. Und für viele Vertriebene aus der Generation, die jetzt in den Ruhestand geht und nun doch mehr Zeit hat, sich mit dem bis dahin Zurückgedrängten zu befassen, bedeutet das auch, sich mit der eigenen Familiengeschichte zu befassen. So wie Frank Panienka aus Esens, der als Zweijähriger mit seinen Angehörigen aus Lötzen flüchtete und sich nun intensiver um seine Heimat kümmern will, es in seinem Schreiben formuliert: „Ich spüre im Charakter Eigenschaften, die mir zeigen, dass die lange Tradition, die meine Vorfahren hatten, mich geprägt hat und ich mehr wissen möchte.“ Herr Panienka hatte sich mit einigen Fragen an mich gewandt, die ich ihm beantworten konnte, doch da ja bekanntlich jeder erfüllte Wunsch Kinder bekommt, wird er mir für deren Beantwortung verschiedene Unterlagen zukommen lassen. Für heute nur soviel, dass sein Onkel Gustav für die Verpachtung der Fischerei für den Löwentinsee zuständig war, Hauptpächter war ein Herr Reinhard. Die Familie Panienka war auch in weiteren masurischen Orten ansässig, so in Rudovken, Salpia, Trossen, Schimonken. Doch darüber werden wir ja demnächst mehr erfahren. Ich habe diesen Satz aus der E-Mail von Frank Panienka als Leitmotiv für unsere heutige Kolumne ausgewählt, denn sie trifft auf alle Anfragen zu, die wir heute veröffentlichen.

Da ist der Brief von Frau Ottilie Derrien aus Freyung, die ein Leben lang versucht hat, das Schick­sal ihres Vaters und seiner Familie aufzuklären und mehr über seinen Geburtsort zu erfahren, um diesen aufsuchen zu können. Frau Derrien schreibt:

„Mein Vater Peter Schojzuk, * 18. Februar 1922 in Gomen (oder Gabin?), hat sich in den Jahren 1942 bis 1946 häufig in meiner Adoptivfamilie aufgehalten. Deshalb ist mir durch Erzählungen seine Familiengeschichte gut bekannt. Als er nach dem Krieg noch einmal versuchte, seine Eltern zu sehen, waren diese bereits deportiert oder getötet worden. Der Verwalter des Gutes riet ihm, sofort zu verschwinden, da nach ihm gesucht werde. Mein Vater ist daraufhin von Brandenburg wieder kurz in meinen Geburtsort Reischach, Landkreis Altötting, zurückgekehrt, um sich um meinen Verbleib zu kümmern. Aufgrund seiner Anstellung bei den amerikanischen Truppen ist er mit diesen ausgewandert. Ich kann nur auf behördliche Dokumente über meinen Vater zu­rück­greifen. Sein Heimatort Dworischtschach, Kreis Pschernjachow wurde sicher nicht korrekt übersetzt, es gab ein großes Gut nahe Insterburg mit Namen Dwarischken, später Gut Eichenberg, russisch Lesnoe. Der Geburtsort Gomen gibt mir nach wie vor Rätsel auf.“

Uns auch, und deshalb habe ich zuerst einmal das Schreiben wörtlich gebracht, um weitere Irrungen zu vermeiden. Ein ähnlich klingender Ort ist „Gomingen“ im Kreis Gerdauen. Der Gutsname Dwarischken kommt in Ostpreußen zweimal vor: einmal als Adl. Rittergut im Kreis Insterburg, später Eichenberg, und als Rittergut im Kreis Pillkallen, später Löbelshorst. Ein Gutsbesitzer namens Schojzuk ist in Niekammers Güteradressbuch von 1932 nicht verzeichnet. Da der Name aber selten ist, fragen wir mal unsere Leser, ob jemand Träger dieses Namens kennt oder Hinweise geben kann, wo im nördlichen Ostpreußen eine Familie Schojzuk gelebt hat. Peter Schojzuk hatte noch eine Schwester mit Namen Vera. Vielleicht kommen wir auf diesem Wege weiter? (Ottilie Derrien, Hermannsau 60 in 94078 Freyung, Telefon 08551/912700, E-Mail: o-derrien@t-online.de)

