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19.06.10 / Geschäft oder Datenschutz? / Das Schweizer Dilemma ist auch Europas Dilemma

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

Geschäft oder Datenschutz?
Das Schweizer Dilemma ist auch Europas Dilemma

Der in langwierigen Verhandlungen erarbeitete Staatsvertrag, der es US-Behörden erlauben soll, auf die Daten von ausgewählten Kunden der Schweizer Großbank UBS zuzugreifen, wurde vorige Woche vom Nationalrat, der großen Kammer des Schweizer Parlaments, abgelehnt. Bemerkenswert ist dies nicht nur, weil heute selbst in „westlichen Demokratien“ Volksvertreter bloß dazu zu dienen scheinen, Regierungsvorlagen abzunicken, sondern auch weil das Dilemma deutlich wird, in das „souveräne“ Staaten unter dem Druck von Mächtigeren geraten können. Denn die USA hatten ja die US-Tochter der UBS und damit auch den Mutterkonzern und die Schweiz unter Druck gesetzt.

Bei näherem Hinsehen entpuppt sich allerdings auch der Schweizer Entscheid wieder als typisch für parlamentarische Mechanismen. Denn die nationalkonservative Schweizer Volkspartei (SVP) und die Schweizer Sozialdemokraten (SP) stimmten nicht als Gralshüter von Datenschutz und Bankgeheimnis gegen den Vertrag, sondern weil sie eine Zustimmung mit anderen Themen junktimieren wollten: die SVP mit der Ablehnung einer neuen Bonus-Steuer, die SP hingegen mit zusätzlichen Banken- und Bonus-Regulierungen. Diese Junktimierungen lehnen die anderen Parteien ab. Die SVP ist jedenfalls einer neuen Zerreißprobe ausgesetzt, denn der Wirtschaftsflügel will – so wie die als Wirtschaftspartei auftretende Freisinnig Demokratische Partei (FDP) – dem Staatsvertrag zustimmen und könnte den nationalen Flügel letztlich zum Nachgeben zwingen. Einen Volksentscheid – sonst so beliebt in der Schweiz – scheinen die Parteien aber eher vermeiden zu wollen, und damit reiht sich auch die Schweiz wieder brav in die Reihen der „westlichen Demokratien“ ein.

Anwälte der betroffenen UBS-Kunden verweisen darauf, dass die Daten-Affäre eine makabre Seite habe. Denn bei ihren Klienten handle es sich nicht pauschal um „gewöhnliche Steuerhinterzieher“, sondern auch um Erben von Vermögen, das seit Generationen in der Schweiz liegt, und gemeint ist offenbar Vermögen, das hier einst von jüdischen Emigranten deponiert wurde.

Um beim Makabren zu bleiben: Die Schweizer Banken registrieren zuletzt wieder massive Zuflüsse aus dem Ausland – nicht als Flucht vor dem Fiskus, sondern vor allem als Flucht aus dem Euro. Inzwischen geht auch das Gefeilsche um das Überweisungs-System Swift munter weiter, in dessen Daten die USA Einblick fordern – zwecks „Bekämpfung des Terrorismus“. Ein von der EU-Kommission bereits ausgehandeltes Abkommen hatte das EU-Parlament im Februar aus datenrechtlichen Gründen abgelehnt, doch nun werden „erhebliche Fortschritte“ gemeldet: Als Placebo für die Parlamentarier soll künftig Europol „jede Datenweitergabe“ vorher überprüfen. Und so wie man den USA dankbar ist, dass man zwecks „Terrorismus-Bekämpfung“ auch gleich missliebige Meinungsäußerungen verfolgen kann, wird man sich bald auch über viele neue Dienstposten freuen können.        RGK


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