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12.06.10 / Deutsche als Rebellen? / Gründe für die gewagte These

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-10 vom 12. Juni 2010

Deutsche als Rebellen?
Gründe für die gewagte These

„Die Deutschen sind ein rebellisches Volk, das hinsichtlich seiner Aufstandsgeschichte den Vergleich mit anderen Nationen nicht zu scheuen braucht“; diese überraschende These vertritt Alain Felkel in seinem Buch „Aufstand – Die Deutschen als rebellisches Volk“. Anhand von elf Beispielen aus 2000 Jahren deutscher Geschichte beschreibt der Autor Freiheitskämpfe, Volksaufstände und Revolutionen, die jeweils für die politische Entwicklung bedeutsam waren. In allen Fällen, so unterstreicht er, wurde der Aufruhr von „Rebellen in Geist und Tat“ initiiert, denen es bei ihrer Herausforderung der Obrigkeit um Freiheit und Gerechtigkeit ging. Dafür riskierten sie Leib und Leben, und der Autor macht daher auch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Sache der Revolutionäre, wobei er jedoch sachlich argumentiert.

Ihm liegt daran nachzuweisen, dass der sprichwörtliche „deutsche Michel“, ein etwas trotteliger und spießbürgerlicher Untertan, eben nicht der typische Deutsche war und ist. Mit seinem facettenreichen populärwissenschaftlichen Werk möchte er Interesse für das Handeln von „Recken wie Arminius und Widukind“ und all der anderen wecken, bis hin zum Jahr 1989. Es geht Felkel um nicht weniger als den Versuch, ein anderes, „ein freiheitliches Selbstverständnis im Umgang mit der eigenen Historie und der nationalen Identität herzustellen“. Das ist allerdings in Zeiten der medialen Überflutung denn doch ein zu hoch gestecktes Ziel, das, zumal mit einem einzigen gedruckten Werk, erst gar nicht angepeilt zu werden braucht.

Besonders interessant ist es zu lesen, wer sich in späterer Zeit der Protagonisten – ohne Rücksicht auf deren einstige Absichten und Ziele – bemächtigt hat beziehungsweise in welchem Licht die Nachwelt die Ereignisse sah. So wurde der Sachsenherzog Widukind von Hitlers Chef-Mythologen Alfred Rosenberg zum Blut-und-Boden-Rebellen geweiht. Zwei Jahre später – der „Führer“ wollte mittlerweile den „Ludergeruch des Aufruhrs“ loswerden – korrigierte der Propagandaminister Goebbels diese Sichtweise, indem er erklärte, die Maßstäbe des Nationalsozialismus seien nicht an die gesamte deutsche Geschichte anzulegen; Karl der Große sei schließlich der „Schöpfer der deutschen Reichsidee“. Der Autor selbst bezieht hier noch deutlicher als sonst Stellung, indem er Widukinds Aufstand gegen die Franken wegen deren Zwangschristianisierung der Sachsen mit dem Schwert als „Kampf der Kulturen“ bezeichnet. Für deren „Ringen um die eigene Identität“ mit der Waffe äußert er Verständnis. Ebenfalls wird betont, dass der große Aufstand der slawischen Liutizen zur Zeit der ottonischen Ostexpansion im Jahr 973 den Liutizenstaat (im heutigen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg) immerhin noch 150 Jahre vor der auf „Unterdrückung und Ausbeutung basierenden Unrechtsgesellschaft“ bewahrt habe.

Im übrigen kann man Felkels Erklärung, warum das Kapitel „Im Zeichen der weißen Pferde“ in den thematischen Rahmen gehören soll, obwohl die Aufständischen in diesem Fall Slawen sind, nicht folgen. Hingegen fehlt ein Kapitel über die Befreiungskriege  1813/14. Vielleicht passte es nicht ins Konzept, weil deutsche Fürsten und Könige am Kampf gegen das napoleonische Frankreich beteiligt waren. Die Novemberrevolution von 1918, die in die Republik führte, sei heute vergessen, so der Autor. Es war teilweise eine sozialistische Revolution, und dies habe nicht in das Geschichtsbild gepasst, das im Nachkriegsdeutschland bewusst propagiert wurde: „Im Osten war das natürlich anders, da gab es eine andere Tradierung.“ Mit der friedlichen Revolution der DDR-Bürger endete in Deutschland die „Kette von Aufständen“, glaubt Felkel.   Dagmar Jestrzemski

Alain Felkel: „Aufstand – Die Deutschen als rebellisches Volk“, Lübbe, Bergisch Gladbach 2009, gebunden, 608 Seiten, 22,99 Euro


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