18.04.2024

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05.06.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

es hat sich viel getan, sehr viel getan, und das erfreut uns alle, denn es zeigt, wie eifrig und genau unsere Kolumne gelesen wird. Sehr genau sogar – da wird auch jeder Patzer registriert und moniert, der schon mal bei der Fülle der vielen und oft sehr schwer zu bearbeitenden Fragen und Wünsche geschehen kann. Aber manchmal hat das auch sein Gutes wie im Falle des Herrn Kretschmann aus Dresden, dessen Suchwunsch ich wiederholen musste, weil ich den Heimatort seines Großvaters – Samlack – nicht richtig einordnen konnte. Und so schrieb ich bei der Neubearbeitung, dass der Fall dadurch vermehrte Aufmerksamkeit erfahren dürfte und somit zum Erfolg führen könnte. Und das ist auch geschehen. Ich erhielt einen Anruf von Frau Waltraut Weber, die mir mitteilte, dass sie Herrn Kretschmann leider nicht erreichen konnte und um eine Vermittlung bat, denn sie habe ihm etwas Wichtiges mitzuteilen. Und das war es auch, denn das elterliche Gut von Frau Weber, Allmoyen, liegt dicht bei Samlack, und so kennt sie nicht nur den Ort, sondern auch eine Familie Kretschmann, die noch heute dort lebt und zu der Frau Weber im wahrsten Sinne des Wortes einen direkten Draht hat, denn sie hat sofort mit den ermländischen Kretschmanns telefoniert, als sie die Suchfrage in unserer Zeitung las. Zweifellos handelt es sich um Verwandte des Suchenden aus Dresden, der – wie ich inzwischen feststellte – keine Ahnung hatte, dass auch heute noch eine Familie Kretschmann in Samlack lebt und nun vollkommen überrascht von dieser Mitteilung war. Zumal, wie ich aus dem Gespräch mit Frau Weber entnehmen konnte, der in Samlack lebende Herr Kretschmann von einem nach Russland verschleppten Verwandten sprach, bei dem es sich um den gesuchten Bernhard Kretschmann handeln könnte. Inzwischen dürfte Herr Kretschmann aus Dresden zu seinem vermutlichen Verwandten Kontakt aufgenommen haben, und wir werden vielleicht schon in der nächsten Ausgabe davon berichten können. Also, lieber Landsmann Helmut H., den ich mit meiner Unkenntnis über den Ort Samlack so enttäuscht hatte – „sonst finden Sie doch immer den kleinsten Flecken auf der Ostpreußenkarte!“ –, lassen Sie den erhobenen Zeigefinger ruhig stehen, vielleicht kommt der Mittelfinger dazu zum V-Zeichen, wenn es hier eine unerwartete Familienzusammenführung geben sollte!

O wie wohl tut ein so lieber und langer Brief, wie ich ihn von Frau Ingrid Nowakiewitsch aus Haiger-Allendorf erhielt. Ich hatte ihr Angebot, interessierten Leserinnen und Lesern eine CD mit dem Ostpreußenlied, das von Chor und Orchester des Wilhelm-von-Oranien-Gymnasiums in Dillenburg nach der Originalpartitur aufgeführt worden war, zukommen zu lassen, in Folge 18 veröffentlicht. Schon in der ersten Woche war die Reaktion erstaunlich, wie Frau Nowakiewitsch schreibt: „Ich habe bereits 30 Aufträge erhalten, manche für mehrere Exemplare. Leider konnte ich so schnell noch keine versenden und musste alle Besteller vertrösten.“ Der Grund: Der Musiklehrer des Gymnasiums hatte ihr noch keine CDs übergeben können, da er beruflich zu sehr belastet war. Inzwischen dürfte das aber erfolgt sein und unser Ostpreußenlied wird in dieser wundervollen Wiedergabe – bis heute die einzige mit Chor und Orchester nach der Uraufführung 1933 in Königsberg – die Interessenten „aus ganz Deutschland, von Lübeck bis München“ erfreuen.

