19.04.2024

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22.05.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-10 vom 22. Mai 2010

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Ruhe bitte! / Warum Josef Ackermann schweigen soll, wie Sarkozy Merkel vor die Kanone band, und was die Deutschen nie erfahren dürfen

Sie haben uns nicht die Wahrheit gesagt, diese Bankleute. Deshalb sind wir in diese Krise gerutscht, die wir erst bemerkt haben, als alles im Dreck saß. Politiker, vor allem die von links der Mitte, werden nicht müde, den Geldsäcken die Schönfärberei vorzuhalten, mit der sie „uns getäuscht haben“.

Es gibt in den Augen unserer Politiker aber noch etwas, das weit verachtungswürdiger ist, als uns nicht die Wahrheit zu sagen, nämlich, uns die Wahrheit zu sagen. Wie bitte? Doch, doch: „Er hätte einfach mal die Klappe halten sollen“, schnaubte Renate Künast dem Josef Ackermann dieser Tage ins Gesicht. Was der vielgehasste Mann Böses gesagt hat? Nun, Griechenland (das nach Auffassung der allermeisten Deutschen schlicht pleite ist) sei seiner Auffassung nach schlicht pleite, das hat er gesagt. „Unverantwortlich“ sei das, donnert es ihm von allen Seiten entgegen. Mit solchen Aussagen „verunsichere“ er die Märkte. Da loben wir uns doch die US-Ratingagenturen, die den Märkten hinsichtlich Lehman Brothers und Co. jahrelang ein beruhigendes Schlaflied sangen. Dass die Markthalle lichterloh brannte, merkten wir erst, als die Flammen auf deutsche Sparkonten übergesprungen waren.

So macht man das als verantwortungsbewusster Geldakrobat, Herr Ackermann! Also halten Sie bitte den Rand, wir verbitten uns jede weitere Beunruhigung.

Ach ja, Ruhe ... einfach schlafen gehen und alles wird gut, das wär’s. Wünschen wir uns nicht jeden Tag, dass wir das ganze Zeug nur träumen? Wenn wir träumen, dann jedoch bitte nur das Richtige, warnen uns wohlmeinende Fachleute, die einen ganz fatalen Traum ausgemacht haben: Die Hälfte der Deutschen wünscht sich laut Allensbach-Umfrage die D-Mark zurück. Das sei gefährliches Wunschdenken, mahnen uns die Verantwortlichen. Der Euro sei nämlich „unumkehrbar“, an ihm hänge gar unser „Schicksal“. Anders gesagt: Wir sind im Euro gefangen, die Schlüssel haben sie weggeworfen. Schon deshalb sollen wir uns und die Märkte mit aller Macht beruhigen. Es ist die Ruhe desjenigen, der alle Hoffnung fahren ließ, weil er schon auf dem Schafott steht. Manche Beobachter vergleichen die Appelle für den Kampf um den Euro gar mit den Durchhalteparolen der letzten Kriegstage: Weitermachen! Es kann doch nicht alles umsonst gewesen sein!

Ein US-Ökonom warnt zudem, dass man den Euro nicht einfach so abwickeln könne, weil so etwas in Demokratien erst monatelang oder länger öffentlich diskutiert werden müsse. In der Zeit würde alles aus den Fugen geraten, was aus den Fugen geraten könne.

Da merkt man, dass der Mann Amerikaner ist. Bei uns wird nur Klimperkram öffentlich verhandelt. In der Tradition von Europas absolutistischen Monarchen und schneidigen Diktatoren erörtern unsere Führer die wirklich wichtigen Sachen ganz unter sich. Über das 750-Milliarden-Umverteilungsmonster wurde daher in (oder gar mit) der Öffentlichkeit keine lumpige Sekunde lang gesprochen. Die Deutschen erfuhren abends aus den Nachrichten, dass ihr Geld ab sofort allen gehört.

Im Bundestag waren einige Politiker dann allerdings ein biss­chen verlegen deswegen. Musste denn jedem Hanswurst so dick aufs Brot geschmiert werden, dass das Parlament, das sich in endlosen Sitzungen über die Freigabe von ein paar läppischen Millionen zerfleischt, bei 750 Milliarden keinen Pieps zu sagen hatte außer „Ja“?

Schnell musste irgendetwas gefunden werden, das man „energisch fordern“ konnte, um den (zutreffenden) Eindruck von der eigenen Bedeutungslosigkeit in dieser Frage zu kaschieren. Man fand die „Transaktionssteuer“ und schleppte sie solange als demokratische Trophäe durch den Reichstag, bis auch die Kanzlerin ihren Hut zog und zustimmte. „Die haben wir durchgesetzt“, prahlen jetzt alle, auch die, die eigentlich dagegen waren.

