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12.06.10 / Wie Deutschlands Nordgrenze entstand / Vor 90 Jahren wurde die dänische Südgrenze nach einer zweiteiligen Volksabstimmung amtlich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-10 vom 12. Juni 2010

Wie Deutschlands Nordgrenze entstand
Vor 90 Jahren wurde die dänische Südgrenze nach einer zweiteiligen Volksabstimmung amtlich

Obwohl Dänemark am Ersten Weltkrieg nicht beteiligt war, nutzte es die deutsche Niederlage 1918, um die Siegermächte zu bewegen, im historischen Herzogtum Schleswig Volksabstimmungen durchzuführen. Die Sieger, die daran interessiert waren, Deutschland zu schwächen und möglichst viele seiner Nachbarn in dessen Eindämmung einzubeziehen, erfüllten Kopenhagen diesen Wunsch.

„Die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark wird in Übereinstimmung mit dem Wunsche der Bevölkerung festgesetzt“, heißt es in Artikel 109 des Versailler Vertrages. Das Gebiet zwischen der nördlichen Reichsgrenze und der Eider wurde in drei Abstimmungszonen aufgeteilt. Die 1. Zone umfasste das Gebiet von Nordschleswig zwischen der alten Reichsgrenze nördlich von Hadersleben und einer Linie nördlich von Flensburg, die 2. Zone einen Teil Nordfrieslands mit den Inseln Sylt und Föhr und an der Ostseeküste das Zentrum Flensburg, auf das das Hauptbegehren der dänischen Seite gerichtet war. Die zunächst geplante Abstimmung in einer 3. Zone mit den Städten Schleswig und Husum wurde von den Siegermächten fallen gelassen, denn es war absehbar, dass die deutsche Seite hier hoch gewinnen würde. Als Abstimmungstermin wurde für Zone 1 der 10. Februar 1920 festgelegt und für Zone 2 der 14. März desselben Jahres. Bis dahin wurden die Gebiete entnationalisiert. An Stelle der deutschen Verwaltung trat eine Internationale Kommission unter britischer Leitung. Das deutsche Militär musste abrücken und Platz machen für britische und französische Truppen und Kriegsschiffe.

Schnell bildeten sich deutsche und dänische Organisationen, die sich auf die Abstimmungen vorbereiteten, indem sie eine intensive Propaganda trieben und sich bemühten, die in den Gebieten geborenen, aber ausgewanderten Schleswiger zur Abstimmung zurückzuholen, denn das Stimmrecht war an die Heimat und nicht an den aktuellen Wohnsitz gebunden. Dabei hatte es zunächst die deutsche Seite ungleich schwerer als die dänische, litten doch alle Deutschen unter dem verlorenen Krieg. Auch waren manche in Versuchung, der Misere zu entkommen, indem sie sich auf die dänische Seite schlugen. Aber sehr bald schlug die Stimmung der Deutschen um. Resignation verwandelte sich in Trotz. Von überall aus dem Reich trafen Sonderzüge mit Abstimmungsberechtigten in Schleswig ein, begrüßt mit Kundgebungen und Feierstunden. Je näher der Abstimmungstermin kam, umso erregter wurde die Stimmung. In Nordschleswig wie auch später in der 2. Zone, in Mittelschleswig, war das Hauptargument der Dänen, es handele sich um „urdänisches Land“, und in den Adern der ansässigen Bevölkerung fließe „dänisches Blut“, was in der deutschen Zeit lediglich verschüttet gewesen sei. Zu größeren Zusammenstößen zwischen deutsch und dänisch Gesinnten kam es jedoch nicht.

Am 10. Februar, einem kalten und stürmischen Sonntag, gingen die Nordschleswiger zur Abstimmung. Abends stand es fest: Zwar wurden in 41 Gemeinden, darunter in allen größeren Städten der 1. Zone wie Apenrade (Åbenrå), Tondern (Tønder), Hoyer (Højer) und Sonderburg (Sønderborg) deutsche Mehrheiten erzielt, doch wies das Landgebiet eine deutliche dänische Mehrheit auf. Insgesamt entfielen 75431 Stimmen auf Dänemark und 25329 Stimmen auf Deutschland. Im sogenannten schiefen Viereck, einem Gebiet an der Westküste zwischen Tondern, Lügumkloster (Løgumkloster), der Gjennerbucht (Genner Fjord) und Gravenstein (Gråsten), wo ein bodenständiges Deutschtum seit Jahrhunderten besonders stark vertreten war, votierte die Mehrheit für den Verbleib bei Deutschland, was aber bei der neuen Grenzziehung nicht berücksichtigt wurde. Die Siegermächte hatten nämlich festgelegt, dass anders als in der 2. Zone mit dem Zentrum Flensburg, wo die Stimmabgabe gemeindeweise berücksichtigt wurde, in der 1. Zone en bloc abgestimmt wurde.

Nun konzentrierten sich beide Seiten auf die für den 14. März 1920 festgelegte Abstimmung in der 2. Zone. Man war sich nicht sicher, wie sie ausgehen werde. Die Stadt Flensburg war in den Wochen vor der Volksabstimmung in ein Fahnenmeer getaucht – hier die blau-weiß-rote Fahne der schleswig-holsteinischen Erhebung von 1848, dort der Danebrog mit dem weißen Kreuz auf rotem Grund.

Am Tag vor der Volksabstimmung versammelten sich in Flensburg auf dem ehemaligen Exerzierplatz 35000 Menschen, geschmückt mit blau-weiß-roten Schleifen, um, begleitet von vielen Musikkapellen, durch die Straßen zu ziehen. Es war die große Verbrüderung der deutschen Bevölkerung, ob Arbeiter oder Bürger, ob sie immer in Flensburg gewohnt hatten oder ob sie jetzt aus aller Welt in ihren Geburtsort zurückgekommen waren, um bei der Abstimmung ihre Stimme für Deutschland abzugeben. Immer wieder sang die Menge das Schleswig-Holstein-Lied, das 76 Jahre zuvor im Vorfeld der Erhebung der deutschen Schleswig-Holsteiner gegen die dänische Herrschaft entstanden war.

Während im Deutschen Reich der Kapp-Putsch, ein Versuch konservativer Kräfte, die Regierung zu stürzen, ausgebrochen war und an vielen Orten gekämpft wurde, ließen sich die Flensburger von der Unruhe nicht beeinflussen, sondern gingen zur Abstimmung. Und am Abend des 14. März wusste es ganz Deutschland: In der 2. Zone mit dem Mittelpunkt Flensburg hatten sich 51724 für den Verbleib bei Deutschland entschieden, und nur 12800 hatten Dänemark ihre Stimme gegeben.

Das Deutsche Reich schenkte der Stadt Flensburg darauf das repräsentative, für Großveranstaltungen geeignete Deutsche Haus, über dessen Eingangsportal noch heute die Widmung zu lesen ist: „Reichsdank für deutsche Treue“.

Am 15. Juni 1920, also vor 80 Jahren, wurde die neue deutsch-dänische Grenze aufgrund der Abstimmungsergebnisse amtlich. Sie gilt bis heute. Zwei Tage später kehrten die deutschen Truppen in ihre Flensburger Garnison zurück, begrüßt von dem Jubel der deutsch gesinnten Bevölkerung.    

Hans-Joachim von Leesen


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