In Frau Nowakiewitsch hat der in der gleichen Nummer veröffentlichte Bericht über einen alten „Holzspalter“, den Frau Ilse Conrad-Kowalski in ihrem alten Elternhaus in Osterode entdeck­te, auch Erinnerungen wach gerufen: „Bei uns zu Hause gab es einen in der Küche. Er hing so hoch an der Wand, dass wir Kinder nicht dran kamen. Mein Großvater hatte ihn nämlich aus einem alten Bajonett hergestellt, so hat es meine Mutter uns Kindern erklärt.“ Überhaupt hat dieser Fund bei unseren Landsleuten großes Interesse erregt. Da das von Frau Conrad-Kowalski beigelegte Foto des Holzspalters leider nicht für den Abdruck geeignet war, hat Herr Konrad Moysich aus Bautzen eine Zeichnung angefertigt, so wie er dieses Gerät in Erinnerung hat. Der Holzspalter hing in der Küche seines Elternhauses am Türrahmen. Das Messer war richtig scharf, und seine Mutter wurde böse, wenn die Kinder daran herumspielten, was ja auch verständlich ist. Mütter von ostpreußischen Landkindern mussten schon wache Augen haben, denn die Entdeckerfreude war groß und das Land weit. Über diese hier veröffentlichte Zeichnung von Konrad Moysich wird sich besonders Frau Ruth Schulz freuen, denn fast zeitgleich kam ihr Wunsch nach einer Abbildung des Holzspalters. „… da wir selbst Holzmacher sind und unser Sohn sich auch für altes Werkzeug interessiert, möchten wir versuchen, diesen Spalter nachzubauen.“ Das können sie nun anhand der Zeichnung von Herrn Konrad Moysich, der für Nachfragen sicher bereit steht. (Wallstraße 2 in 02625 Bautzen, Telefon 03591/41058.)

Frau Ruth Schulz hat aber auch eine Frage, die in den ehemaligen Warthegau führt, und da muss ich die Hilfe unserer Leserschaft in Anspruch nehmen. Im Rahmen ihrer Familienforschung sucht sie Näheres über das Gut Kobierzycko zu erfahren, das etwa zehn Kilometer westlich von Sieraz an der Bahnstrecke nach Kaliz lag. Ihre Großmutter musste hier 1945 neun Monate Zwangsarbeit leisten. Es sollen dort sehr viele Menschen gearbeitet haben, wahrscheinlich auch Flüchtlinge aus Ost- und Westpreußen. Wer kann über dieses Gut etwas Näheres sagen? (Ruth Schulz, Oberstraße 5 in 35789 Weilmünster, Telefon 06475/911723.)

Welch eine Fundgrube unsere Ostpreußische Familie ist, beweist die Suche nach einem Lied, nach dem ich in meinem kulturellen Umfeld vergeblich gefragt hatte. Herr Friedhelm Schülke aus Anklam hatte es einmal gehört und nie vergessen, deshalb wandte er sich an uns, und ich veröffentlichte seinen Wunsch gerne in unserer Kolumne. Und unsere Ostpreußische Familie spurte wie erhofft, denn nun kam eine E-Mail von Herrn Schülke, die ich wunschgemäß an unsere Leserinnen und Leser weitergebe: „Auf meine Suchfrage in der PAZ nach dem schönen Heimatlied ,Willst du in meine Heimat gehen‘ habe ich viele Zuschriften bekommen, sogar aus Heydekrug! Es waren aufschlussreiche Informationen über die Geschichte dieses Liedes darunter. Leider ist es mir nicht möglich, jedem persönlich zu antworten und vor allem zu danken. Das geschieht hiermit ausdrücklich und ganz offiziell in der Ostpreußischen Familie. Vielen herzlichen Dank! Wir wollen versuchen, das Lied ,Willst Du in meine Heimat gehen‘ beim 15. Landestreffen der Ostpreußen in Mecklenburg-Vorpommern am 25. September in der Stadthalle Rostock aufzuführen. Die vielen Zuschriften belegen noch eins: Die Familie der Ostpreußen lebt. Das ist sicher das schönste Ergebnis!“ Für mich auch, lieber Herr Schülke. Viele Grüße nach Anklam und ein ganz besonders herzlicher nach Heydekrug!

Zu dem Gedenkstein für Prinz Friedrich Carl von Preußen in der Rominter Heide, den unser Landsmann Bernd Dauskardt entdeckt hatte, kam ein ausführlicher Bericht von Herrn Wolfgang Reith aus Neuß. Zwar ist ihm auch das genaue Datum der Aufstellung des Steines nicht bekannt, er kann es aber aufgrund seiner fundierten Kenntnisse einkreisen. Kaiser Wilhelm II, ließ ab 1890 den Ort Theerbude ausbauen, der 1897 in „Kaiserlich Rominten“ umbenannt wurde. Es ist durchaus möglich, dass mit dieser Umbenennung auch die Errichtung des Gedenksteines an den 1885 verstorbenen Prinzen erfolgte. Kaiser Wilhelm II. war dafür bekannt, dass er seine Jagd­erfolge gerne auf Steinen dokumentieren ließ, was man auch in der Schorfheide sehen kann. Dort, an einem Gedenkstein-Wanderweg beim Jagdschloss Hubertusstock, gibt es ebenfalls solche Steine und darunter auch einen für Prinz Friedrich Carl. Interessant ist vor allem, was Herr Reith über die Nachkriegsgeschichte des Rominter Gedenksteins zu berichten weiß. Beim Einmarsch der Roten Armee 1945 wurde der Findling umgeworfen, und so lag er dort bis vor wenigen Jahren. Auf Initiative des Schweizer Jägers und Buchautors Dr. Andreas Gautschi wurde der Stein schließlich wieder aufgestellt und restauriert, der Zugangsweg mit jungen Fichten bepflanzt. Dr. Gautschi lebt seit rund einem Jahrzehnt im polnischen Teil der Heide in Wehrkirchen (Szittkehmen) und hat sich um die Restaurierung der Kaisersteine verdient gemacht. Ich danke Herrn Reith für diese Informationen wie auch für seine mir ebenfalls zugesandte Abhandlung über die Rominter Heide als Jagdgebiet von Fürsten und Politikern, die aber nicht für unsere Kolumne bestimmt ist, sondern als Sonderbeitrag konzipiert wurde.

