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12.06.10 / Die Last der Einsätze wiegt schwer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-10 vom 12. Juni 2010

Die Last der Einsätze wiegt schwer

Papa ist in Afghanistan“. Was das für die Familie bedeutet, kann wohl kaum jemand ermessen. Soldatenfamilien sind ohnehin belastet, denn die meisten Soldaten führen eine Wochenendehe. Der Preis ist hoch: Der Vater ist vom Familienleben weitgehend ausgeschlossen und sieht seine Kinder nur am Wochenende aufwachsen. Die Ehefrau muss alle Herausforderungen des Alltags allein meistern, und die Kinder sehnen sich nach ihrem Vater. Geht dieser in den Auslandseinsatz, kommen noch die monatelange Sorge um ihn und die Angst vor Verwundung und Tod hinzu. Viele Kinder schreiben sich in herzzerreißenden Briefen an ihre Väter oder auch einfach nur „an den lieben Gott“ ihre Ängste von der Seele.

Im Einsatz sind nicht alle Fähigkeiten und Dienstgradgruppen gleichermaßen gefragt. So trifft es immer wieder dieselben Feldwebeldienstgrade und jüngere Offiziere. Gerade diejenigen also, die sich in der Familiengründungsphase befinden, unterliegen der höchsten Belastung. Kaum einer von ihnen ist mehr ohne Einsatzerfahrung, und viele von ihnen waren schon mehrfach auf dem Balkan oder in Afghanistan. Froh, die Gefahren überstanden zu haben und oft von schlimmen Erlebnissen geprägt, werden sie nach einiger Zeit wieder „ins Feld“ geschickt. Diese wiederkehrende Belastung geht trotz der Hilfen durch die Familienbetreuungszentren über die Kraft vieler Familien. Hinzu kommt, dass viele Frauen nicht mehr bereit sind, ihre Lebensführung dauerhaft der des Partners unterzuordnen. So beträgt die Trennungsrate von Soldaten etwa 75 Prozent. Die Truppe hat dafür einen zynischen Begriff geprägt: Ohne Bindungen ist der Soldat endlich „bundeswehroptimiert“.            J.H.

 

Zeitzeugen

Karl-Theodor zu Guttenberg – Der erst 38-Jährige Bundesverteidigungsminister brachte die tiefgreifendste Reform in der Geschichte der Bundeswehr ins Gespräch: Aussetzung der Wehrpflicht und Schrumpfung auf 150000 Mann – nun werden es 210000. Auch damit würde die Truppe immer mehr vom Bürgerheer zum Spezialistenverband.

Volker Wieker – Der 56-Jährige folgte im Januar dem im Rahmen der Kundus-Affäre in den Ruhestand vesetzten Wolfgang Schneiderhan als Generalinspekteur der Bundeswehr. Heeresgeneral Wieker kommt die schwere Aufgabe zu, die von seinem Minister gewünschte weitgehende Reform in die Praxis umzusetzen.

Helmut Harff – Der heute 71-Jährige Brigadegeneral a.D. überzeugte als Kommandeur beim ersten „echten“ Bundeswehr-Auslandseinsatz in Somalia 1993/94 ebenso wie beim Einmarsch seiner Kfor-Truppe ins Kosovo 1998. Dabei forderte der Fallschirmjäger einen serbischen Kommandeur auf, in 30 Minuten seine Position zu räumen. Als dieser auf Zeit spielen wollte, herrschte er ihn an: „Die Frist läuft aus. Sie haben noch 28 Minuten. Ende der Diskussion.“ Seitdem gibt es in der Truppe für entschlossenes Vorgehen einen eigenen Begriff: „harffen“.

Ulrich Kirsch – Der Chef des Bundeswehrverbandes, der 58-Jährige Oberst Kirsch, äußerte sich öffentlich „entsetzt“ zu den Plänen seines Verteidiungsministers. Schon die abrupte Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate sei „ohne überzeugende konzeptionelle Grundlage“ erfolgt. Folge Berlin dem Minister, beweise dies, dass der Bundesregierung „ein sicherheitspolitisches Konzept fehlt“.

Jan Berges – Der Hauptfeldwebel ist einer der ersten deutschen Soldaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg für Tapferkeit ausgezeichnet wurden. Nach dem Selbstmordanschlag auf ein deutsches Patrouillenfahrzeug nahe Kunduz am 20. Oktober 2008 barg der 1980 Geborene ungeachtet explodierender Munition und der unklaren Lage seine verwundeten Kameraden aus dem brennenden Fahrzeug und versorgte verletzte afghanische Zivilisten. Als Held sieht Berges sich dennoch nicht.


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