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05.06.10 / Furcht vor der zweiten Welle / Die Deutschen werden wieder pessimistischer, an den Börsen steigt die Nervosität

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

Furcht vor der zweiten Welle
Die Deutschen werden wieder pessimistischer, an den Börsen steigt die Nervosität

Die Politik scheint kopflos, die Erwartungen der Deutschen verfinstern sich, die USA fahren ungestüm mit ihrer gigantischen Verschuldung, staatlich wie privat, fort: Droht nun die zweite Welle der Weltwirtschaftskrise?

Der plötzliche Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler gab den ohnehin nervösen Börsen den Rest. Kräftige Kursrutsche rundeten das Bild einer endlosen Berg- und Talfahrt ab. Selbst die Herabstufung der Bonität Spaniens durch die US-Rating-Agentur Fitch konnte nicht bewirken, was der Eindruck zunehmender Kopflosigkeit der politischen Führung Deutschlands, des wichtigsten Euro-Landes, auslöste.

Die deutschen Normalbürger teilen die Verunsicherung. Entgegen allen Beschwörungen, der Aufschwung nehme Fahrt auf, hat sich die Konsumlaune der Bundesbürger jäh eingetrübt. Der „Konsumklimaindex“ der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) für Juni ist auf 3,5 Punkte gerutscht nach 3,7 im Vormonat. Der GfK-Index gibt Auskunft über die wirtschaftlichen Erwartungen der Deutschen, nach denen sie ihr Konsumverhalten ausrichten.

Und hier nehmen die Sorgen wieder zu. Sie gehen diesmal nicht von wackelnden Banken oder überhitzten Immobilienmärkten in Westeuropa oder Übersee aus, sondern vom atemberaubenden Finanzgebaren der Regierungen. Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins „Stern“ haben 76 Prozent der Deutschen Angst, dass die Staatsschulden nicht mehr bewältigt werden könnten, 14 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Befragung im Februar. Vor Inflation fürchten sich 54 Prozent, zehn mehr als im Februar, 49 Prozent (plus acht) treibt die Sorge vor einem Konjunktureinbruch um.

Immer neue, immer größere „Rettungspakete“ verfestigen den Eindruck, dass die Staaten im Begriff sind, sich zu verheben, dass sie bald am Rande ihrer Möglichkeiten angekommen sind. Was, wenn es zu der befürchteten „Double-Dip“-Rezession kommt, wenn die Konjuktur nach einem kurzen Zwischenhoch, das wir derzeit erleben, noch einmal tief einbricht? Und wenn dann keine Mittel mehr da sind, um staatlicherseits Banken zu stützen, Staaten zu retten und Konjunkturspritzen zu setzen?

Eine solche zweite Welle zeichnet sich am Horizont bereits ab, und die Quelle des zweiten Einbruchs könnte die selbe sein wie bei der ersten: der US-Immoblienmarkt. Schon jetzt spitzt sich die Lage am Markt für US-Gewerbe-Immobilien bedenklich zu. In diesen Monaten werden zudem zahllose Darlehen für Wohnimmobilien angepasst. Viele Amerikaner werden, weil sie höhere Zinsen zahlen müssten oder auch weil sie inzwischen arbeitslos geworden sind, die neuen Kreditkosten nicht mehr stemmen. Bis zum Frühherbst, erwarten Experten, könnte so eine zweite Welle von US-Hauskrediten notleidend werden – zumal Unterstützungsprogramme der US-Regierung für in Not geratene Hausbauer gerade auslaufen.

Die US-Regierung hat bereits angekündigt, wie sie auf weitere Herausforderungen reagieren will – nämlich ganz anders als die Europäer. Während auf dem alten Kontinent die Sparprogramme einander jagen, hat Washington klargemacht, dass es mit der horrenden Verschuldungspolitik nötigenfalls bis 2020 fortfahren würde, um die Konjunktur künstlich in Gang zu halten. Die US-Bürger folgen ihrer Regierung auf den Schuldenpfad: Schon sinkt die Sparquote erneut, das Kaufen auf Pump kommt wieder in Mode.

Dieser Konjunktur-Zombie macht den Europäern eher Angst als Hoffnung. Sie wissen, dass es zu viele Kredite waren, welche die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds führten. Und noch mehr Kredite sollen der Ausweg sein?

Ein Blick hinter die freundlichen US-Konjunkturdaten bestätigt die europäische Skepsis. Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, rechnet vor: Bei einer Neuverschuldung in Höhe von zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und einem negativen Realzins von zwei Prozent erreiche Washington gerade einmal drei Prozent Wirtschaftswachstum. Das heißt: Das Verhältnis von Einsatz (auf Pump) und Erlös beträgt laut Hellmeyer real vier zu eins. (Ein negativer Realzins entsteht, wenn der Zinssatz, hier der Leitzins der Notenbank, zu dem sich die Geschäftsbanken dort Geld leihen können, unterhalb der Inflationsrate liegt.)

Und wie sieht es mit den Sparanstrengungen der Europäer aus? Bislang häufen sich bloß dramatische Appelle und schneidige Pläne. Was davon Wirklichkeit wird, muss sich erst noch zeigen. Euro-Schwergewicht Spanien wird von einer sozialistischen Minderheitsregierung beherrscht, die sich die Zustimmung kleinerer Oppositionsparteien sichern muss, bevor sie etwas umsetzen kann.

Doch die Gewerkschaften des Landes gebärden sich kampfbereit. Insbesondere hinsichtlich der Achillesferse der spanischen Volkswirtschaft zeigen sich die Arbeitnehmervertreter hartleibig: der sklerotische Arbeitsmarkt mit kaum Kündbaren hier und einer wachsenden Schar unterbezahlter Zeitarbeiter und einem gewaltig ausgeweiteten Heer von 20 Prozent Arbeitslosen dort. Dass Spaniens Wirtschaft strukturell weitaus besser aufgestellt ist als die Griechenlands, ändert nichts daran, dass Madrid seinen Arbeitsmarkt gründlich reformieren muss, um eine stabile Perspektive zu bekommen.

Die Kapitalmärkte registrieren all das genau, daher rührt ihre hohe Nervosität. Den „Spekulanten“ wird von der Politik gern vorgeworfen, die Krise durch ihr „verantwortungsloses“ Verhalten immer wieder zu befeuern. Angesichts des furchterregneden Zustands der Staatsfinanzen erscheint das Verhalten der Gescholtenen indes nur folgerichtig. Ebenso wie die deutschen Konsumenten trauen auch die Herren des Börsenparketts den Lippenbekenntnissen der Politik nicht mehr. Hans Heckel


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