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29.05.10 / Gerufene, nicht Eroberer / Karpatendeutsche bildeten einst die Führungsschicht der slowakischen Städte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-10 vom 29. Mai 2010

Gerufene, nicht Eroberer
Karpatendeutsche bildeten einst die Führungsschicht der slowakischen Städte

Zu den kleineren unter den deutschen Landsmannschaften zählt die karpatendeutsche. 5405 Deutsche bilden 2001 gerade einmal noch 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung der Slowakischen Republik. Wie in so vielen Vertreibungsgebieten war die deutsche Volksgruppe einst viel stärker. So bildeten 1880 rund 225000 Deutsche über neun Prozent der Bevölkerung des heutigen Staatsgebietes.

Die Karpatendeutschen kamen nicht als Invasoren in die Slowakei, sondern wurden ob ihrer Fähigkeiten von den dortigen Herrschern gerufen. Seit dem ersten König Ungarns, dem Heiligen Stephan (1000–1038), wurden Deutsche als Fachleute in das Land gerufen. Bergleute, Handwerker und Kaufleute gehörten dazu, aber auch Ritter und Geistliche. Ein erhöhter Bedarf ergab sich nach dem Mongoleneinfall von 1241. Ihren Höhepunkt erreichte die Besiedlung dann im 14. Jahrhundert. Die Zahl der Deutschen in der mittelalterlichen Slowakei wird auf etwa 250000 geschätzt. Bei einer angenommenen Gesamtbevölkerung von um die eine Million wäre das ein Viertel. Dabei war die gesellschaftliche Bedeutung noch größer, bestand doch bis zum Ende des Mittelalters die Führungsschicht aller slowakischen Städte ganz überwiegend aus Deutschen.

An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit war der Höhepunkt jedoch bereits überschritten. In der Zeit der Hussiten- und Türkenkriege und später durch die Magyarisierung wurde die Zahl der Deutschen stark vermindert. Vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1945 lebten auf dem Gebiet der Slowakei „nur“ noch etwa 150000 Deutsche. Die meisten von ihnen wohnten in den drei Siedlungsgebieten Großraum Preßburg, Hauerland und Zips.

Bereits im Habsburgerreich waren die Karpatendeutschen Diskriminierungen ausgesetzt, und zwar durch die Ungarn, deren Stellung in der Donaumonarchie durch den „Ausgleich“ von 1867 auf Kosten der Österreicher gestärkt wurde. So wurde an allen deutschen Schulen die deutsche Unterrichtssprache abgeschafft.

Der Ausgang des Ersten Weltkrieges hatte zur Folge, dass die Karpatendeutschen es nun statt mit den Ungarn mit den Slowaken als dominierendem Staatsvolk zu tun hatten. Das war für die Karpatendeutschen nicht unbedingt ein schlechter Tausch. So wurde den nationalen Minderheiten das Recht auf eigene Schulen, Vereine und Presse gewährt. Noch besser wurde das Los der Karpatendeutschen, als sich die Slowakei 1939 von der Tschechei löste und ein Verbündeter des Deutschen Reiches wurde.

Wie die anderen Deutschen in Ostmitteleuropa wurden auch die Karpatendeutschen nach der Eroberung durch die Rote Armee mehrheitlich aus ihrer angestammten Heimat vertrieben. In Deutschland gründeten sie dann den Hilfsbund karpatendeutscher Katholiken und das Hilfskomitee für die evangelisch-lutherischen Slowakeideutschen. Diese initiierten dann 1949 die Gründung der Karpatendeutschen Landsmannschaft mit Sitz in Stuttgart. Ihr steht mittlerweile in der Heimat ein Karpatendeutscher Verein mit 4800 Heimatverbliebenen gegenüber.          Manuel Ruoff


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