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26.06.10 / Edgitha-Grab wiedergefunden / Entdeckte Gebeine stammen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Edgitha-Grab wiedergefunden
Entdeckte Gebeine stammen von der ersten Ehefrau Ottos I. – Wurzeln in Wessex

Bei Forschungsgrabungen im Magdeburger Dom wurde Ende 2008 ein Sarkophag aus dem Jahre 1510 gefunden. Seine Aufschrift versprach eine Sensation: Hier sollte Königin Edgitha (Editha) bestattet sein, die im Jahre 946 verstorbene erste Ehefrau des späteren Kaisers Otto I. Modernste Untersuchungstechniken haben verbliebene Zweifel an dieser Identifizierung ausgeräumt.

„EDIT REGINE CINERES HIC SARCOPHAGVS HABET ...“ (Die geborgenen Reste der Königin Edith sind in diesem Sarkophag ...) – diese Inschrift von 1510 ist offenbar wahr. In dem Bleisarg, der Ende 2008 bei der Ausgrabung aufgefunden wurde, sind tatsächlich die sterblichen Überreste der aus dem englischen Wessex stammenden Königin bestattet worden. Sprach man bis vor wenigen Wochen vorsichtig nur vom „mutmaßlichen“ Kenotaph der Edgitha, so kann man nun die Vorbehalte weglassen.

Nach der spektakulären Auffindung und Bergung der Bestattung wurden umfangreiche Untersuchungen in verschiedenen Labors in Deutschland und England durchgeführt, die nun an der Identifizierung keine vernünftigen Zweifel mehr lassen. Wegen der Bedeutung des Fundes wurde eine Forschergruppe aus renommierten Experten zu den verschiedenen Fundgruppen wie Knochen, Textilien, Metalle, Pflanzen- und Insektenresten zusammengestellt. Die grundlegenden naturwissenschaftlichen Untersuchungen sind beendet.

Königin Edgitha, die Enkelin Alfreds des Großen, des berühmtesten sächsischen Königs von England, war im Alter von 19 Jahren aus Wessex nach Magdeburg gekommen, wo sie Otto den Großen heiratete und 946 im Alter von 36 Jahren verstarb. Die Brautschau des nachmaligen Kaisers in England hatte politische Gründe: Es galt, die Position des sächsichen Herzogs und Königs des Ostfrankenreiches Otto gegenüber westfränkischer Konkurrenz abzusichern, und mit Wessex war man über die gemeinsame Feindschaft der Dänen indirekt verbunden.

Obwohl Edgitha (die im Altenglischen Eadgyð hieß und später im Deutschen auch Editha genannt wurde) relativ früh verstarb, wurden die dynastisch-politischen Ziele erreicht: Otto avancierte 951 zum König von Italien und 962 zum römisch-deutschen Kaiser. Seine geliebte Edgitha schenkte ihm zwei Kinder: Vermutlich im Jahre 930 Liudolf, den späteren Herzog von Schwaben, und im Jahr darauf Luitgard, eine Stammutter der Salier. Beigesetzt wurde Edgitha der Überlieferung zufolge ursprünglich im Mauritiuskloster in Magdeburg – es befand sich an der Stelle des heutigen Doms.

Die anthropologischen Untersuchungen der Gebeine wurden durch das Team um Professor Kurt W. Alt (Universität Mainz) durchgeführt. Geschlecht, Alter und Lebensumstände der Toten passen genau zu dem Bild, das uns durch literarische Quellen überliefert ist. So stammen alle Knochen im Bleisarg von einem einzigen Individuum. Morphologische und metrische Analysen des Skeletts ergaben, dass es sich um eine zwischen 30 und 40 Jahre alte Frau von ungefähr 1,57 Meter Größe handelte. Der erhaltene Gelenkkopf des Oberschenkels weist eine deutliche „Reiterfacette“ auf: Die Tote war viel geritten, wie das bei einer mittelalterlichen Adligen auch zu erwarten ist.

Die Strontium- und Sauerstoff­isotopenanalyse, die anhand der in den Zähnen abgelagerten Zusammensetzung der Strontiumisotopen Auskunft über die Aufenthaltsorte der untersuchten Person in ihrer Kindheit und Jugend geben kann, hat weitere, bemerkenswerte Ergebnisse erbracht. Forscher in Mainz und Bristol kamen unabhängig voneinander zum gleichen Ergebnis: Die Bestattete ist im südenglischen Wessex in der Gegend von Winchester aufgewachsen. Die Untersuchungen in Bristol konnten zudem durch die Anwendung der speziellen Technik der Laser-Ablation dieses Ergebnis noch präzisieren. Eine sogenannte Mikro-Beprobung erlaubt es, an den Sequenzen jahresringgleich die Aufenthaltsorte der untersuchten Personen bis zu einem Alter von 14 Jahren zu ermitteln. Laut Professor Mark Horton von der Universität Bristol lassen sich die Ergebnisse dieser Untersuchung sehr genau mit den Stationen der Kindheit und Jugend Edgithas in Wessex verknüpfen.

Das europäische Mittelalter ist uns mit dem Magdeburger Fund und seiner faszinierenden „Entschlüsselung“ wieder ein Stück näher gerückt.   M.R./K.B.


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