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19.06.10 / Stufen zur Erkenntnis / Neuer Zugang zu Vordenkern der Astronomie und ihren Forschungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

Stufen zur Erkenntnis
Neuer Zugang zu Vordenkern der Astronomie und ihren Forschungen

Der Titel irritiert: „Die kosmische Hintertreppe“ nennt Ernst Peter Fischer sein Buch über die „Erforschung des Himmels von Aristoteles bis Stephen Hawking“. Gemeint ist damit wohl, dass der Leser Stufe um Stufe von den Anfängen astronomischer Forschung bis zum heutigen Stand der kosmologischen Erkenntnis emporsteigt. Das Bild von der Treppe ist also stimmig, nur scheint es sich, so das Resümee der ebenso lehrreichen wie vergnüglichen Lektüre, keineswegs nur um eine Hintertreppe zu handeln.

Das Leitmotiv fand der Autor – Mathematiker, Physiker, Biologe und Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Universität Konstanz – bei Immanuel Kant. „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir“,  schwärmte der Königsberger Philosoph 1787 in der „Kritik der praktischen Vernunft“. Der ehrfürchtig-bewundernde Blick nach oben, so Kant voller Demut weiter, eröffne ihm ein „Bewusstsein meiner Existenz“, zeige ihm den Platz, den er in dieser Welt einnehme, und „vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit“.

Genau hier knüpft Ernst Peter Fischer an. Ganz bewusst bietet er kein Kompendium astronomischer Forschungsprojekte an, sondern die Entwicklung einer auf Himmelsbeobachtung gestützten philosophischen Standortbestimmung der Menschheit. So stehen denn für die einzelnen Stufen dieser Treppe der Erkenntnis nicht abstrakte Entdeckungen, Erfindungen, Ideen oder Theorien, sondern die Menschen, denen die wichtigsten Schritte des Erkenntnisprozesses zu danken sind – eben von Aristoteles bis Hawking.

Da begegnen uns natürlich die großen Vordenker der Astronomiegeschichte: Claudius Ptolemäus, dessen Weltbild für weit mehr als ein Jahrtausend den Menschen und den ihm damals bekannten Teil der Erde zum Zentrum der Welt erklärte; Nicolaus Copernicus, Johannes Kepler und Galileo Galilei, die dieses Weltbild zum Einsturz brachten und zunächst einmal die Sonne ins Zentrum setzten; Isaac Newton und Edmond Halley, die mit Physik und Mathematik erneut den astronomischen und kosmologischen Horizont erweiterten; schließlich Edwin Hubble und Stephen Hawking, die unser heutiges Modell vom Urknall, vom expandierenden Universum mit Milliarden von Milchstraßen und Billiarden von Sonnensystemen prägen.

Zugleich stößt der Leser aber auch auf Namen, die er hier nicht erwartet hätte: Dante Alighieri, dessen „Göttliche Komödie“ durchaus als letzter Abgesang auf das untergehende ptolemäische Weltbild zu verstehen ist; Immanuel Kant, der eben nicht nur einer der bedeutendsten Philosophen aller Zeiten, sondern auch ein weit vorausschauender Astronom und Kosmologe war; Albert Einstein, dessen relativitätstheoretischer Ansatz nicht nur einen neuen Blick in die Welt der allerkleinsten Dinge, der innersten Strukturen der Materie eröffnete, sondern auch die fernsten Weiten des Alls unserem Bewusstsein näher rückte.

Dankenswerterweise stellt Ernst Peter Fischer nicht nur die überragende Rolle des Königsberger Philosophen Kant für die Geschichte der Kosmologie gebührend heraus. In einem eigenen Kapitel würdigt er auch Friedrich Wilhelm Bessel, der, erst 26-jährig, 1810 von Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. zum Professor für Astronomie an der Universität Königsberg ernannt und mit großzügigen finanziellen Mitteln ausgestattet wurde. Er machte, aufbauend auf Kants kosmologischen Arbeiten, die Ostpreußen-Metropole zumindest für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Weltzentrum der Himmelsforschung.

„Kosmische Hintertreppe“ – nach der erkenntnisreichen, aber auch unterhaltsamen Lektüre kann man sich schließlich auch mit dem zunächst etwas irritierenden Titel anfreunden und das Buch besten Gewissens weiterempfehlen.     Hans-Jürgen Mahlitz

Ernst Peter Fischer: „Die kosmische Hintertreppe“, Nymphenburger Verlag, München 2009. 349 Seiten, 19,95 Euro


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