25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.06.10 / Sparklausur: Es geht ans Eingemachte / Die Bürger müssen sich auf weniger Leistungen oder höhere Abgaben einstellen – oder auf beides

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

Sparklausur: Es geht ans Eingemachte
Die Bürger müssen sich auf weniger Leistungen oder höhere Abgaben einstellen – oder auf beides

Zehn Milliarden Euro soll der Bund allein im nächsten Jahr einsparen. Wo und wie, darüber wird innerhalb der schwarz-gelben Koalition noch heftig gestritten. Sparen wollen alle – außer bei sich selbst. Gegen den Rat der Experten will der Finanzminister selbst Steuererhöhungen nicht mehr ausschließen.

Lange nicht mehr waren FDP und CSU sich so einig. Die in Land und Bund koalitionsverbandelten Dauer-Streithähne machen einträchtig Front gegen einen Feind, der wieder einmal nicht „links steht“, sondern in den eigenen Reihen: Wolfgang Schäuble (CDU).

Der Bundesfinanzminister hat zur Zeit die undankbare Aufgabe, nicht nur das Volk, sondern auch die eigenen Kabinettskollegen auf strikten Sparkurs einzuschwören. In den kommenden Jahren muss das Haushaltsdefizit, sprich die Neuverschuldung, um jeweils zehn Milliarden Euro heruntergefahren werden.

Schäuble, neben Angela Merkel dienstältestes Kabinettsmitglied, befürchtet offenbar, dass allein Ausgabenkürzungen in dieser Größenordnung nicht durchsetzbar sein werden. Um sich dem Fernziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts zu nähern, will der Minister darum Steuererhöhungen grundsätzlich und für alle Zeiten „nicht ausschließen“.

Doch dagegen steht nicht nur der Rat der Wissenschaft, die seit langem fast unisono argumentiert, dass unsere Staats- und Steuerquote viel zu hoch ist und die öffentlichen Hände mit ihren Einnahmen durchaus auskommen könnten (siehe Leitartikel auf Seite 1). Auch politisch muss Schäuble mit Widerspruch rechnen. Prompt konterte etwa der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer: „Mit der CSU wird es keine Steuererhöhungen geben, nicht beim halben oder ganzen Mehrwertsteuersatz, nicht bei der Lohn- oder Einkommenssteuer“, versicherte er gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Mit Blick auf die Kabinettsklausur, auf der die Bundesregierung in wenigen Tagen den Sparetat 2011 festzurren will, drohte Seehofer gar, dort „entscheidet sich die Zukunft der Koalition“.

Ganz so weit wollen nun ausgerechnet die Liberalen, an sich die klassische Steuersenkungspartei,  nicht gehen. Zwar meldete Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle sich zurück mit der Anmerkung, mit der FDP werde es „Steuererhöhungen nicht geben“. FDP-Generalsekretär Christian Lindner relativierte das aber bereits mit dem Hinweis, wenn man das System der Umsatzsteuer insgesamt transparenter und widerspruchsfreier machen wolle, gebe es da „an einzelnen Stellen natürlich eine Erhöhung“.

Tatsächlich könnte der Staat durch Erhebung des vollen Mehrwertsteuersatzes, wo bisher der ermäßigte galt, wohl etwa drei Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich einnehmen. Politisch verkaufen ließe sich das als „Abbau von Privilegien für Rennpferde und Flugbenzin“. Doch Vorsicht: So bizarr einige Ausnahmeregelungen erscheinen, die Masse machen sie nicht aus. Die fällt etwa bei den bislang nur reduziert besteuerten Grundnahrungsmitteln an. Hier an der Mehrwertsteuerschraube zu drehen oder gar die bislang ganz befreiten Mieten einzubeziehen hat mit Abbau von Privilegien und Subventionen schlechterdings nichts zu tun.

Echter Subventionsabbau in Milliardenhöhe ist dagegen möglich bei der Förderung alternativer Energieträger, zwei Milliarden pro Jahr wären hier wohl drin. Doch ob Schäuble sich zum Beispiel gegen die überaus starke Solarstrom-Lobby durchsetzen könnte, ist eher unwahrscheinlich. So bleiben für den dickeren Brocken des Zehn-Milliarden-Pakets nur Ausgabenkürzungen wie die Einschränkung von staatlichen Leistungen.

Als der scheidende hessische Ministerpräsident Roland Koch forderte, hier dürfe es keine Tabus geben, kamen sofort die gebetsmühlenhaften Reflexe: Nicht gespart werden darf bei Bildung und Kindern, bei Familien, bei Hartz IV, beim Straßenbau, bei der Sicherheit, bei der Gesundheit und so weiter. Lediglich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg scherte aus der Einheitsfront der Lobbyisten in eigener Sache aus und stellte substanzielle Einsparungen aus seinem in den zurückliegenden Jahren schon oft reduzierten Etat in Aussicht.

Trotz aller ressort-egoistischer Tabuwünsche – am meisten gespart werden kann natürlich da, wo bisher am meisten ausgegeben wird. So rückt der Etat von Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen in den Blickpunkt, denn die Sozialausgaben des Bundes machen mehr als 56 Prozent seiner Steuereinnahmen aus. Allein die 6,7 Millionen Hartz-IV-Bezieher schlagen mit fast 40 Milliarden Euro im Jahr zu Buche. Hinzu kommen zwölf Milliarden für deren Wohnungskosten, die von den Kommunen getragen werden. Will man das Sparziel erreichen, werden hier Eingriffe unvermeidlich sein, auch wenn mit heftigem öffentlichen Widerstand zu rechnen ist.

Wie eng der reale Spielraum ist, um überhaupt noch in anderen Ressorts nennenswerte Spareffekte zu erzielen, zeigt der Blick auf die Schuldenlast des Bundes. Von unseren 1,7 Billionen Euro öffentlichen Schulden entfallen über 60 Prozent, etwa 1 Billion, auf die oberste Ebene. Dass Schäubles Zinslastquote derzeit bei „nur“ 16,2 Prozent liegt, ist dem niedrigen Zinsniveau zu danken. Insgesamt binden allein Sozialetat und Schuldendienst fast 90 Prozent der Steuereinnahmen. Von den restlichen zehn Prozent aber ist ein Großteil gesetzlich festgeschrieben und kaum veränderbar, zum Beispiel Personalkosten und Pensionsverpflichtungen.

So werden sich die schwarz-gelben Koalitionäre auf ihrer Klausur am 6. und 7. Juni von allen Tabus und von den Aufgeregtheiten dieser Tage verabschieden müssen. Und die Bürger müssen sich darauf einstellen, dass alle – die einen mehr, die anderen weniger – künftig auf staatliche Leistungen verzichten müssen.

Denn es geht, um Horst Seehofers Warnung noch einmal zu zitieren, längst nicht mehr um den Fortbestand der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin. Es geht um die dauerhafte Handlungsfähigkeit Deutschlands. Hans-Jürgen Mahlitz


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren