26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.05.10 / Pionier der biologischen Psychiatrie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-10 vom 29. Mai 2010

Pionier der biologischen Psychiatrie

Ähnlich wie die Vogelgrippe ging vor wenigen Jahren auch das Thema Rinderwahn intensiv durch die Medien. Dabei interessierten die Menschen weniger erkrankte Kühe und Schafe als die Infektionsgefahr für sie selber. Im Falle von Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE), so die wissenschaftliche Bezeichnung des Rinderwahns, gilt mittlerweile als sicher, dass der Erreger beim Menschen die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) mit ihren vergleichbaren Symptomen auslösen kann. Allerdings besteht kein Automatismus. Nicht jeder der BSE-Fleisch isst, erkrankt an CJK, und nicht jeder der an CJK erkrankt, hat vorher BSE-Fleisch gegessen.

Auch sonst ist die bislang unheilbare Krankheit erst in Ansätzren verstanden. Erst im 20. Jahrhundert wurde sie von den beiden deutschen Neurologen Hans-Gerhard Creutzfeldt und Alfons Maria Jakob entdeckt. Zu Recht wird die spongiose Encephalopathie seit 1922 Creutzfeldt-Jakob- und nicht umgekehrt Jakob-Creutzfeldt-Krankheit genannt, denn der vor 125 Jahren, am 2. Juni 1885, im damals preußischen Harburg geborene Arztsohn war mit seinem Schritt an die Öffentlichkeit um ein Jahr schneller als sein hamburg-bayerischer Kollege.

Im Jahre 1920 beschrieb Creutzfeldt erstmals die Krankheit. Sieben Jahre zuvor hatte er als Mitarbeiter der von Alois Alzheimer geleiteten Breslauer Universitäts-Nervenklinik an einer dortigen Patientin das klinische Bild und die pathologischen Veränderungen im Gehirn durch die bis dahin unbekannte Krankheit erforscht.

Noch im Jahr der Veröffentlichung seiner Forschungserkenntnisse wechselte er als Assistenzarzt an die psychiatrisch-neurologische Klinik in Kiel, wo er sich habilitierte. 1924 wechselte er an die entsprechende Klinik der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität in der Charité, wo er als Oberassistenzarzt wirkte und das hirnanatomische Laboratorium leitete. 1938 schließlich kehrte er nach einem Ruf auf den psychiatrisch-neurologischen Lehrstuhl der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und an die Spitze der dortigen Nervenklink in die Stadt an der Förde zurück.

Politisch wird der Marinesanitätsoffizier des Ersten Weltkriegs den Deutsch-Nationalen und Nationalkonservativen zugerechnet. Wie bei vielen Angehörigen dieses Personenkreises war sein Verhältnis zum Dritten Reich ambivalent und das zum anschließenden Besatzungsregime gespannt. Die britische Besatzungsmacht ließ es zwar zu, dass er der erste Nachkriegsrektor der CAU wurde, nahm ihm dieses Amt allerdings bereits ein halbes Jahr später mit der Begründung, dass er zu viele als belastet Eingestufte zu Dozenten und zu viele Ex-Wehrmachtsoffiziere zu Studenten gemacht habe.

Als Leiter der Nervenklinik konzentrierte sich Creutzfeldt in seinen letzten Amtsjahren darauf, wieder einen geregelten Betriebsablauf einzurichten und kriegszerstörte Bauten wiederherstellen zu lassen. Nach der Emeritierung 1953 zog er nach München um, wo er im Auftrag der Planck-Gesellschaft forschte und am 30. Dezember 1964 verstarb.  Manuel Ruoff


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren