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26.06.10 / Westerwelle weiter unter Druck / In der FDP sägen viele am Stuhl des Parteichefs – Personelle Alternative vorerst nicht in Sicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Westerwelle weiter unter Druck
In der FDP sägen viele am Stuhl des Parteichefs – Personelle Alternative vorerst nicht in Sicht

Die Probleme der Bundesregierung haben viele Ursachen. Eine davon ist die desolate Lage der FDP, in der ein seit Tagen weitgehend abgetauchter Parteichef Westerwelle um seine Position kämpfen muss. Sein Stuhl wackelt, und die schulterklopfende Ermutigung der letzten Zeit muss er als demütigend empfinden.

Nur wenige deutsche Politiker haben es geschafft, im Amt des Außenministers nicht zu glänzen. Der Chef der Diplomatie gilt sozusagen von Amts wegen als Medienliebling, sein Ressort bildet in dieser Hinsicht ein Gegenstück zum „von Natur aus unbeliebten“ Finanz- und früher oft auch zum Verteidigungsminister.

Ganz anders Westerwelle: Ein paar Stillosigkeiten und Fehltritte haben ausgereicht, den FDP-Chef zu einer in diesem Amt verkümmernden Figur werden zu lassen. Westerwelle ist scharfzüngig und manchmal laut, was zu einem Parteichef − zumal in der Opposition − gut passt, nicht aber zum Chef der Diplomatie.

Nun scheint dem im Kern sensiblen Juristen, der nach der durch spektakulären Freitod beendeten Affäre Möllemann im Jahre 2003 monatelang fast in Depressionen versank, in beiden Aufgaben nicht mehr viel zu gelingen: Als Außenminister ist er bestenfalls blass, als Parteichef und Vizekanzler sogar ein politischer Bruchpilot. Der Absturz der FDP von knapp 15 Prozent bei der Bundestagswahl auf zuletzt fünf Prozent in Umfragen ist für die Bundesregierung ein Problem und für die Liberalen ein Desaster.

„Guido Westerwelle war ein hervorragender Oppositionspolitiker. Leider wurde in dieser Zeit ein bisschen vergessen, an den Tag nach dem Wahlsieg zu denken“, diese treffende Einschätzung kam nicht etwa von einem Journalisten oder gar vom politischen Gegner. Formuliert hat so unlängst der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn. Und weiter: „Viele in der Partei bezweifeln, dass Westerwelle dem Parteivorsitz und dem Amt des Außenministers gleichzeitig gerecht werden kann.“ Nach dieser Wortmeldung mutmaßten viele, Hahn wolle selbst FDP-Chef werden oder er kooperiere zumindest mit jemandem, der dieses Ziel verfolgt. Hahn ist jedenfalls als Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident des Landes Hessen kein Leichtgewicht in der FDP.

Die Gereiztheit, mit der in der FDP seit Wochen alle in Frage kommenden Westerwelle-Nachfolger eigene Ambitionen dementieren, bestätigt jedenfalls, dass der Chef angeschlagen ist. Wenn nun FDP-Politiker aus mehreren Landesverbänden offen über die Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten nachdenken, dann nagt das an der verbliebenen Autorität Westerwelles. Auch die neuesten „Loyalitätsbekundungen“ des bereits zitierten „Parteifreundes“ Hahn dürften dem FDP-Chef in den Ohren klingen. „Die Aussage des Landesparteitages war: ,Guido, du hast eine zweite Chance, nutze sie.‘ Das ist auch meine Botschaft.“ „Nutze Deine zweite Chance“ – redet man so nicht eher mit einem Vorbestraften? Auch wenn sich hinter Hahns weiteren, detaillierten Tipps an den Bundesvorsitzenden wirklich kein offenes Aufbegehren (mehr) verstecken sollte, der Druck auf Westerwelle bleibt enorm.

Dafür sorgen auch Wortmeldungen wie die des FDP-Bundesvorstandsmitglieds Alexander Pokorny: „Westerwelle hat seine drei Ämter Parteivorsitzender, Minister und Vizekanzler noch nicht unter einen Hut bekommen.“ Neben so frontaler Kritik steht die subtile Gemeinheit des FDP-Landeschefs von Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki. Der warnte – durchaus im Sinne Westerwelles – vor einer Trennung der Ämter an der Spitze, aber mit welcher Begründung: „Das würde man uns als Panik auslegen.“ In der Sache fände Kubicki es aber anscheinend durchaus angemessen, dem Vizekanzler die Hosenbeine abzuschneiden. „Das Problem ist, dass Guido Westerwelle im Augenblick gar nicht stattfindet. Er scheint eine neue Rolle zu suchen“, erklärte er öffentlich, gerade so, als gäbe es einen Ersatzkandidaten für den FDP-Vorsitz.

Dieser von Illoyalität und auch wenig politischer Klugheit zeugende Ton innerhalb der FDP ist allerdings gewiss nicht nur Folge des massiv geschmälerten Vertrauens der Bevölkerung zu den Liberalen, sondern auch eine Ursache dafür. Westerwelle muss dieser Tage zwar wohl noch nicht unmittelbar um seine Ämter bangen, doch zwei Terminen dürfte er mit Unbehagen entgegensehen. Da ist zum einen die zweitägige Klausur von Bundes- und Fraktionsvorstand der Liberalen an diesem Wochenende. Über die Lage der Partei soll beraten werden, doch eine grundlegende programmatische Neuausrichtung werde es nicht geben, erklärt Generalsekretär Christian Lindner. Vor allem der für die FDP fatale Fehler, inhaltlich ganz auf Steuersenkungen zu setzen und damit dann Schiffbruch zu erleiden, soll wohl überwunden werden.

Der zweite Termin ist dann bereits Mittwoch nächster Woche, denn dann wird der neue Bundespräsident gewählt. Falls Joachim Gauck das Rennen machen sollte, wäre der Sieger des Tages SPD-Chef Sigmar Gabriel, die Verlierer wären neben dem unterlegenen Christian Wulff Angela Merkel und eben Westerwelle. Denn der FDP-Chef hat sich für einen CDU-Kandidaten engagiert, an dessen Nominierung er gar keinen Anteil hatte. Nicht wenige in der FDP, vor allem in den neuen Ländern, sehen in der Wahl Gaucks eine Art Blitzableiter für mehrere Sorgen gleichzeitig.

Allerdings beträgt die schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung gut 20 Stimmen. Wulff rechnet öffentlich vor, erst vier FDP-Vertreter hätten sich auf Gauck festgelegt, beim Zeitungslesen könne man meinen, es wären 400. Was immer in dem tagelang fast ganz abgetauchten Außenminister derzeit vorgeht – zweifellos hofft Westerwelle inständig, dass Wulff mit seinem Kalkül Recht behält.            Konrad Badenheuer


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