26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.05.10 / Letzte Ruhe im Ferrari / Särge in ungewöhnlichen Formen finden mittlerweile auch in Deutschland Abnehmer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-10 vom 22. Mai 2010

Letzte Ruhe im Ferrari
Särge in ungewöhnlichen Formen finden mittlerweile auch in Deutschland Abnehmer

Der Tod ist eines der großen Tabuthemen – von testamentarischen Erbverfügungen abgesehen, befasst man sich oftmals erst damit, wenn das eigene Lebensende naht. Und da die wenigsten ihre Beerdigung noch zu Lebzeiten selbst geregelt haben, müssen Hinterbliebene entscheiden, wie ein Verstorbener bestattet und seiner gedacht werden soll. Die Bestattungskultur in Deutschland setzt dabei mehr und mehr auf Individualität: mit Bildern aus dem Familienalbum verzierte Särge und Designer-Modelle in Form von Autos, Musikinstrumenten oder Sportgeräten.

Särge mit individuellen Motiven sind die Spezialität von Sargfabrikant Jürgen Stahl aus Kleinheubach. „Für die Särge verwenden wir einen üblichen Grundkorpus aus Holz, zusätzlich bieten wir dann Motivplatten in voller, halber und drittel Länge sowie als Frontbild als Auflage an, die sich individuell gestalten lassen“, erklärt Stahl. „Für Hinterbliebene kann das sogar ein Teil aktiver Trauerarbeit sein“, berichtet Dörte Schmitz. Die junge Frau hat den Sarg ihrer verstorbenen Mutter mit verschiedenen Fotos schmücken lassen: „Von der Hochzeit meiner Mutter bis zum letzten Bild sind alle wichtigen Stationen vertreten“, so Schmitz.

Bestattungsunternehmer Henrik Busch, Inhaber von Busch Bestattungen aus Bückeburg, kennt noch ungewöhnlichere Kundenwünsche. So hat er beispielsweise einen Ferrari aus klarlackierter Olivenesche in seinem Programm. „Letztlich ist es eine Sache des Geschmacks, für jeden Artikel gibt es einen Kunden“, sagt Henrik Busch.

Was in Deutschland als skurrile Geschäftsidee erscheint, ist in der englischen Stadt Nottingham mittlerweile Normalität: Dort stellt man seit einigen Jahren Särge in den wundersamsten Formen her. Die Särge der Firma Vic Fearn & Co. haben die Form von Ballettschuhen, Biergläsern, Golftaschen, Straßenbahnwaggons oder Müllcontainern. Der Gedanke, ihr eher eintöniges Gewerbe aufzulockern, kam John Gill und seinem Geschäftspartner David Crampton von Vic Fearn vor rund 15 Jahren durch außergewöhnliche Kundenwünsche. „Das sind keine Verrück-ten gewesen, sondern Menschen, die gerne in einem Gegenstand beigesetzt werden wollten, der ihnen schon zu Lebzeiten etwas bedeutet hat“, betont Crampton. „Ein tödlich verunglückter elfjähriger Junge wurde von seiner Familie in einem riesigen Skateboard beigesetzt, weil er dieses Sportgerät heiß und innig geliebt hat“, erklärt er. Die Kunden müssen allerdings einiges Geld übrig haben, denn die Särge kosten bis zu 7500 Euro. Mit einigen ihrer ungewöhnlichen Objekte sind Gill und Crampton bereits auf Ausstellungen in Deutschland gewesen. Und obwohl sie große Bewunderung hervorgerufen hatten, hält sich der Absatz in Grenzen. „Die Deutschen finden das wohl etwas pietätlos, der Tod wird dort viel ernster und religiöser betrachtet.“

In Teshie nahe der ghanaischen Hauptstadt Accra sind derartige Särge ganz und gar nicht ungewöhnlich, sondern Teil der landesüblichen Tradition. „Für die meisten afrikanischen Völker stellt der Tod kein definitives Ende dar“, sagt die Berner Ethnologin Regula Tschumi, „nach ihren Jenseitsvorstellungen geht es in der Welt der Toten ganz ähnlich weiter wie auf Erden.“

Schreinermeister Eric Kpakpo fertigt mittlerweile nicht mehr nur für seine Landsleute an, sondern erhält Bestellungen aus der ganzen Welt. Als sich der deutsche Bundespräsident Horst Köhler zu einem Staatsbesuch in Accra aufhielt, besuchte er wie selbstverständlich auch die Werkstatt von Eric Kpakpo.

Ideen für ihre Modelle holen sich die deutschen und englischen Bestatter auf den jährlich stattfindenden „International Funeral Awards“ (IFA). Der Wettbewerb gilt als der „Oscar der Bestatter-szene“.  Auch Jürgen Stahl wurde mit seiner Idee nominiert und erhielt im vergangenen Jahr den dritten Platz.             Corinna Weinert


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren