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29.05.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-10 vom 29. Mai 2010

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Richtige Feinde / Wie wir George W. Bush vermissen, warum Angela Merkel Roland Koch vermisst, und wieso die FDP unser letzter Trost ist

Jede Epoche backt sich die Persönlichkeiten, die sie benötigt, sagt man. Soll heißen: So wie die Umstände stehen, so sind auch die Führungskräfte, die unter ihnen nach oben kommen. In dieser Weisheit steckt noch etwas drin vom Kyffhäuser-Glauben. Wenn es richtig kracht und alles zerbröselt, dann kommt der beste aller Kaiser, Friedrich Barbarossa,  aus seinem Berg zurückgeritten und rettet das Reich. So erzählten es sich die Deutschen über viele Generationen.

Die Sage ist in Vergessenheit geraten. Zu Recht, denn in den Jahrhunderten krachte und bröselte es reichlich in deutschen Landen, doch Barbarossa blieb seelenruhig in seinem Berg hocken – wenn er da überhaupt noch sitzt.

Nein, auch heute sind nicht die Regenten am Ruder, die wir gerade bräuchten. Nicht mal in Übersee. Dort müsste jetzt ein ganz anderer im Weißen Haus herrschen. Selten so klar wie heute haben wir die USA als den Welt(wirtschafts)zerstörer ausgemacht, doch wer schwingt dort das Zepter? Obama, der von den hiesigen Medien schon vor seiner Wahl selig gesprochen wurde und daher so gar nicht taugt zum globalen Buhmann.

Überdeutlich zeigt sich die historische Fehlbesetzung an der Ölkatastrophe. Seit endlosen Wochen quillt die schwarze Schmiere nun in den Golf von Mexiko, und nichts haben die Verantwortlichen bis jetzt auf die Beine gestellt.

Freunde, wäre das toll gewesen, wenn jetzt Bush noch US-Präsident wäre! Die deutschen Medien würden Purzelbäume schlagen vor begeisterter Entrüstung: „Der Öl-Lobbyist im Weißen Haus lässt seine unfähigen Freunde von der Petroleumindustrie gewähren!“ hätten wir titeln können oder „Warum hält Ex-Öl-Manager Bush seine Hand über BP?“

Glatt aus der Hüfte hätten wir uns umgehend eine Erklärung für das Unerklärliche zusammengeballert: Bush ist schuld, er wollte es nicht anders. Aber Bush ist nicht mehr da, sondern der gute Obama, dem wir unverdrossen den Heiligenschein halten, weil wir uns unmöglich geirrt haben können. Daher darf er weder inkompetent sein noch gar im Bunde mit den Ölmagnaten, die als Spitzenbösewichte der Welt neben Spekulanten und Privatjetfliegern (Klima!) die Schleppe des Fürsten der Finsternis tragen.

Die Parole „Drill, baby, drill!“ hat sich Obama ebenso zu eigen gemacht wie die Auffassung, dass man Guantánamo noch eine Weile braucht und jede totgezockte Großbank mit Staatsgeldern wiederbeleben muss, weil sein Finanzminister und gelernter Wall-Street-Zocker Timothy Geithner seine Freunde nicht im Stich lässt. „Drill, baby, drill!“ bedeutet frei übersetzt: „Bohr nach Öl, was das Zeug hält!“ und ist die neueste Antwort der US-Regierung auf die Energiefrage. Na ja, das Zeug hielt nicht. Und wir können nicht viel mehr draus machen als „betroffen“ und „wütend“ sein.

Das nervt. Ohne richtigen Feind ist das Leben leer und öde. Richtige Feinde werden immer seltener, mit Roland Koch ist noch einer weg. Sogar der „Spiegel“ jammert aufrichtig: „Das wohltemperierte Sowohl-als-auch war ihm ein Graus. Im Gegensatz zu vielen anderen hatte Koch wenigstens eine Linie.“ Und seine Gegner hatten einen, an dem sie sich abarbeiten konnten.

Koch-Hasser zu sein gehörte so sehr zum guten Ton, dass die Nesseln dieser ätzenden Abneigung bis ins Kanzleramt ragten und dort die vulgären Phantasien der Hausherrin zum Blühen brachten. Legendär ist Angela Merkels Versprecher auf dem Wahlparteitag der Hessen-CDU im Dezember 2008: „... werden wir gemeinsam, lieber Roland Kotz Koch, liebe Freunde ...“

Besonders ärgerlich ist die Art des Abgangs, welche die Koch-Fresser unübersehbar zur Weißglut treibt. Mit welcher Wonne hätten sie ihn in irgendeiner Affäre ersäuft oder ganz langsam Stück für Stück politisch geschreddert. Alles nichts geworden: In der Pose des Siegers, der sein Schicksal selbst bestimmt, wirft er uns den Bettel hin. Macht euren Dreck alleene, ich geh Geld verdienen in der Wirtschaft.

Andrea Ypsilanti sieht danach noch ein bisschen kleiner aus. Schwefelspeiend hatte sie sich monatelang um den Stuhl geprügelt, den Koch nun ohne Not und Anstrengung räumt. Selbst Angela Merkel wirkt ein Stückchen magerer. Die CDU-Chefin hatte einiges an List und Energie darauf verwandt, einen weiteren Aufstieg des Hessen zu verhindern. Dass er sie einfach im Ring stehen lässt, damit hatte sie als letztes gerechnet.

Wo sollen die Raufbolde des Landes denn jetzt noch eine Zukunft sehen, wenn selbst in der CDU eitel Harmonie ausbricht, wo sich sogar „Bandidos“ und „Hells Angels“ vertragen wollen? Wir haben den Ausweg entdeckt, den Ort, wo noch richtig zugehauen wird: die FDP! Dort rauscht ein ganzer Haufen Streithähne in die Arena und hackt sich die Augen aus. Da ist richtig Musik drin.

Ex-Parteichef Wolfgang Gehrhardt holte als erster den Schlag­ring raus und zog Nachfolger Westerwelle eins über. Die FDP müsse außenpolitisch „wieder stärker erkennbar“ werden. Bisher habe das noch jeder Außenminister der FDP geschafft. „Das wird auch Guido Westerwelle gelingen, wenn er die Herausforderung annimmt“, so Gehrhardt. Auf Deutsch: Wenn diese Knalltüte Westerwelle nur endlich erwachsen würde, dann könnte sie wenigsten das schaffen, was ja wohl noch jeder gebacken bekommen hat.

Bei dem Kinnhaken hätte er es belassen können, doch Gehrhardt setzte gleich noch einen Tiefschlag hinterher: Deutschland stehe wegen der Euro-Krise vor einem fundamentalen Umbau der EU. „Das birgt für unseren Außenminister eine riesige Chance.“ Soviel Boshaftigkeit hätte man dem biederen Gehrhardt nicht zugetraut. „Riesige Chance“! Wer die Politikersprache entziffern kann, hört heraus, was Gehrhardt wirklich sagen wollte: In dem europäischen Schlammassel wird die trübe Tasse im Außenamt gnadenlos untergehen.

Und wer kennt die Politikersprache besser als Wolfgang Kubicki, der FDP-Chef von Schleswig-Holstein, dem jeder ohne Zweifel abkaufen würde, dass seine Familie in direkter Linie von furcht- wie ruchlosen Seeräubern abstammt. Die feine Art war seine Art nie. „Dass Herr Gehrhardt glaubt, er sei der bessere Außenminister, ist hinreichend bekannt.“ Oha: „Herr Gehrhardt“! Wenn Parteifreunde einander öffentlich nicht mehr mit Vor- und Zunamen nennen, sondern mit Herr oder Frau Sowieso titulieren, dann ist die Eintracht zu Asche zerfallen.

Aufgeschreckt von dem Gemetzel versuchte FDP-Generalsekretär Christian Lindner, die Gemüter zu beruhigen. Er machte alles nur noch schlimmer. In dem Wunsch, seinem Chef den Rücken freizuhalten und gleichzeitig die Rebellen zu besänftigen, barmte er, die FDP werde „im Team geführt“. Lindner wusste offenkundig nicht, was er da sagte: „Im Team geführt“ heißt schließlich nichts anderes als „gar nicht geführt“. Einer muss da sein, der den Hut aufhat, und wenn der ihm zu groß ist, nimmt das Fiasko seinen Lauf. Das ist es, was Gehrhardt sagen und was Kubicki auf keinen Fall hören wollte, jedenfalls nicht vom „Herrn Gehrhardt“.

Dass gut gemeint nicht gut gemacht ist, musste auch Horst Köhler erfahren. Mit einem einzigen Satz zerlegte er den guten Eindruck vollständig, den er bei den deutschen Soldaten in Afghanistan zunächst gemacht hatte. Als sich dem Bundespräsidenten gegenüber kein deutscher Soldat so richtig optimistisch geben wollte, fragte Köhler einen US-Presseoffizier, wie es aussehe am Hindukusch. Der Mann, dessen Job nicht Wahrheit, sondern Propaganda ist, gab sich (Überraschung!) siegesgewiss. Darauf Köhler zu den deutschen Kämpfern: „Und warum höre ich das nicht von Ihnen?“ Wenn es einen Orden für forsche Etappenhengste gäbe, die Soldaten würden ihn dem „Herrn Köhler“ danach gewiss gern umhängen.


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