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22.05.10 / Leider keine Paparazzi-Parodie / Kriegsreporter zählt die Höhepunkte seiner Berufslaufbahn auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-10 vom 22. Mai 2010

Leider keine Paparazzi-Parodie
Kriegsreporter zählt die Höhepunkte seiner Berufslaufbahn auf

„Adabei“ nennt der Wiener Volksmund Typen wie Perry Kretz, einen „Auchdabei“, einen „Wichtigmacher“. Nach eigener Aussage ist er ein Nichtskönner: Bei der Suche nach seinen „Talenten“ wurde er „nicht fündig“, ein US-Offizier zeigte ihm an einer Kamera, „wie Auslöser, Sucher, Blende und Zeiteinstellung funktionierten“ – mehr braucht’s nicht für einen „Kriegsreporter“, der ruhig Halbanalphabet sein dürfe, denn „das Schreiben von Artikeln liegt mir nicht“. Ist das eine Paparazzi-Parodie? Wie kommt so etwas ins Programm eines klassischen deutschen Verlags, zu dessen Hausautoren einst Heinrich Heine gehörte?

Kretz, geboren 1933 in Köln, legt sich schon 1944 mit der Gestapo an, ist nach Kriegsende Boxer, Schwarzmarkthändler, Radrennfahrer. 1947 taucht er in den USA auf, ist erst bei der Mafia aktiv, dann bei der Army, 1957 bei der New Yorker Polizei: Wo etwas „los“ war, da war Perry „adabei“, als „Polizeifotograf“ und Überflieger. 1969 war er kurz in Hamburg zu Besuch, wo ihn „Stern“-Chef Nannen umgehend abwarb, woraus „schließlich 35 Jahre Arbeit für den ,Stern‘ werden sollten“.

Was für eine Arbeit? Schreiben kann er nicht, fotografieren auch nicht besonders (nach den im Buch überreichlich abgedruckten Bildern zu urteilen), aber das braucht ein moderner Baron Münchhausen auch nicht. Kretz war in allen Erdteilen, bei zahllosen Konflikten, immer in vorderster Linie, stets auf Augenhöhe mit Gangstern, Militärs, Politikern, Prominenten oder wenigstens mit deren Doppelgängern: „Drinnen saß im Kerzenlicht Che Guevara. Jedenfalls sah ihm El Comandante mit seinem Bart verdammt ähnlich.“ Baskenland und Bagdad, Baby Doc und Bin Laden, Straßenkinder in Bogota und Kriegswaisen in Vietnam, Hinrichtungen und Gefängnisalltag in den USA – Adabei globalisiert! Glaubwürdig? 1992 und 1994 will er ein paar Tage in Bosnien gewesen sein, was mir (der ich Bosnien wie meine Hosentasche kenne) wenig glaubhaft erscheint. Gesehen und erlebt hat er offenkundig wenig, aber angenehme Zeit in der Hotelbar verbracht.

Was immer Kretz widerfuhr, hat er im Stil eines Klippschul-Aufsatzes niedergeschrieben, dabei oft erwähnt, wer ihn wann „begleitet“ hat. Spaßig ist allein, wie und wo Kretz seinen Hausausweis vom „Stern“ als Sesam-öffne-dich zückt – in den 1980er Jahren, als der „Stern“ nur wegen gefälschter Hitler-Tagebücher „berühmt“ war und jeder deutsche Journalist sich lieber die Zunge abgebissen hätte, als seine Zugehörigkeit zu Nannens Rosstäuschern einzugestehen. Wolf Oschlies

Perry Kretz: „Augen auf und durch – Mein Leben als Kriegsreporter“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2010, geb., 352 Seiten, 25 Euro


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