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19.06.10 / Die letzten ihrer Art / Vergessene baltendeutsche Dörfer im Nordosten der Türkei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

Die letzten ihrer Art
Vergessene baltendeutsche Dörfer im Nordosten der Türkei

Türken in Deutschland werden häufig als Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund bezeichnet. Doch einige wenige der meist in den 70er Jahren eingewanderten türkischen Staatsbürger sind nicht nur Deutschtürken, sondern ursprünglich Türken mit deutschem Migrationshintergrund, denn im Nordosten des Landes, in einem Streifen, der von 1878 bis 1921 zu Russland gehörte, lebten bis vor kurzem Baltendeutsche.

„Unsere Familie ist im 19. Jahrhundert hierhergekommen“, so August Abruk gegenüber dem Sender SWR. Der bekennende Protestant, der Türkisch und ein wenig Russisch spricht, lebt noch in der Türkei. Seine Familie ist die letzte mit deutschen Wurzeln in Karacaören, das unter dem Namen Paulinenhof von Baltendeutschen gegründet wurde. „Ob das als Folge der Kriegswirren geschah oder ob sie hier als Bauern und Handwerker angesiedelt wurden, das weiß ich nicht genau ... Auf jeden Fall haben sie dieses Dorf hier gegründet seinerzeit, und zwar als deutsches Dorf.“

1892, als der Nordosten Anatoliens zum Russischen Reich gehörte, gründeten Siedler aus Estland, die der dortigen deutschen Volksgruppe angehörten, einige Dörfer in der Region. Diese blühten bald wirtschaftlich auf.

Genaue Zahlen über die ethnische Zusammensetzung sind kaum zu finden, doch gaben bei einer russischen Volkszählung 1897 knapp 1000 Personen der etwa 290000 Einwohner der Region um die Stadt Kars an, sie würden Deutsch oder Estnisch sprechen. Ein Teil von ihnen könnte aber auch Soldaten der russischen Armee gewesen sein. Esten und Deutsche waren in der Armee des Zaren nicht selten.

1921 fiel der Landstrich an das Osmanische Reich, 1923 wurde er Teil der Türkischen Republik. Trotzdem sollen laut Abruk damals allein in Paulinenhof noch etwa hundert Deutschstämmige gelebt haben, die sogar eine eigene Kirche und einen Friedhof hatten. Doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts habe sich der Assimilierungsdruck erhöht, die christliche Kirche seien geschlossen worden und viele Familien seien als Gastarbeiter nach Deutschland gezogen. Der arbeitslose Abruk ist überzeugt, dass er seine Stelle als Mechaniker bei der Stadtverwaltung in Kars verloren hat, weil er Christ ist. Allerdings kann er sich, weil er einer der letzten „seiner Art“ in der Region ist, über Unterstützung aus Deutschland freuen.   Bel


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