In diesem Falle war der Vater bekannt und bekannte sich auch zu seinem Kind. Das ist nicht immer so, und dann wird die Sache auch für uns noch schwieriger, vor allem, wenn über die Vaterschaft Vermutungen aufgestellt und dabei konkrete Namen genannt werden. Da muss man sehr behutsam formulieren. In der Angelegenheit, die Frau Irene Manig aus Wernigerode uns vorträgt, ist die Lage noch komplizierter, da die 65jährige erst kürzlich erfuhr, dass ihr bis dahin geglaubter Vater nicht ihr leiblicher sei. Leider sind alle Personen, die eventuell Auskunft über die Vaterschaft geben könnten, inzwischen verstorben, so dass sie sich nun in ihrer verzweifelten Suche nach ihrem leiblichen Vater an uns wendet. Irene Manig kam am 13. Januar 1945 im Krankenhaus Heiligenbeil zur Welt. Ihre Mutter war Gerda Müller geborene Langanke, * 18. August 1918 in Berlin. Der Vater des Kindes könnte Angehöriger einer Fliegereinheit gewesen sein, die in Braunsberg stationiert und nach Heiligenbeil verlegt worden war. Während der letzen Kämpfe im Heiligenbeiler Kessel wurde ein Stab dieser Einheit in das Haus der Familie in Königsdorf verlegt. Nach Aussagen der Schwester von Frau Manig soll auch der leibliche Vater des neugeborenen Mädchens zu dem Stab gehört haben. Durch diese Verbindung war es möglich, dass die Mutter mit dem Baby und zwei älteren Kindern sowie die Großmutter Ida Langanke mit der angeblich letzten Militärmaschine ausgeflogen werden konnten. Dabei soll ein Offizier geholfen haben, dessen Vorname Lothar lautete. Der Nachname könnte Krause oder Reinitz gelautet haben. Jedenfalls hat die Mutter später nach diesem Mann gesucht und immer wieder betont, dass er ihnen sehr geholfen habe. Die Mutter hat bis 1953 immer wieder versucht, den Vater ihrer Tochter zu finden. Zuerst wohnte die Familie in Floh/Rhön, danach in Oberalba, Unterbreizbach und schließlich in Sellin auf Rügen. Es kann sein, dass sie damals auch Briefe an Bekannte schrieb, vielleicht auch an ehemalige Angehörige der Fliegereinheit. Aus diesem Kreis erhofft sich Frau Manig Hinweise auf ihren Vater zu bekommen, was allerdings nach so langer Zeit schwierig sein dürfte. Immerhin wäre es schon wichtig, zu erfahren, welche Fliegereinheit damals nach Heiligenbeil verlegt wurde, deren Stab das Haus in Königsdorf bezog. (Irene Manig, Elise-Crola-Straße 10 in 38855 Wernigerode, Telefon 03943/22687, Fax 03943/500619.)

Auch im nächsten Fall, den Herr Christian Horstmann vorträgt, handelt es sich um eine Vatersuche. Herrn Horstmanns Ehefrau wurde am 25. Dezember 1940 in Königsberg, dem Herkunftsort ihrer Mutter, als Karin Christel Andrea geboren. Der Name der Mutter ist bekannt: Johanna Charlotte Andrea, der des Vaters leider nicht. Das Kind kam im Alter von sechs Monaten zu Bruno und Liesbeth Meding nach Groß Kuren und verblieb dort bis zur Flucht 1945. Das ist alles, was Frau Horstmann über die Herkunft ihrer Mutter weiß. Wer kannte die Familien Andrea aus Königsberg und Meding aus Groß Kuren und kann etwas Näheres zu diesem Fall sagen? (Christian Horstmann, Gustav-Winkler-Straße 83 in 33699 Bielfeld.)

„Wer kann sich an Anna Fernitz aus Barthenen erinnern?,“ fragt Frau Iris Köthe aus Bochum. Die am 1. März 1934 geborene Tochter eines kinderreichen Elternpaares blieb nach dem Russeneinfall mit ihren Geschwistern in Ostpreußen, der Vater war gefallen und die Mutter hatte nicht die Kraft, mit einem Treck auf die Flucht zu gehen. Die jüngeren Geschwister Christel, * 1939, und Paul, * 1941, verhungerten im Mai 1947. Die Mutter wurde dann im November mit ihren Kindern Konrad, * 1930, Hanna, * 1932, Gerhard, * 1935, und Franz, * 1943, ausgewiesen. Und Anna? Die damals 13-Jährige wurde im März 1947 von den Russen verschleppt und nach Pobethen in ein Waisenhaus gebracht. Dort hat ihr ältester Bruder Konrad sie auch gefunden und mit ihr sprechen können. Ein Russe drohte dem Bruder, er solle sofort verschwinden oder er käme nach Sibirien. Konrad wollte dann doch einmal Anna aufsuchen, es muss im Sommer 1947 gewesen sein, aber er konnte sie nicht finden. Eine Frau hat ihm ein Grab mit efeuähnlichem Bewuchs gezeigt und gesagt, dass es das von Anna sei. Konrad hat es aber nicht geglaubt, weil er es für ein sehr altes Grab gehalten hat So blieb das Schicksal von Anna ungeklärt. Vielleicht erinnern sich noch Schicksalsgefährten aus dem Waisenhaus in Pobethen an Anna Fernitz, die stotterte, seit sie als Zweijährige eine Treppe hinunter gefallen war. Sie war wie alle aus der Familie nicht sehr groß, hatte blaugraue Augen und rotbraunes kurzes Haar. Ihre Geschwister wären sehr froh, wenn sie endlich Gewissheit bekämen, was aus der Schwester geworden ist. Aber sie haben noch einen anderen Wunsch. Aus ihrem Elternhaus im samländischen Barthenen haben sie nichts mitnehmen können außer einem Bild des Vaters, das Konrad noch schnell von der Wand nehmen konnte. Dieses Foto hat er zwei Jahre lang im Schuh versteckt und es immer mit sich getragen! Die Fernitz-Kinder haben die Schule in Strobjehnen besucht. Besitzt jemand noch ein Foto von dem Schulgebäude oder den Schulkindern oder sonstige Aufnahmen aus der Heimat? Es würde ihnen heute sehr, sehr viel bedeuten. (Iris Köthe, Scharpenseelstraße 215 in 44879 Bochum, E-Mail: i.koethe@pkoethe.de)