Eine der schönsten Geschichten unserer Ostpreußischen Familie hat nun eine großartige Fortsetzung gefunden: Camille Stein aus Theding in Frankreich ist mit seiner Frau Bernadette in die Heimat seiner verstorbenen Mutter gereist, um dort seine Cousins kennen zu lernen, von deren Existenz er bis vor wenigen Monaten nichts gewusst hat. Er besaß ja überhaupt keine Kenntnisse über die Herkunft seiner Mutter Franziska, weil diese immer darüber geschwiegen hatte. Erst nach ihrem Tode begann er danach zu suchen, weil seine Kinder und Enkel ihn dazu drängten. Aber alle Bemühungen waren vergeblich. Sie scheiterten nicht nur an den Sprachschwierigkeiten, sondern vor allem an der wechselvollen politischen Geschichte ihres Heimatlandes. Franziska Janowski – so der Mädchenname der Mutter – war im westpreußischen Brinsk geboren, verließ aber schon vor dem Ersten Weltkrieg ihre Heimat und ging als blutjunges Mädchen „in Stellung“, wie man damals sagte. In ihren Geburtsort ist sie anscheinend nie zurückgekehrt, hatte wohl auch keinen Kontakt mehr zu den Eltern und ihren 13 Geschwistern, die Weltkriege werden da auch eine Rolle gespielt haben. Denn Franziska Janowski hatte den in Lothringen tätigen Nikolaus Stein geheiratet und blieb in Frankreich bis an ihr Lebensende. Bernadette Stein, die für ihren blinden Mann Camille den Schriftwechsel führte, fand schließlich den Weg zu uns und bat um Hilfe, denn Brinsk sollte „irgendwo im Osten“ liegen. Das stimmt, der Ort heißt heute auf Polnisch „Brynsk“ – so wie auch zwischen den beide Kriegen – und damit war schon einmal der Anfang gemacht. Der nächste Schritt hieß dann: Verwandtensuche! Herrn Steins Großmutter Marianne Janowski war eine geborene Zaporowski, und so veröffentlichten wir diese Namen, wenn auch mit wenig Hoffnung auf Erfolg. Doch der stellte sich prompt ein: Es meldete sich Francek Zaporowski aus dem heute polnischen Hohenstein (Pszczółki) in der Nähe von Danzig, der die PAZ mit unserer Kolumne bei einem Verwandtenbesuch gelesen hatte und nun glaubte, ein Onkel oder Cousin von Camille Stein zu sein. Wir stellten sofort die Verbindung her, und die Vermutung bestätigte sich: Es sind tatsächlich Vettern! Die Überraschung war groß auf beiden Seiten, die Freude vor allem auf der Seite von Bernadette und Camille Stein geradezu überschwänglich.

Und die ist noch nicht verebbt, im Gegenteil: Madame teilte uns mit, dass sich nun dank unserer „wundervollen Intervention“ ihre kühnsten Träume verwirklichen: ein Treffen der Cousins. Die Steins haben einen Wohnwagen gemietet und sind mit ihm nach Polen gereist, haben – wenn alles geklappt hat – dort Ende Mai eine Woche mit den gefundenen Verwandten verbracht. Da Madame von einem Treffen mit „den Cousins“ schreibt, dürften sich außer Francek Zaporowski noch weitere Verwandte gefunden haben. Bernadette wollte uns mit dieser Mitteilung eine Freude machen und wird uns auch weiter von diesem wundervollen Zusammenfinden berichten, das durch unsere Ostpreußische Familie zustande kam. Wir dürfen gespannt sein! Der einzige Wermutstropfen: Camille ist blind und kann so die Heimat seiner Mutter nicht mehr mit den Augen erfassen. Aber er hat in seiner Frau eine liebevolle Interpretin. Und die menschlichen Verbindungen, die trotz aller Grenzen und Sprachschwierigkeiten zustande kamen, sind für Camille Stein am wichtigsten.

Eure Ruth Geede


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