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29.05.10 / Wie Chemnitz seinen Namen zurückbekam

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-10 vom 29. Mai 2010

Wie Chemnitz seinen Namen zurückbekam

Genommen wurde Chemnitz sein Name im Jahre 1953. Vor 57 Jahren beschloss die DDR-Regierung die Bezirkshauptstadt nach Karl Marx zu benennen. Unabhängig von der Frage, wie man zu Karl Marx und seiner Lehre steht, war die Umbenennung schon insofern willkürlich, als es überhaupt keinen besonderen Bezug zwischen dem Mann und der Stadt, die nun seinen Namen tragen sollte, gab. Das wird auch bei der Begründung deutlich, die der damalige Ministerpräsident der DDR Otto Grotewohl beim Festakt gab: „Die Menschen, die hier wohnen, schauen nicht rückwärts, sondern sie schauen vorwärts auf eine neue und bessere Zukunft. Sie schauen auf den Sozialismus. Sie schauen mit Liebe und Verehrung auf den Begründer der sozialistischen Lehre, auf den größten Sohn des deutschen Volkes, auf Karl Marx. Ich erfülle darum hiermit den Beschluss der Regierung. Ich vollziehe den feierlichen Akt der Umbenennung dieser Stadt und erkläre: Von nun an trägt diese Stadt den stolzen und verpflichtenden Namen ,Karl-Marx-Stadt‘.“

Die erste bekannt gewordene und dokumentierte Rückbenennungsforderung erfolgte am 25. Oktober 1989 auf einer Tagung der Stadtverordnetenversammlung durch den Verordneten der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) Klaus Herrmann. Noch war unklar, wie die Staatsmacht reagieren würde. Erst als am 9. November 1989 die Mauer fiel, wurde der künftige Weg sichtbar und damit wurden viele Menschen mutiger.

Am 25. November 1989 gründeten die Friseurmeisterin Kerstin Morgenstern mit dem Maler und Grafiker Frank Werner Heine den Verein „Für Chemnitz“, dem sich bald der Türmer der Schlosskirche Stefan Weber, der Schriftsetzer Olaf Höfler, der Lehrer Günter Klaus, der Ingenieur Heiner Matthes und der Fernmeldemechaniker Claus Modaleck anschlossen. Sie verteilten mit anderen Sympathisanten 150000 Flugblätter und erhielten daraufhin 43000 zustimmende Zuschriften. Am 10. Dezember berichtete die bis dahin von der SED gelenkte Presse erstmals von der Initiative. Drei Tage später gab der Bürgermeister vor der Stadtverordnetenversammlung bekannt, dass sich 900 Einwohner mit dem Umbenennungswunsch an ihn gewandt hatten. Am 1. Januar 1990 schloss sich die Chemnitzer Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP), die sich später mit der SPD vereinte, der Rückbenennungsforderung von „Für Chemnitz“ an.

Nach der Volkskammerwahl am 18. März 1990 bereitete die Stadt eine Volksabstimmung über die Umbenennung vor. Am 23. April fand sie statt. Ausgezählt wurde ausgerechnet in einem Stasi-Anwesen, genauer: im Speisesaal von deren Bezirksverwaltung. Am Nachmittag wurde das Ergebnis bekanntgegeben: Von den 191139 Bürgern, die sich an der Abstimmung beteiligt hatten, votierten 145527 für den Namen „Chemnitz“, das sind 76,1 Prozent.

Trotz eines Schreibens der Stadtverordnetenversammlung vom 2. Mai 1990 an Ministerpräsident Lothar de Maizière mit der Aufforderung, die Umbenennung nun zu vollziehen, geschah von dieser Seite nichts, so dass die Stadtverordnetenversammlung am 1. Juni 1990 den Volkswillen selbst umsetzte und Chemnitz seinen Namen zurückgab.            Hans Lody


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