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05.06.10 / Wie und warum der Konflikt entstand / Die preußisch-französischen Beziehungen erfuhren im 19. Jahrhundert eine dramatische Wendung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

Wie und warum der Konflikt entstand
Die preußisch-französischen Beziehungen erfuhren im 19. Jahrhundert eine dramatische Wendung

Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze“ – diesem Wort Ernst Moritz Arndts (1769–1860) ging die französische Behauptung voraus, dass der Rhein Frankreichs „natürliche Grenze“ sei. Schaut man sich die Entwicklung der französischen Ostgrenze über die Jahrhunderte bis zur napoleonischen Ära an, so wird man in der Tat feststellen, dass sich diese in der Tendenz immer weiter dem Rhein näherte. Gefördert, wenn nicht gar erst ermöglicht wurde dieser französische Erfolg durch die Uneinigkeit der deutschen Nachbarn beziehungsweise die Schwäche der Zentralgewalt ihres Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). Da diese Zentralgewalt in der Person des Kaisers ab dem 15. Jahrhundert fast ausnahmslos von den Habsburgern gestellt wurde, waren die Habsburger und deren Hausmacht Österreich über Jahrhunderte im Grunde eine Art „Erbfeind“ der französischen Bourbonen. Erschwerend kam hinzu, dass die Habsburger mit den (Habsburgischen/Österreichischen) Niederlanden und den Stammlanden im Elsaß Territorium links des Rheins besaßen.

Preußens Verhältnis zu Frankreich war in diesen Jahrhunderten vor der napoleonischen Ära hingegen entspannt. Der Staat war ostelbisch geprägt und ohne Besitz im Linksrheinischen. Frankreichs Kampf gegen die Zentralgewalt des Reiches deckte sich sogar mit dem Streben der preußischen Hohenzollern nach mehr Handlungsfreiheit gegenüber dem Kaiser.

Die Französische Revolution von 1789 hat dann nicht nur zu einem Gezeitenwechsel geführt, sondern auch zu einem Wandel in den preußisch-französischen Beziehungen. Sie ermöglichte Napoleon Bonaparte den Aufstieg zum Herren Kontinentaleuropas und leitete das Zeitalter der Nationalbewegungen und des Nationalismus ein. Wie viele Nationalbewegungen sogenannter verspäteter Nationen entwickelte sich auch die deutsche unter dem Eindruck und in der Abwehr einer als drückend empfundenen Fremdherrschaft und hatte deshalb zumindest anfänglich eine gegen die Besatzer und deren Nation gerichtete Stoßrichtung. Im Falle der deutschen Nationalbewegung war die prägende Herrschaft die napoleonische und die Stoßrichtung eine antifranzösische.

Maßgebliche Angehörige dieser deutschen Nationalbewegung gab es nicht nur in Preußen, sondern auch in Österreich. Zwei Faktoren schwächten jedoch die deutsche Nationalbewegung im Habsburgerstaat. Zum einen wurde ihr Hass auf Napoleon und dessen Fremdherrschaft in Deutschland von Österreichs Konservativen nicht geteilt, da Bonaparte den Habsburgerstaat vergleichsweise milde behandelte. Zum anderen führte der deutsche Patriot Johann Philipp von Stadion mit seinem 1809 als Leiter der österreichischen Außenpolitik unternommenen Versuch einer gesamtdeutschen Erhebung – Fünfter Koalitionskrieg genannt – Österreich in eine schwere Niederlage. Hiervon hat sich die deutsche Nationalbewegung im Habsburgerreich, deren Exponent Stadion war, im Grunde nie mehr erholt.

In Preußen war das anders. Da Napoleon Preußen vernichten wollte und es entsprechend behandelte, wurde der Napoleonhass der deutschen Patrioten in Preußen von ihren konservativen Landsleuten geteilt. Anders als die 1809 gescheiterten Patrioten in Österreich führten ihre Gesinnungsgenossen in Preußen im Schulterschluss mit den Konservativen und unter maßgeblicher Unterstützung des Zaren ihren Staat in die siegreichen Befreiungskriege von 1813/14, die Preußen und Deutschland von Napoleons Herrschaft befreiten. Von daher hatte die latent antifranzösische deutsche Nationalbewegung in Preußen eine staatstragendere und auch -prägendere Stellung als in Österreich.

Außer der napoleonischen Ära führte auch die nachnapoleonische Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress von 1814/15 zu einer Verschlechterung der preußisch-französischen Beziehungen. Der österreichische Kongresspräsident Klemens von Metternich wollte aus Gründen des Mächtegleichgewichts auf dem Kontinent Frankreich langfristig davon abhalten, den Rhein zu seiner Staatsgrenze zu machen. Er sorgte deshalb dafür, dass neben Bayern vor allem Preußen Gebiete im von Frankreich beanspruchten linksrheinischen Deutschland erhielt. Der kluge Staatsmann nötigte dadurch die beiden nach Österreich größten deutschen Staaten, sich an der Eindämmung Frankreichs zu beteiligen, statt wie in der Vergangenheit mit diesem gemeinsame Sache gegen die deutsche Führungsmacht Österreich zu machen. Da Österreich sich zeitgleich auf Wunsch des Kaisers, der keine schwer zu verteidigenden Exklaven wollte, vom Rhein zurückzog, übernahm Preußen damit die „Wacht am Rhein“ mit allen negativen Implikationen, die das für das Verhältnis zu Frankreich bedeutete.

Belastet wurden die preußisch-französischen Beziehungen jedoch nicht nur durch die neuen linksrheinischen preußischen Gebiete, sondern durch eine darüber hinausgehende starke Westverschiebung Preußens, die den Staat zu einem fast rein deutschen und damit zu einem Hoffnungsträger der deutschen Nationalbewegung machte. Auf dem Wiener Kongress wuchs Preußen „in Deutschland hinein“, während Österreich durch den Verzicht auf deutsche Exklaven zugunsten einer Arrondierung an der Südgrenze „aus Deutschland hinauswuchs“.

Trotz dieser Belastungen des preußisch-französischen Verhältnisses sah Frankreich in klassischer Manier vorerst weiterhin in Österreich den für seine Interessen gefährlicheren deutschen Staat. Immerhin war in dem auf dem Wiener Kongress geschaffenen Deutschen Bund wie weiland im Heiligen Römischen Reich Österreich wieder die Führungsmacht.

Eine Zäsur hat hier der deutsche Bruderkrieg von 1866 dargestellt. Bis dahin hatte der Franzosenkaiser Napoleon III. noch die Preußen unterstützt in der Annahme, dass sie die Schwächeren seien. Um so größer war die Verblüffung, als Preußen den Krieg überraschend schnell siegreich beendete. Die Österreicher erhielten einen milden Frieden, aber aus der deutschen Politik mussten sie sich verabschieden. Der österreichisch dominierte Deutsche Bund wurde aufgelöst und als eine Art Nachfolger wurde der preußisch bestimmte Norddeutsche Bund gegründet. Napoleon III. erkannte: Nicht mehr von Wien, von Berlin ging nun die „Gefahr“ einer deutschen Einigung aus. Vier Jahre später erklärte Frankreich Preußen den Krieg. Manuel Ruoff


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