Bei dem 750-Milliarden-Poker habe sich die französische Position „zu 95 Prozent“ durchgesetzt, jubelt Nicolas Sarkozy. Um das hinzukriegen, hat der Franzosen-Präsident die deutsche Kanzlerin regelrecht vor die Kanone gebunden und mit der Lunte gefuchtelt, petzen spanische Zeugen: Wenn Merkel dem Paket, das hauptsächlich zulasten der Deutschen gehen wird, nicht zustimme, dann würde Frankreich den Euro verlassen, soll er gedroht haben. Eine Margret Thatcher an Merkels Stelle hätte dem Franzosen da nur noch kühl „good bye“ gewünscht. Angela Merkel gab ihm, was er wollte. Für uns Deutsche ist der Euro eben „unser Schicksal“, für die Franzosen ist es bloß „unser Geld“.

Und davon kann man sich so viel nachdrucken wie man lustig ist. Die Mittelmeervölker sind legendär lustig, was sich auch in ihren flimmernden Währungen niederschlägt, hießen sie nun Escudo oder Drachme, Lira, Peseta oder Euro.

Die Deutschen müssen sich an all das erst noch gewöhnen, ihre eigenen Gelddruckereien liefen normalerweise ganz sachte im Gleichklang mit dem Wirtschaftswachstum. Sie können nicht vergessen, wie schnell ihr Geld in der Hitze rasender Druck­maschinen zweimal verdunstet ist.

Um ihnen die Gewöhnung zu erleichtern, haben sich die Herren des Euro eine besonders raffinierte Therapie ausgedacht: Ab Herbst 2011 soll Bundesbankchef Axel Weber an die Spitze der Europäischen Zentralbank rücken. Damit bekäme die windelweiche Währung ein stahlhartes Gesicht. Tarnen und Täuschen gehört halt zum Geschäft. Die Deutschen wird das gewiss beruhigen, die Märkte vielleicht auch – für ein paar Tage zumindest.

Was aber noch besser ist: Weber, der als störender Hartwährungsfalke bereits überall aneckt, müsste bis zu seiner Wahl Kreide fressen, damit er „konsensfähig“ bleibt. Damit bliebe der nervende Teutone solange geknebelt, bis die Weichspülung abgeschlossen ist. Wenn er dann auf dem Stuhl von Jean-Claude Trichet Platz nimmt, ist sowieso alles gelaufen. Der Deutsche darf dann für Sarkozys 95 Prozent den Kopf hinhalten und „die Märkte beruhigen“, denn im EZB-Rat haben die Weichspüler bekanntlich die Mehrheit.

In Deutschland ist jedem vernünftigen Menschen klar, dass wir Schulden haben und kräftig sparen müssen. Das predigt nicht bloß die Kanzlerin. Überall soll gekürzt werden, da sind sich alle einig, das heißt, wie immer: überall, nur nicht bei mir und den Dingen, die mir wichtig sind. Aber das Problem ist nicht neu und wird die politische Führung in Berlin kaum umwerfen. Etwas anderes hingegen könnte Ungemütlichkeit auslösen: Was, wenn die Deutschen nicht nur wissen wollen, wovon gespart werden soll, sondern auch, wofür? Kühle Rechner erwarten, dass der deutsche Staat bald schon spürbar höhere Zinsen zahlen muss für seine Schulden, weil seine Bonität unter den vielen Rettungspaketen für unsere europäischen Freunde leidet. Das kostet Milliarden.

Im Klartext: Die deutschen Schulen vergammeln weiter, die deutschen Straßen verrotten noch mehr und für die Kitas ist auch kein Geld mehr da, weil sich das EU-Land X oder Y auf unsere Zinskosten verschuldet? Wie die Deutschen wohl auf diese Nachricht reagieren? „Klar doch, wir sind gute Europäer. Und da Europa für uns Deutsche Schicksal bedeutet und für die anderen Geld, nehmen wir das Schicksal an, den anderen unser Geld zu geben.“ So wäre es allen recht und der Euro könnte weiter sein Werk tun.

Doch immer mehr Deutsche haben es bedrückenderweise satt, allen recht zu sein. Machen sie mit dieser Haltung ernst, könnten sie die gesamte Idee des Euro unterminieren. Daher bedarf es noch viel mehr Aufklärungsarbeit im Sinne der europäischen Solidarität: Alle verantwortungsbewussten Europäer müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Deutschen nie erfahren, was wirklich mit ihnen gespielt wird. Dafür sollten wir Leute wie den Ackermann allerdings schnell in den Keller sperren, bevor der uns nochmal „beunruhigt“.


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