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29.05.10 / Glaube und Zivilcourage / Bischof Gerhard Ludwig Müller über Bonhoeffer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-10 vom 29. Mai 2010

Glaube und Zivilcourage
Bischof Gerhard Ludwig Müller über Bonhoeffer

Der katholische Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, ist nicht nur ein führender katholischer Dogmatiker, sondern auch Bonhoeffer-Experte. Er hat 1977 bei Karl Lehmann über Dietrich Bonhoeffers Theologie der Sakramente promoviert. Nun hat er ein Buch über den evangelischen Pfarrer und Widerstandskämpfer vorgelegt. Der Band bietet eine hintergründige und gut lesbare Einführung in Bonhoeffers Leben bis zum Martyrium im KZ Flossenbürg 1945 und in seine Theologie.

Müller zeigt Konvergenzen und Differenzen zwischen Dietrich Bonhoeffer und der katholischen Theologie auf und erschließt den evangelischen Theologen als ökumenische Märtyrergestalt, der die verbrecherische Nazi-Ideologie schon früh als wahrhaft antichristlich bekämpfte. Zwei Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch: Welchen Einfluss hatte die katholische Theologie auf das Denken und die Frömmigkeit Bonhoeffers und wie kann das Christentum in der modernen Welt bestehen?

Vieles Überraschende an Bonhoeffer wird verständlich, wenn Müller dessen Aufenthalte in Barcelona, Rom, New York und London als prägend für die persönliche und theologische Entwicklung des evangelischen Geistlichen herausarbeitet.

Als Mitglied der Bekennenden Kirche führte sein Widerstand gegen das NS-Regime bereits 1936 zum Lehrverbot für die Universität, 1941 erhielt er Druck- und Veröffentlichungsverbot, 1943 wurde er inhaftiert, 1945 ermordet.

Aus seiner Theologie heraus wird Bonhoeffer ideologiekritisch: „Indem er aus dem Ursprung des Christlichen denkt und handelt, deckt er den unüberbrückbaren Widerspruch von theologischer und ideologischer Weltsicht auf.“ Sehr präzise zeichnet Müller nach, wie Bonhoeffer mit theologischen Argumenten die Nazi-Ideologie verwirft. Im Blick auf den Antisemitismus und Rassismus der Nazis argumentiere Bonhoeffer nicht von einem „allgemeinen Standpunkt der Humanität, den er nicht gering achtet, sondern als Theologe“.

Müllers Darlegung widmet sich besonders dem Verständnis der Theologie selbst, der Kirche und der Sakramente, der Theologie des Amtes, der Ethik der Verantwortung und dem des Gebets bei Bonhoeffer. Theologie sieht Bonhoeffer als „Dienst an der Selbstverständigung des Glaubens“, die „auf der fundamentalen, spekulativ unableitbaren, praktisch unerzwinglichen Tatsache des Glaubens an die Offenbarung Gottes in Jesus Christus“ beruht.

Eine ohne Gott vermeintlich mündig gewordene Welt und das religionslos gewordene Christentum entlarve Bonhoeffer als „Selbstfixierung des Menschen“ und erkenne dies als „Herausforderung für das Christentum und den Glauben“, der er sich bis zum Tod gestellt hat. Der Autor unterstreicht, dass die Nachfolge für Bonhoeffer auch den „Gedanken der Nachfolge im Leiden“ beinhaltet und macht deutlich: „Glaube und Zivilcourage … sind für ihn keine hohlen Worte, sondern Koordinaten seiner Existenz.“

Der vorliegende Band bietet eine ansprechend gestaltete, gut lesbare und inhaltlich gediegene Einführung zu Dietrich Bonhoeffer und seiner Theologie.         Jürgen Henkel

Gerhard Ludwig Müller: „Dietrich Bonhoeffer begegnen“, Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2010, kartoniert, 160 Seiten, 12,90 Euro


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