Wenn man im Schicksalsjahr 1945 gerade drei Jahre alt war, kann man keine Erinnerungen mehr an die Flucht haben. Aber auch für einen damals Sechsjährigen sind heute die Geschehnisse aus jenen schweren Tagen kaum abrufbar – können es aber vielleicht werden, wenn sich ältere Zeitzeugen an sie erinnern. Leider gibt es die nicht mehr im Verwandtenkreis von Herrn Frank Jakubzik aus Göttingen. Und so führt der einzige begehbare Weg für ihn und seinen Bruder zu unserer Ostpreußischen Familie. Frank Jakubzik, * 12. Januar 1942, trat am 21. Januar 1942 zusammen mit seiner Mutter die Flucht aus seinem Heimatort Fried­richs­hof, Kreis Ortelsburg an. Sein sechsjähriger Bruder hielt sich zu der Zeit gerade bei den Großeltern in Neu-Bartelsdorf, Kreis Allenstein auf und flüchtete mit diesen am selben Tag. Die Brüder möchten nun wissen, wie und unter welchen Umständen die Flucht aus den genannten Orten erfolgte. Sie hoffen, dass es noch Zeitzeugen gibt, die wie sie in jenen Tagen aus Friedrichshof und Neu-Bartelsdorf flüchteten oder die darüber Aufzeichnungen gemacht haben. Nun gab es allerdings in Ostpreußen 20 Ortschaften mit dem Namen Friedrichshof, so könnte auf den ersten Blick die Frage leicht zu Verwechslungen führen. Bei dem Heimatort der Brüder Jakubzik handelt es sich um den Marktflecken Friedrichshof, 26 Kilometer östlich von Ortelsburg gelegen. Ein stattlicher Ort mit Kirche, Sägewerk und zwei Windmühlen, Bahnstation auf der Strecke nach Puppen. Allein der Ort hatte 1800 Einwohner, zum Kirchspiel müssen noch Dörfer und Höfe gehört haben, so dass sich hier sicher noch Zeitzeugen finden werden. Vielleicht ist ja auch in Heimatbriefen über die Flucht berichtet worden. Bei Neu-Bartelsdorf sieht die Sache schon anders aus. Dieser 16 Kilometer südöstlich von Allenstein gelegene Ort besaß zwar eine evangelische Kirche und ein Sägewerk, hatte aber nur 414 Einwohner, so dass der mögliche Informantenkreis etwas enger zu ziehen ist. Aber lassen wir uns überraschen und erst recht die Brüder Jakubzik, die diese gravierenden Geschehnisse aus ihrer frühen Kindheit aufarbeiten wollen. (Frank Jakubzik, Rieswartenweg 9 in 37077 Göttingen.)

Unser Suchbild zeigt heute eine Schulklasse der Lutherschule Lötzen, aufgenommen auf ihrem ersten Ausflug in den Stadtwald. Es handelt sich um die Sechsjährigen, die 1936 eingeschult wurden. In der oberen Reihe steht Klassenlehrer Rode, rechts davor Kurt Seidel * 7 Mai 1930, der uns das Foto zugesandt hat. In der unteren Reihe ist als vierter von links Heinz Mathies, * 6. Mai 1930, zu sehen. Wer erkennt sich auf dem Foto oder weiß über einen der abgebildeten ABC-Schützen Bescheid? Zuschriften an: Kurt Seidel, Hirschberger Straße 7, 31224 Peine-Woltorf.

Mein herzlicher Dank gilt heute Frau Christa Wassenberg aus Goch. Sie sandte eine nette Karte, in der sie mir mitteilt, dass sie immer mit großem Interesse unsere Ostpreußische Familie liest. „Ich war zwar erst zwölf Jahre alt, als wir gezwungen wurden, unsere Heimat zu verlassen. Durch meine Eltern und Schwestern sowie durch Fahrten und das Lesen von Büchern habe ich sehr viel von Ostpreußen kennen gelernt.“ So konnte die in Bischofsstein Geborene auch den Ort Samlack richtig in den Kreis Rößel einordnen. Sie beendet ihre Zeilen mit den Worten „Ich freue mich auf Ihren nächsten Artikel!“ Hier ist er, liebe Frau Wassenberg!

Eure Ruth Geede


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren