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19.06.10 / Auferstanden aus Ruinen / Ehemalige »Pionierrepublik« ist wieder beliebte Kulturstätte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

Auferstanden aus Ruinen
Ehemalige »Pionierrepublik« ist wieder beliebte Kulturstätte

Zur Eröffnung am 16. Juli 1952 verkündete Wilhelm Pieck, der erste Präsident der DDR, vor einer Kinderschar: „Das hier ist eure Republik. Sie gehört ganz allein euch, den Kindern.“ Das weitläufige Waldgelände mit zweistöckigen Steinhäusern, einem Appellplatz, einer Schule und zwei Essenssälen am Werbellinsee, unweit von Berlin, war vor allem für die Nutzung von Kriegswaisen und -versehrten vorgesehen. Die Gestaltung im Baustil der 1930er Jahre unter Verwendung landschaftstypischer Elemente orientierte sich am Modell des sowjetischen Pionierlagers Artek auf der Krim.

Doch bald nahm die Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ die Anlage in Beschlag und wandelte sie in eine politische Ausbildungsstätte um. Neben dem regulären Unterricht nahmen die Kinder an paramilitärischen Übungen teil, um sich gegen den „imperialistischen Klassenfeind“ zu wappnen. Abends stand dann die „Aktuelle Kamera“ auf dem Programm, deren wichtigste Nachrichten der sozialistische Nachwuchs am nächsten Tag beim Fahnenappell zusammenfassen musste.

Nur die „Internationalen Sommerlager“, die seit 1960 regelmäßig stattfanden, erinnerten an die ursprüngliche Idee des Erholungsparadieses. Unter dem Motto der Völkerverständigung und des Friedens trafen sich hier Kinder und Jugendliche über die Grenzen der Ostblockstaaten hinaus. Apfelsinen, Eis am Stiel, Lagerfeuer-Romantik, Badestrand – viele wähnten sich im Schlaraffenland. Attraktion war die original mongolische Königjurte, die Erich Honecker der Einrichtung 1974 schenkte.

Nach der Wende wechselte das Ferien-Mekka immer wieder sein Profil. Zunächst betreute das Zentrum umweltgeschädigte Mädchen und Jungen aus Tschernobyl und Bitterfeld. Die Treuhand ließ die letzten Spuren des Sozialismus beseitigen und das Wilhelm-Pieck-Denkmal neben vielen anderen Kunstgegenständen auf die Burg Beeskow bringen, wo sie bis heute stehen. In den 1990er Jahren mietete sich der Internationale Bund in die denkmalgeschützte Immobilie ein und machte eine riesige Jugendherberge daraus. Eine Schule für Hörgeschädigte, ein Behindertenverein und eine Religionsgemeinschaft nutzten den Standort ebenso wie die Jusos und die PDS.

Nachdem der Anlage mehrmals das finanzielle Aus drohte, verkaufte das Land Brandenburg sie 2004 in private Hände. Die neuen Eigentümer legten viel Wert auf den Einsatz erneuerbarer Energien und ökologisches Bauen. Seitdem ist die „Europäische Jugenderholungs- und Begegnungsstätte Werbellinsee“ eine der größten Kinder- und Jugendeinrichtungen in Deutschland mit abwechslungsreichen Kultur-, Freizeit- und Sportaktivitäten.      Sophia E. Gerber

Foto: Empfängt wieder Besucher: Einfahrt zur Pionierrepublik


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