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19.06.10 / Die letzten Deutschen unter Druck / Das Hochwasser in Oberschlesien hat vielen Bauern die Existenzgrundlage genommen – Geringe Entschädigung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

Die letzten Deutschen unter Druck
Das Hochwasser in Oberschlesien hat vielen Bauern die Existenzgrundlage genommen – Geringe Entschädigung

Obwohl Oberschlesien zu den betroffenen Landstrichen der diesjährigen Flutkatastrophe gehört hat, hält sich die Anteilnahme der Bundesdeutschen in Grenzen. Zwar blickt die Nation mit Bangen nach Osten und verfolgt die Berichte von Oder und Weichsel. In erster Linie aber herrschte Erleichterung darüber, dass die Welle nicht nach Brandenburg hinübergeschwappt ist. Dass die Hochburg der Deutschen auf polnischem Territorium betroffen ist, wird in bundesdeutschen Medien nicht thematisiert. Die noch etwa 350000 Personen zählende deutsche Volksgruppe  stellt hier in 25 von 71 Landkreisen den Bürgermeister.

Die Oder ist in ihrem Oberlauf im Mai über die Ufer getreten und hat Teile der Woiwodschaft Oppeln unter Wasser gesetzt. Allein in der Gemeinde Czissek (Cisek) mit 7000 Einwohnern standen 1100 Häuser unter Wasser.

Czissek ist eine ländlich geprägte Gegend mit kleinen Dörfern und vielen Bauernhöfen. Die Einwohner wurden einen Tag vor dem Hochwasser gewarnt, dass eine Flutwelle im Anrollen sei. Zwar konnten die meisten fliehen und das Großvieh mitnehmen, aber die Häuser wurden teilweise stark zerstört und viel Kleinvieh ertrank. Manche blieben auf ihren Höfen im oberen Stockwerk, verbrachten dort drei bis vier Tage, bis das Wasser wieder abgeflossen war. Versorgt wurden sie von der Feuerwehr mit Booten. Todesopfer wie in den schwerer betroffenen Weichselgebieten gab es nicht zu beklagen.

Schlimmer als die vollgelaufenen Keller, die zurückgeblieben sind, wiegt der Verlust der Ernte. Jetzt im Juni begänne die Erntesaison, aber Mais, Weizen oder Zuckerrüben sind nicht zu gebrauchen. Alles ist kontaminiert durch das Hochwasser, das Schmutz und Dreck auf die Felder getragen hat. Ein schwerer Schlag für eine ohnehin arme Region. Die Regierung zahlt den Flutopfern pauschal 6000 Zloty (etwa 1500 Euro). Wer größere Schäden erlitten hat und nachweisen kann, soll bis zu 20000 Zloty (rund 5000 Euro) erhalten. Viel zu wenig angesichts der teilweise großen Schäden, klagen die Bauern.

Der Gedanke, dass Oberschlesien bis heute die Heimat von vielen Deutschen ist, spielt in der veröffentlichten Meinung in Deutschland keine Rolle. Ein Hochwasser „in Polen“ zieht nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich als eines in Italien oder Frankreich. Obendrein werden die Oberschlesier stiefmütterlich von Deutschland behandelt. Obwohl sie seit 2008 deutsche Ortsschilder aufstellen dürfen und in Kindergärten und Schulen seit Jahren Deutschunterricht stark nachgefragt wird, tut die deutsche Seite oft so, als wären die Oberschlesier eine Problemgruppe, die ausstirbt.

Als im September 2008 die ersten zweisprachigen Ortsschilder eingeweiht wurden, zeigte das ZDF eine Gruppe hochbetagter Männer. Das sind die letzten Oberschlesier, lautete die unterschwellige Botschaft. Doch in Wirklichkeit gibt es auch ein junges Oberschlesien mit Familien, deren Kinder in Kindergarten und Schule mit Deutsch groß werden.

Die deutschstämmigen Erwachsenen ergreifen dagegen die Chancen, die der Arbeitsmarkt in Deutschland, Österreich oder Holland bietet. Viele erhalten nur mit diesem Zuverdienst ihren Hof in der Heimat. Etwa acht Prozent aller Oppelner pendeln zwischen Oberschlesien und Arbeitsplätzen im Westen, hat der deutschstämmige Woiwodschaftsabgeordnete Richard Donitza errechnet. Das ist jeder vierte oder fünfte im arbeitsfähigen Alter. Auch die gute Autobahnanbindung Oberschlesiens macht es möglich.

Angesichts der jetzigen Flutka-tastrophe steigt aber der Auswanderungsdruck. Weitere Oberschlesier könnten ganz in den Westen übersiedeln. Schon jetzt hat fast jede Familie ein Mitglied, das in Westdeutschland lebt und arbeitet.     Markus Schleusener

Foto: Trostpflaster: Flutopfer erhalten nur 1500 bis maximal 5000 Euro aus Warschau.


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