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12.06.10 / Christian der Zehnte / Der Kandidat der Regierung für das Amt des Bundespräsidenten hat sich selbst ins Gespräch gebracht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-10 vom 12. Juni 2010

Christian der Zehnte
Der Kandidat der Regierung für das Amt des Bundespräsidenten hat sich selbst ins Gespräch gebracht

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff soll der zehnte Nachkriegsbundespräsident werden. Die drei Parteivorsitzenden der Regierungskoalition Merkel (CDU), Seehofer (CSU) und Wes-terwelle (FDP) haben sich rasch auf Wulff verständigt und diesen zum Kandidaten des Regierungslagers für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Die Regierungskoalition verfügt über eine ausreichend große Mehrheit in der Bundesversammlung, der es obliegt, den Bundespräsidenten zu wählen. Die Wahl wird am

30. Juni im Berliner Reichstag stattfinden. Wulffs Gegenkandidat bei der Wahl wird der bekannte DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck aus Rostock sein, der von 1990 bis 2000 die Leitung der Stasi-Unterlagenbehörde innehatte.

Christian Wulff ist Jurist. Geboren in Osnabrück am 19. Juni 1959 wird er in der nächsten Woche 51 Jahre alt. Er ist einmal geschieden, Vater eines Sohnes und einer Tochter, die aus der ersten Ehe stammt.

Der Osnabrücker hat eine steile Parteikarriere vorzuweisen. Eintritt in die CDU 1975, 1978 bis 1980 Bundesvorsitzender der Schülerunion, in dieser Eigenschaft Mitglied des Bundesvorstandes der CDU. 1979 bis 1983 Mitglied des Bundesvorstandes der Jungen Union, (JU), 1983 bis 1985 JU-Landesvorsitzender, seit 1984 Vorstandsmitglied der CDU Niedersachsen, 1990 bis 1994 Vorsitzender des Bezirksverbandes der CDU Osnabrück-Emsland. 1994 bis 2008 Landesvorsitzender der CDU in Niedersachsen, seit 1998 stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und seit dem 4. März 2003 niedersächsischer Ministerpräsident.

Wulff ist der letzte aus einer kleinen Schar, die in den 80er Jahren und zu Beginn der 90er Jahre als sogenannte „Junge Wilde“ in der CDU auf sich aufmerksam machten. Zu ihnen gehörten auch Oettinger, Koch, P. Müller, Merz und Pflüger. Alle waren auf der Schiene „Junge Union“ weit nach vorne gekommen. Im sogenannten „Anden-Pakt“ versprach man sich, bei der weiteren Parteikarriere gegenseitig Hilfe zu gewähren und keinesfalls gegeneinander zu kandidieren. Rückblickend gesehen, eine äußerst erfolgreiche Seilschaft.

Nun greift der niedersächsische Ministerpräsident nach dem höchsten Amt in Deutschland. Was qualifiziert ihn für das Amt des Bundespräsidenten? Die Antwort darauf fällt schwer. Er hat in seinen sieben Jahren als niedersächsischer Ministerpräsident nichts Wesentliches bewirkt. Die bei seinem Regierungsantritt in Hannover vollmundig versprochene Haushaltssanierung blieb aus. Er ist nicht ein einziges Mal zum Zeitgeist auf Konfrontation gegangen. Stets freundlich lächelnd, in der Debatte nie zum schweren Säbel greifend, immer vorzüglich gekleidet, so wurde er in der Öffentlichkeit wahrgenommen; für alle Mütter der ideale Schwiegersohn.

Bezüglich seines hessischen Kollegen spielte er fast perfekt die Rolle des Anti-Koch. Für die Wahlniederlage Edmund Stoibers bei der Bundestagwahl 2002 trägt Wulff als CDU-Landesvorsitzender Mitverantwortung. Das Abschneiden der CDU in Niedersachsen war damals ganz miserabel, Stoiber fehlten nur 7000 Stimmen zum Wahlsieg. Ein Freund der deutschen Heimatvertriebenen war Wulff nie. Das skandalöse Verhalten seiner Partei bei der Festschreibung der Enteignung am Ende der DDR hat er mitgetragen.

Wulff hat sich selbst für die Nachfolge Köhlers ins Gespräch gebracht. Der Kanzlerin soll er bedeutet haben, auch von der Fahne zu gehen, wenn Frau von der Leyen an ihm vorbei in das höchste Staatsamt gehievt werde. Schon 2008 gab der niedersächsische Ministerpräsident zu erkennen, dass ihm die rechte Motivation für die Fortführung seines Amtes in Hannover fehle. Er gab den CDU-Landesvorsitz ab und zeigte deutlich mehr Präsenz in Berlin. Man geht sicherlich nicht fehl in der Annahme, dass ihm eine Berufung in das Bundeskabinett bei der Regierungsbildung im Ok­tober 2009 recht gewesen wäre. Wollte er damit seine Kronprinzenrolle für die Merkel-Nachfolge markieren? Er konnte bis zum 31. Mai nicht damit rechnen, dass ihm der Weg in das Schloss Bellevue geöffnet würde.

Noch ist Wulff nicht Bundespräsident. Sollte er gewählt werden, würde nicht zum ersten Mal personifizierte Mittelmäßigkeit in das Präsidentenpalais einziehen. Die Erwartungen an einen möglichen Bundespräsidenten Wulff müssen zwangsläufig bescheiden bleiben. Wilhelm v. Gottberg


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