29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.05.10 / Schiff der Verstoßenen / Belgierin recherchierte Geschichte eines besonderen Flüchtlingsschiffes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-10 vom 29. Mai 2010

Schiff der Verstoßenen
Belgierin recherchierte Geschichte eines besonderen Flüchtlingsschiffes

Américo dos Santos, Johann Albert Spielweck, Hans Adolf Spieweck, Gustav Buchholtz, Hans Henning von Cossel, Irène van Leeuwen und Jaques Padawer sind die Protagonisten in „Das Schicksalsschiff – Rio de Janeiro–Lissabon–New York 1942“. Sie sind alle keine bekannten Persönlichkeiten, aber auch keine fiktiven Romanfiguren, denn die Belgierin Rosine de Dijn hat die Geschichte des Schiffes „Serpa Pinto“ recherchiert und eine wichtige Fahrt im Jahr 1942 zum Mittelpunkt ihres Buches gemacht. Es geht um eine Tour im Jahr 1942, als der portugiesische Luxusdampfer in Rio de Janeiro mit Ziel Lissabon startete. An Bord waren zahlreiche deutschstämmige Brasilianer, die entweder überzeugte Anhänger der Nationalsozialisten waren und deswegen gen Deutschland zogen oder die den zunehmenden Repressionen wegen ihres Deutschtums entgehen wollten.

Die Autorin hat die Geschichte einiger Familien, die damals ihr Heimatland verließen, gut recherchiert. Sie beschreibt, wie sich die Zuwanderung aus Deutschland im 19. Jahrhundert entwickelte, deutsche Zuzügler eigene Dörfer gründeten und das Land urbar machten. Zwischen zwei und fünf Millionen bekennende Deutschbrasilianer lebten Ende der 1930 Jahre in dem südamerikanischen Land. Heute geht man davon aus, dass etwa zwölf Millionen Brasilianer zumindest teilweise deutsche Vorfahren haben. Inzwischen ist ihr Bezug zu Deutschland marginal, doch damals verfolgten viele von ihnen die Entwicklungen in Deutschland. Auch dort entstanden Ableger der NSDAP. Einige waren sogar glühende Hitlerverehrer.

Doch diese Verehrung wurde der brasilianischen Regierung zu viel. Sie wollte, dass sich die Deutschbrasilianer mehr als Brasilianer fühlen denn als Deutsche. Und so wurde Druck auf die Volksgruppe ausgeübt, was jedoch bei einigen statt zur Integration zur größeren Isolation führte. Deutschbrasilianer, deren Großeltern eingewandert waren und die nie selbst Deutschland kennengelernt hatten, begannen, das Land zu verklären und sich danach zu sehnen. Woraufhin die brasilianische Regierung die neu entstandene Hitlerjugend gleich wieder auflöste, deutsche Betriebe enteignete und die deutsche Sprache in der Öffentlichkeit verbot. Als dann auch noch einige Deutsche mit Beginn des Zweiten Weltkrieges interniert wurden, entschieden sich unter anderem die Familien Spieweck, von Cossel und Buchholtz das Land mit der „Serpa Pinto“ zu verlassen.

Derweil flüchteten belgische Juden über Frankreich nach Portugal, um von dort aus in die USA zu reisen. Die Autorin schildert die aufreibende Flucht einiger Familien. Doch leider spiegelt ihr an den einzelnen Biographien haftender Erzählstil die Dramatik der Ereignisse ungenügend. De Dijns Ausführungen ähneln zu sehr einem Band, in dem in einzelnen Kapiteln verschiedene Familienschicksale dokumentiert werden. Hätte sie die verschiedenen

Schicksale literarischer und parallel erzählt, anstatt sie nach und nach anzuführen, hätte der Leser noch viel deutlicher die Unsinnigkeiten der aufgezwungenen Fluchten der absolut unterschiedlichen Personengruppen erkennen können. Unter dokumentarischen Gesichtspunkten hat die Autorin jedoch mit „Das Schicksalsschiff“ eine gute Recherchearbeit abgeliefert.             Rebecca Bellano

Rosine de Dijn: „Das Schicksalsschiff – Rio de Janeiro–Lissabon–New York 1942“, DVA, München 2009, geb., 268 Seiten, 19,95 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren