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26.06.10 / Karlsruhe in Begründungsnot / Welche Chance hat die Verfassungsbeschwerde gegen den Euro-Rettungsschirm?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Karlsruhe in Begründungsnot
Welche Chance hat die Verfassungsbeschwerde gegen den Euro-Rettungsschirm?

Über die Verfassungsbeschwerde der „Euro-Skeptiker“ um Peter Gauweiler (CSU) gegen den EU-Euro-Rettungsschirm ist noch nicht abschließend entschieden worden. Der Klageweg ist steinig, doch am Ende steht so oder so ein folgenschweres Urteil: schwache oder harte Währung, deutsche Souveränität oder noch mehr EU.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat als höchste deutsche Instanz schon über Fragen deutscher Souveränität Entscheidungen gefällt, die Politiker lieber umgangen hätten. Der Europapolitik Berlins haben die Verfassungsrichter schon mehrfach Auflagen gemacht, zuletzt anlässlich des Vertrags von Lissabon.

Doch reicht es vor dem BVerfG nicht, wenn ein Kläger nachweist, dass Politiker gegen Verfassungsrecht verstoßen, und genau das ist aktuell Peter Gauweilers Problem. Der 61-jährige CSU-Bundestagsabgeordnete und einstige bayerische Umweltminister ist am 9. Juni mit seinem Eilantrag gegen den EU-Rettungsschirm, das im Mai verabschiedete Gesetz zur Euro-Stabilisierung, gescheitert. Die Entscheidung in der Hauptsache steht aber noch aus. In dem Gesetz geht es – weit über die „Griechenlandrettung“ hinaus – um einen generellen Stabilisierungsmechanismus: Euro-Staaten bekommen im Notfall Kredite und Darlehen. Das aber ist, so warnen Kritiker, der Einstieg in eine bisher nach EU-Recht verbotene Haftungsgemeinschaft. So sehen es auch Gauweiler und sein bereits in BVerfG-Prozessen gestählter Prozessvertreter Professor Dietrich Murswiek.

Wann der abschließende Richterspruch kommt, ist offen. „Es geht um rund 148 Milliarden Euro, für die der deutsche Steuerzahler zur Rettung von Euro-Pleitekandidaten einzustehen hat“, so Murswiek. Er glaubt zwar nicht, dass die Politiker generell mehr Macht für die EU wollten, ihnen gehe es „im Moment nur darum, sich vorerst aus der Euro-Krise zu retten. Aber was sie damit bewirken, ist eine radikale Zentralisierung.“ Karlsruhe sieht dagegen noch keine akute Gefahr. „Ein wesentlicher Schaden erwächst dem Gemeinwohl nicht aus der bloßen Möglichkeit einer Inanspruchnahme“ (des Rettungsschirms), so die Richter in der Begründung der Ablehnung des Eilantrags. Der Knackpunkt: Der Beschwerdeführer habe „keine konkreten Anhaltspunkte“ vorgetragen, dass seine Grundrechte „in Folge einer etwaigen Übernahme von Kreditgarantien oder des Ankaufs von Staatsanleihen durch die EZB (Europäische Zentralbank) bereits schwer oder irreversibel beeinträchtigt sein könnten“, so das Gericht. Das muss das Gespann Gauweiler-Murswiek nun nachholen.

Für Unbehagen sorgte bei vielen Beobachtern, dass die Verfassungsrichter den Einwand der Bundesregierung, eine einstweilige Verfügung gegen das umstrittene Gesetz würde zu Turbulenzen an den Finanzmärkten führen, „geschluckt“ haben. Not kennt kein Gebot? Für eine inhaltliche Prüfung der Einwände schien jedenfalls kein Raum mehr zu sein.

Das Argument, der Euro werde unumkehrbar geschädigt, steht indes noch zur Prüfung an. Von ihm leiten sich die finanziellen Folgen für jeden ab. „Es geht um ein auf Dauer angelegtes Instrumentarium“, charakterisiert Murswiek den Rettungsschirm – und nicht um eine freiwillige Absichtserklärung, wie die Bundesregierung betont. Auch das Notstands-argument wollen die Beschwerdeführer aushebeln. Die bisherige EU-Gesetzgebung hilft ihnen dabei. Denn schon früher legte das BVerfG fest, wie weit Deutschland im Einigungsprozess mitgehen darf: Im Fall der Gemeinschaftswährung bildete deren Stabilität die BVerfG-Akzeptanzgrundlage. Fällt die mit der jetzt in Kauf genommenen Aufweichung des Euro weg, kommen die Richter gegen Gauweiler in Begründungsnot.    Sverre Gutschmidt


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